Weihnachtszeit ist Zimtsternzeit. Warum das beliebte Gewürz gefährlich werden kann und wie viele Zimtsterne man der vom Glühwein gebeutelten Leber überhaupt zumuten kann, lest ihr hier.
Zwei mittelgroße Eiweiße, 100 Gramm gesiebter Puderzucker, 350 Gramm gemahlene Mandeln, zwei Teelöffel Zimt (wobei diese Menge ganz nach Belieben nach oben angepasst werden kann) und für die Glasur nochmal 100 Gramm gesiebter Puderzucker plus ein weiteres Eiweiß. Die Kenner unter euch haben es sicherlich schon erraten: Das sind die Zutaten, die ihr für das Backen von Zimtsternen braucht. Zumindest sind es Zutaten für ein beispielhaftes Rezept.
Weitere Variationen sind massenhaft in den Tiefen des Internets verfügbar und viele Familien geben Rezepte für Zimtsterne über Generationen hinweg weiter. Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Die Deutschen haben in der Weihnachtszeit ein nahezu fetischistisches Verhältnis zu Zimtsternen. Die Bundesregierung schrieb im Jahr 2020 auf ihrer Homepage sogar: „Sie sind wortwörtlich die Stars der deutschen Weihnachtsküche, ihre Zutaten Luxus pur.“
Leider – so lecker sie auch sein mögen – solltet ihr es mit den Zimtsternen nicht allzu sehr übertreiben. Und dabei rede ich jetzt nicht vom Zucker, sondern vom Zimt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin (BfR) empfiehlt beispielsweise in ihren FAQ zu Cumarin, einem Bestandteil des Zimts, dass Kleinkinder nicht mehr als sechs kleine Zimtsterne am Tag essen sollten, weil ansonsten die Gefahr eines Gesundheitsschadens entsteht. Erwachsene sollten demnach nicht mehr als 24 kleine Zimtsterne am Tag verzehren.
In welcher Menge Cumarin im Zimt genau vorhanden ist, kann ich euch leider nicht im Detail mitteilen. Denn das Gewürz ist die zerriebene Rinde des Zimt-Baumes und wie bei allen Stoffen, die natürlich in Pflanzen vorkommen, ist die Menge variabel. Sicher ist nur eines: In Cassia-Zimt ist sehr viel mehr Cumarin als in Ceylon-Zimt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung berichtet beispielsweise, dass Cassia-Zimt im Mittel rund 3 Gramm Cumarin in 1 Kilogramm Zimt aufweist. Allerdings wurden auch schon Spitzenwerte von 12,2 Gramm Cumarin pro Kilogramm Zimt gemessen. In Ceylon-Zimt wurden hingegen sehr niedrige Gehalte bis maximal 0,3 Gramm Cumarin pro kg Zimt gefunden.
Nach Aufnahme in den Gastrointestinaltrakt gelangt das Cumarin erst einmal über die Pfortader in die Leber. Da Cumarin schlecht in Wasser und somit auch schlecht in unserem Urin löslich ist, muss es umgebaut werden, um anschließend aus unserem Körper entfernt zu werden. In einem ersten Schritt wird es deshalb durch das Enzym CYP2A6 in 7-Hydroxycumarin umgebaut. In weiteren Schritten folgen dann noch mehr Umbauprozesse, wie beispielsweise eine Glucuronidierung durch UDP-Glucuronosyltransferasen. All diese und andere Umbauprozesse haben zum Ziel, das Cumarin wasserlöslicher zu machen und es so letztendlich über unseren Urin auszuscheiden.
Im Zuge dieser Umbauprozesse kann die Leber zu Schaden kommen. Wie genau dies geschieht, ist noch nicht eindeutig geklärt. Es scheinen aber viele verschiedene Parameter dafür verantwortlich zu ein. Beispielsweise kann es zur Bildung des hochreaktiven 3,4-Cumarin-Epoxids kommen. Dieses Epoxid kann sich unter anderem mit zellulären Proteinen und anderen Makromolekülen verbinden, was die Funktion dieser Zellbestandteile beeinträchtigen kann.
Wie bei allen Stoffen hängt die gesundheitsschädigende Wirkung von Cumarin von der Dosis ab, die ihr aufnehmt. Wenig Cumarin schadet euch normalerweise nicht, zu viel kann euch allerdings gehörig beeinträchtigen. Doch wie viel ist zu viel? Offenbar gibt es Menschen, die besonders empfindlich auf das Cumarin im Zimt reagieren und sehr viel leichter schon bei geringeren Konzentrationen einen Leberschaden bekommen als die meisten anderen Menschen. In einem Fachartikel ist die Anzahl auf etwa 6 Prozent aller Menschen beziffert. Was genau bei diesen anders ist, weiß man leider nicht.
Bis heute hat man die Mechanismen noch nicht im Detail identifiziert, die hierfür verantwortlich sind. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine vorangegangene Hepatitis-Infektion ein Risikofaktor für eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Cumarin ist. Andere Untersuchungen geben Hinweise darauf, dass unser Immunsystem auf irgendeine Art und Weise für eine höhere Empfindlichkeit gegen über Cumarin verantwortlich sein könnte.
Zusammengefasst sei noch einmal auf die oben erwähnten FAQ des BfR verwiesen: Wir Menschen sollten nicht mehr als 0,1 Milligramm Cumarin pro Kilogramm Körpergewicht am Tag aufnehmen. Bei dieser Angabe sind schon die besonders empfindlich reagierenden Menschen berücksichtigt. Es gibt also eine ganze Menge Menschen, die auch viel mehr konsumieren können. Da wir aber in der Regel nicht wissen, zu welcher Gruppe wir gehören, rate ich euch, bei dieser Menge zu bleiben.
Nach der oben genannten Verzehrmenge solltet ihr über andere Nahrungsmittel keinen weiteren Zimt essen. Am besten achtet ihr außerdem darauf, dass eure Zimtsterne nur Ceylon-Zimt enthalten. Häufig ist dies auf der Verpackung angegeben. Steht nichts auf der Verpackung, handelt es sich meist um den minderwertigeren (weil giftigeren) Cassia-Zimt. Und auch hier gilt natürlich der Grundsatz: Wer selbst backt, entscheidet auch selbst über die Zutaten. Wird für eure Zimtsterne ausschließlich Ceylon-Zimt verwendet, könnt ihr – sofern ihr den Einfluss auf eure Figur vernachlässigt – euch ganz der Völlerei hingeben.
Viel Spaß beim Backen und frohe Weihnachten!
Quellen
https://www.bfr.bund.de/de/fragen_und_antworten_zu_cumarin_in_zimt_und_anderen_lebensmitteln-8439.html (zuletzt abgerufen am 17.12.2023).
https://mobil.bfr.bund.de/cm/343/neue-erkenntnisse-zu-cumarin-in-zimt.pdf (zuletzt abgerufen am 17.12.2023).
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