Etwa 10 bis 15 Prozent der Mütter in westlichen Ländern erkranken peripartal an einer Depression. Über die betroffenen Frauen wird viel berichtet. Doch wie geht es ihren Partnern? Dieser Frage gingen Leah Beestin und Kollegen der University of Leeds nach.
Die postpartale Depression beginnt zumeist innerhalb der ersten drei Monate nach der Geburt. Ein hoher Anteil der Frauen leidet länger als zwei Jahre daran. Das Gewicht verändert sich, die Frauen haben keine Energie, sind pessimistisch und angespannt. Nachts können sie nicht schlafen und tagsüber werden sie von Müdigkeit geplagt. Viele haben Sorge, sie könnten sich oder ihrem Baby etwas antun. Besonders gefährdet sind die Frauen, die vor der Schwangerschaft bereits an Depressionen oder einer Angststörung litten. Auch die psychische oder physische Abwesenheit des Vaters erhöht das Risiko für eine Depression. Die Gefahr dabei: Dem Baby fehlt die emotionale Zuwendung, die es braucht. Studien haben gezeigt, dass die postpartale Depression der Mutter die Entwicklung des Kindes beeinträchtigen kann. Einige Studien ergaben, dass der Vater die Schieflage kompensieren kann, andere zeigten, dass er es nicht kann. In jedem Fall aber lastet ein großer Druck auf den Schultern der Väter.
Leah Beestin und Kollegen interviewten 14 Väter im Alter von 25 bis 50 Jahren (Durchschnittsalter 33,9 Jahre), deren Frauen an einer postpartalen Depression erkrankt waren. Acht dieser Väter waren mit der Mutter des Kindes nicht verheiratet, fünf waren verheiratet und ein Mann war geschieden. Die Partnerinnen waren zwischen 21 und 48 Jahren alt (im Durchschnitt 29,6 Jahre). Zum Zeitpunkt des Interviews hatten sich sieben Mütter bereits von ihrer Depression erholt, während die sieben übrigen Frauen noch depressiv waren. 11 der 14 Väter berichteten, dass die Depression der Mutter ihre Vaterschaft beeinflusste. Während üblicherweise die Frauen die Abwesenheit der Männer beklagen, war hier die emotionale oder physische Abwesenheit der Mutter das Thema Nummer Eins. Die Väter hatten das Gefühl, dass sie eine Lücke schließen mussten und investierten besonders viel Kraft, um ein "guter Vater" zu sein.
Nur drei Männer fühlten sich durch die Depression ihrer Partnerin nicht beeinträchtigt. In diesen Fällen war die Mutter entweder nur leicht depressiv oder die Väter hatten ein stark traditionelles Rollenverständnis, nach dem die Frau allein für den Haushalt und die Pflege des Kindes zuständig ist. Auch wurde das Argument genannt, dass andere Probleme - z.B. finanzielle - schwerer wogen als die Depression der Frau.
Erstaunt stellten die Interviewer fest, dass die Väter die Depression der Frau wie eine Sache betrachteten: Die Depression war das "postpartale Ding". Die Männer formulierten es ganz ähnlich: "Es ist immer noch bei uns" sagte Del. "Das ist ein direktes Ergebnis der Depression" (David), "Die Depression macht, dass du so handelst" (George), "dieses Depressions-Dingen, dass macht das" (Bill). Matthew sagte: "Es ist wie so eine kleine Einheit, die daher kam und unser Haus für sechs Monate niederdrückte (...) es war wie eine schwere Wolke, die sich auf unser Haus gesetzt hatte." Die Väter betonen, dass sie völlig unerwartet von der Depression der Partnerin getroffen wurden. Es kam ihnen vor wie ein unausweichliches Schicksal. Viele berichten von einer plötzlichen, unerwarteten Einsamkeit. Die Väter litten darunter, dass sie das Erlebte nicht mit ihrer Frau teilen konnten. Mit den normalen Problemen des Kindes wie Schlaflosigkeit oder Trotz standen sie alleine da, sodass sich die Probleme verstärkten.
Einer der Väter, Bill, litt besonders unter der "desinteressierten Anwesenheit" seiner Partnerin. Er empfand sie stark als Hindernis und war einmal kurz davor, ihre Tasche zu packen, als ihm ihre Ablehnung und ihre unberechtigten Schuldzuweisungen zu viel wurden. Einige Väter litten sehr unter dem Zerfall der Familie. Manche waren sehr darauf bedacht, die Familie vor äußeren Urteilen zu schützen. Einige empfanden Panik. Ein Vater kam regelmäßig von der Arbeit nach Hause, um zu helfen und danach wieder zur Arbeit zu gehen. Es fehlte den meisten Familien an Kraft, um Hilfe zu suchen.
Besonders schlimm empfanden einige Väter die "vereitelte Vaterschaft". Die Rolle des Vaters wurde durch die Depression der Frau infrage gestellt. Bill und Jasper erklärten, dass sie darunter litten, keine Paarbeziehung auf Erwachsenenebene mehr gehabt zu haben. Sie sahen sich als Pfleger, während ihre Frau die Patientin war. David hatte vor der Depression der Partnerin das Gefühl, dass alles in die richtige Richtung ging. Doch als die Partnerin depressiv wurde, war es für ihn so, als sei er auf einmal gegen eine Ziegelwand gestoßen. David litt sehr unter dem Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben. Er trauerte darüber, dass "die guten Zeiten" in der Familie vorbei sind und spürte den enormen, destruktiven Einfluss, den die Depression auf die Familie hatte. Er hatte den Wunsch, nur noch weg von dieser Feindseligkeit zu sein. Viele Männer empfanden ihr Vatersein als nicht erfüllend und enttäuschend. Sie hatten keinen Spaß daran, weil sie nicht der Vater sein konnten, der sie sein wollten. Del sagte, dass er sich der Chance, ein guter Vater zu sein, beraubt fühlte. Er fühlte sich regelrecht hereingelegt.
Allerdings gab es auch Väter mit einer großen Resilienz. Charlie fühlte sich durch die Situation herausgefordert. Er empfindet es so, dass er mehr Fähigkeiten entwickeln konnte als die Väter, die "nur gute Zeiten" erlebt hatten. Er fühlte sich aktiv und entwickelte Vertrauen in seine Fähigkeiten als Vater. Einige Väter sagten, dass sie diese "geschützte Zeit", die sie allein mit ihrem Kind verbringen konnten, wie beispielsweise die abendliche Badezeit, als sehr wertvoll empfanden. "Nur meine Tochter und ich....in unserer eigenen kleinen Welt", beschrieb es ein Vater. Das habe er sehr genossen. Auch Leighton sagt, dass er eine gute Vater-Sohn-Beziehung genieße, die unabhängig von der Mutter ist und getrennt vom Familienleben. Er genießt es, wenn sein Sohn ihn anlacht und wenn er bei ihm sein will. "We're just happy with each other." Auch Sean erzählt, dass er zwar den Untergang der Familie sehr bedauerte, aber er bemerkt auch, dass er eine "perfekte" Vater-Kind-Beziehung aufbauen konnte, die ganz unabhängig von der Mutter-Kind-Beziehung ist. Resilient schienen also die Männer zu sein, denen es gelang, eine exklusive Vater-Kind-Beziehung aufzubauen, die unabhängig von ihrer Beziehung zur Partnerin war. Obwohl diese Art des Vaterseins vorher eigentlich nicht in ihrer Vorstellung lag und obwohl es sich von ihren früheren Idealen und Erwartungen unterschied, so empfanden sie diese neue Vaterschaft doch als sehr positiv, als "nährend" und erneuernd.