Wenn CT oder MRT als Zufallsbefund Pankreaszysten zeigen, ist guter Rat oft teuer. In einer neuen Studie ist das Entartungsrisiko zwar geringer als oft angenommen. Einfacher wird es für Ärzte dadurch aber nicht. Wie ihr vorgehen solltet.
Früher wäre das meiste davon wahrscheinlich nie aufgefallen. Aber dank immer häufigerer, immer besser aufgelöster CT- und vor allem auch MRT-Diagnostik häufen sich Situationen, in denen in der Bauchspeicheldrüse intraduktale Läsionen als Zufallsbefunde entdeckt werden. Insbesondere bei älteren Menschen scheinen solche intraduktalen, papillär-muzinösen Neoplasien (IPMN) eher die Regel als die Ausnahme zu sein. IPMN gelten als Präkanzerosen für den Bauchspeicheldrüsenkrebs, eine Erkrankung, die niemand haben will. Allerdings sind längst nicht alle IPMN problematisch, und die therapeutischen Optionen bei IPMN waren bisher nicht besonders attraktiv. Dazu später mehr.
Neue Daten zum natürlichen Verlauf von IPMN liefert jetzt eine epidemiologische, populationsbasierte Studie aus Rochester, USA. Dort wird im Rahmen des breiter angelegten Rochester Epidemiology Project (REP) eine große Population langfristig epidemiologisch begleitet. Bei einer Subgruppe davon, insgesamt 2.114 Menschen im Alter von 50 Jahren oder älter, wurden zwischen 2000 und 2015 unter anderem CT-Untersuchungen angefertigt. Für die aktuelle Publikation wurden diese Scans jetzt im Hinblick auf das Vorliegen einer IPMN bewertet. Danach wurde analysiert, was über die Jahre mit diesen Menschen passierte – oder eben nicht passierte.
Insgesamt zeigt sich einmal mehr, dass IPMN selbst dann, wenn, wie in diesem Fall, „nur“ mit einem Anfang-des-Jahrhunderts-CT untersucht wird, sehr häufig gefunden werden. 10,9 % der Menschen ab 50 wiesen IPMN auf, jenseits des siebzigsten Lebensjahrs war es rund jeder vierte. Neun von zehn Befunden waren Seitenast-Befunde, rund 7 % Hauptast-Befunde und gut 2 % gemischte Befunde. Bei Anwendung der Fukuoka-Kriterien, die seit Langem genutzt werden, um das Entartungsrisiko abzuschätzen, zeigte sich, dass etwas mehr als acht von zehn Befunden Fukuoka-negativ waren. Ein hohes Risiko nach Fukuoka hatten gut 2 % der Patienten, ein mittleres Risiko, „Fukuoka worrisome“ genannt, zeigten 17 % der Patienten bzw. der Befunde.
Was wurde nun später daraus? Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug immerhin zwölf Jahre. In dieser Zeit entwickelten sich aus insgesamt 231 IPMN lediglich vier Pankreaskarzinome, ein „globales“ Entartungsrisiko von 1,7 % also. Zwei dieser Pankreaskarzinome betrafen Fukuoka-High-Risk-Patienten. In dieser Subgruppe betrug das Risiko über im Median zwölf Jahre damit 40 %, umgerechnet 34 Ereignisse pro 100 Personenjahre. Zwei weitere Pankreaskarzinomfälle betrafen Patienten, die initial Fukuoka-negativ waren. Daraus errechnen sich 0,16 Ereignisse pro 100 Personenjahre. Insgesamt war das Risiko von Fukuoka-negativen IPMN-Patienten statistisch nicht höher als das Karzinomrisiko in der REP-Gesamtkohorte, wo es 0,11 pro 100 Personenjahre betrug.
Das gilt auch für Fukuoka-worrisome-Patienten, wobei die Bewertung hier schwierig ist, weil es in dieser Gruppe, insgesamt 39 von 231 Patienten, keinen einzigen Karzinomfall gab und damit eigentlich kein Risiko angegeben werden kann. Interessant: Wenn die Hauptgang-IPMN-Patienten separat und unabhängig von sonstigen Fukuoka-Kriterien betrachtet werden, dann errechnet sich über im Median zwölf Jahre ein Pankreaskrebsrisiko von etwa 20 %. Nicht wenig, aber weniger als oft postuliert.
Was tun also mit Menschen, bei denen per Zufall ein IPMN gefunden wird? Und die vielleicht auch noch nicht ganz jung sind und andere mehr oder weniger schwere Erkrankungen im Nebenbefund haben? Die Leitlinien zum Pankreaskrebs äußern sich natürlich auch zum Thema IPMN. Die deutsche S3-Leitlinie, von der DGVS federführend erstellt, hat gerade ihre Neufassung hinter sich und liegt seit Kurzem in einer Konsultationsfassung vor. Koordiniert wird sie von Prof. Thomas Seufferlein, Universitätsklinikum Ulm, und Prof. Julia Mayerle, Universitätsklinikum München.
Die S3-Leitlinie betont in ihrer derzeitigen Version, dass IPMN als präkanzeröse Läsionen zu werten seien, deren malignes Potenzial von Lokalisation (Hauptgang oder Seitengang), Größe der Läsion und soliden Anteilen abhänge. Und weiter: „Eine IPMN, die vom Hauptgang ausgeht, sollte immer reseziert werden, da in 52–92 % der Fälle sich in einem Zeitraum von acht Jahren ein Karzinom aus dieser Läsion entwickelt. Für Läsionen des Seitengangs gilt dies für 6–46 %.“ Das angenommene Karzinomrisiko wird hier also höher veranschlagt, als es in der Rochester-Kohorte ist, wobei auch die S3-Leitlinie klar betont: „Aus Läsionen mit negativen Fukuoka-Kriterien entwickeln sich [nur] in 0,025 % der Fälle invasive Karzinome.“ Vorgeschlagen wird in der Leitlinie weiterhin, dass Tumore < 3 cm, die von Seitenästen ausgehen, engmaschig beobachtet werden sollten.
„Was IPMN angeht, ändert sich an den Empfehlungen durch die neue Leitlinie nur wenig. Allerdings haben wir die neue Leitlinie jetzt als eine ‚living guideline‘ konzipiert, sodass es da durchaus Änderungsspielräume gibt, wenn sich die Datenlage ändert“, sagte Prof. Thomas Seufferlein im Gespräch mit DocCheck. Entscheidend für die Operationsempfehlung seien weiterhin die Fukuoka-High-Risk-Kriterien. Deren wichtigste seien ein IPMN > 10 mm im Hauptgang und/oder ein zystischer Hauptgang-Befund. In diesen Fällen werde zur Operation geraten, während es bei Patienten mit Fukuoka-worrisome-Merkmalen Ermessensspielräume gebe.
In der Realität gehen die Ermessensspielräume freilich deutlich über die Fukuoka-worrisome-Befunde hinaus. Nicht jeder Patient mit Fukuoka high risk wird operiert. Seufferlein formulierte es so: „Wir behandeln keine Zysten, wir behandeln immer Patienten.“ Und weil das so ist, spielen Alter, Lebenserwartung, Begleiterkrankungen und nicht zuletzt der individuelle Wunsch eine große und oft die entscheidende Rolle. Der Ulmer Gastroenterologe betont aber auch, dass Alter alleine aus seiner Sicht nicht das entscheidende Kriterium sein dürfe: „Wir empfehlen auch über 80-jährigen Menschen eine Operation, und oft mit gutem Erfolg. Das ist nicht die Regel, aber wenn die Patienten fit sind, dann ist das eine Option, die diskutiert werden sollte.“
Seufferlein empfiehlt Kollegen, die mit einem IPMN-Zufallsbefund bei einem Patienten konfrontiert sind, sich an ein Zentrum zu wenden, sofern die Patienten prinzipiell bereit zu einer Operation wären. An Zentren gebe es Zysten-Boards, in denen interdisziplinär abgewogen werde, ob eine Operation zu empfehlen sei und, wenn ja, welche Art der Operation. Denn hier ist die Welt in den letzten Jahren deutlich bunter geworden: „Die neuen robotisch-assistierten Eingriffe haben neue Möglichkeiten eröffnet, IPMN minimalinvasiv zu entfernen“, so Seufferlein. Ob eine solche „Enukleationsoperation“ möglich ist oder nicht, hängt von vielen Faktoren ab, deren Bewertung viel Expertise benötigt. „Gerade bei Befunden, die eher oberflächlich sitzen, gelingt das häufig, und die Patienten haben dann nur einen minimalen Funktionsverlust.“
Diese Patienten brauchen dann postoperativ keine Pankreasenzyme, sie entwickeln auch keinen pankreatogenen Diabetes und haben eine entsprechend gute Lebensqualität. Auch linksseitige Pankreasteilresektionen im Bereich der Cauda können heute funktionserhaltend durchgeführt werden. Klar ist aber auch: In vielen Fällen wird es am Ende doch die Whipple-Operation, die dann Enzymtherapie plus Insulintherapie nach sich zieht. Erschwert wird das Ganze noch dadurch, dass die neuen operativen Verfahren längst nicht überall zur Verfügung stehen. Fünf bis acht Zentren in Deutschland beherrschen diese Verfahren derzeit, schätzt Seufferlein. Das reicht nicht für alle potenziellen Patienten.
In einem Editorial zur eingangs vorgestellten Rochester-Studie beschäftigen sich drei Experten aus Pankreaschirurgie und Gastroenterologie um Prof. Stefano Crippa von der San Raffaele Universität in Mailand mit den Implikationen der epidemiologischen Daten. Ihrer Auffassung nach sollte insbesondere bei den häufigen Fukuoka-negativen Konstellationen angesichts des niedrigen, auf Bevölkerungsniveau liegenden Risikos über die Notwendigkeit einer aktiven Surveillance noch einmal nachgedacht werden. Gerade bei älteren Menschen mit stabilen IPMN-Befunden sei die Beendigung der aktiven Surveillance nach einer Kontrolluntersuchung durchaus eine Option.
Bildquelle: Micaela Parente, Unsplash