Ärzte kündigen lange Praxis-Streiks über Feiertage an, Startschuss für Hybrid-DRGs zu Anfang 2024 und höher dosierter Grippe-Impfstoff sorgt für bessere Schutzwirkung. Diese und weitere News lest ihr hier im Schnelldurchlauf.
Das Streikjahr 2023 neigt sich dem Ende zu – doch nicht ohne einen finalen, wohlorganisierten und strategisch sinnvoll platzierten letzten Hilferuf durch Arbeitsniederlegung. Inklusive der Feiertage werden tausende von Haus- und Fachärzten ihre Praxis insgesamt zehn Tage geschlossen lassen und so auf ihre Situation aufmerksam machen. In ihrem zähen, seit 15 Monaten andauernden, Ringen um bessere Arbeitsbedingungen bedeutet dies eine neue Eskalationsstufe.
„Wo man auch hinblickt: Beinahe jede Arztpraxis ist aktuell massiv überlastet. Besonders bitter dabei ist, dass die meisten schon den ‚Zero Pay Day‘ erreicht haben, also rechnerisch seit Mitte November keinen Cent für die Behandlung von Kassenpatienten erhalten“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes und deutet auf eine der Forderungen des Bündnisses aus 23 Haus- und Facharztverbänden hin.
So müsse es darum gehen, Unterfinanzierung und Personalmangel durch strukturelle Maßnahmen zu beenden. Konkret müsse als Sofortschritt die Neupatientenregelung wieder eingeführt werden, jegliche Budgetierungen aufgehoben, mehr Studienplätze angeboten und die Ambulantisierung ernst genommen werden.
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Derweil kündigte Bundesgesundheitsminister Lauterbach an, dass man dem Vorschlag eines Krisengipfels nachkommen werde und aktuell bereits an einer „Honorarreform” arbeite. Mit Blick auf die Praxisschließungen laden die Verbände derweil zur Teilnahme an der Kampagne „Praxis in Not” ein und bereiten sich auf weitere Schritte des Protests vor (wir berichteten).
Deutschland hinkt bei der Ambulantisierung von stationären Leistungen im internationalen Vergleich noch immer hinterher. Ändern soll sich das mit der kommenden Krankenhausreform, mit der ambulant sensitive Fälle aus den Kliniken in ambulante oder hybride Strukturen überführt werden sollen. Dazu beitragen sollen auch neue Vergütungsregeln; Stichwort ist das Streitthema Hybrid-DRG. Die Verordnung über eine spezielle sektorengleiche Vergütung ist heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden und soll ab 1. Januar 2024 gelten.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) zeigt sich überrumpelt: „Da sind Ärger und Frust vorprogrammiert. Per vorweihnachtlichem Brief informiert das Ministerium über die Hybrid-DRG-Verordnung, wie sie ab 1. Januar 2024 gelten wird. Fast schon lapidar kommt der Satz daher, es liege nun in der Verantwortung der Selbstverwaltung, Verfahren zu finden und die Hybrid-DRG in der Praxis gangbar zu machen“, so KBV-Vorstand Andreas Gassen in einer Presseerklärung dazu. Erschwerend komme hinzu, dass die Frist für eine erste Überprüfung und ggf. Anpassung der Regelung durch die Selbstverwaltung auf den 31. März 2024 gelegt wurde. „Diese Zeitspanne ist viel zu kurz. Es wäre fatal, wenn der inhaltlich durchaus positive erste und ausbaufähige Ansatz, der ja auch Vorschläge von uns enthält, durch eine unrealistische Fristsetzung nicht realisiert werden kann.“
Aber wie hoch ist das Potenzial zur Ambulantisierung in Deutschland überhaupt? Dazu liefert eine vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) geförderte Studie jetzt passenderweise Zahlen.
Das zentrale Ergebnis: Mindestens 20 Prozent der Klinikbehandlungsfälle könnten nicht-stationär erbracht werden. Knapp ein Fünftel aller Behandlungsfälle in Krankenhäusern hätten 2021 auch ambulant vorgenommen werden können. Das ergibt insgesamt mehr als 2,5 Millionen stationär erbrachte Behandlungen. Am meisten Luft nach oben gibt es in den Fachabteilungen Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, der Strahlenheilkunde und der Augenheilkunde, diese haben laut Studie das größte Potenzial bei der Ambulantisierung. Weitere Details zum Forschungsprojekt „Ambulantisierungspotenzial in deutschen Akutkrankenhäusern“ und warum das Zi eine Überarbeitung des AOP-Katalogs fordert, lest ihr hier.
Bislang werden die meisten Grippe-Impfstoffe noch mithilfe von infizierten Hühnereiern hergestellt. Bei der rekombinanten Technologie setzt man hingegen auf eine kontrollierte Produktion in Zellkulturen. Das ist nicht nur einfacher und schneller, sondern ermöglicht es auch, höher dosierte Impfstoffe zu produzieren. Die Frage ist aber: Führen die höheren Dosen auch zu einer besseren Schutzwirkung? Laut einer Studie, deren Ergebnisse jetzt im NEJM erschienen sind, ist das tatsächlich so.
In der Beobachtungsstudie wurden die Daten von über 1,6 Mio. Probanden untersucht, die in der Saison 2018/2019 und 19/20 entweder einen von zwei Standardimpfstoffen oder den hochdosierten rekombinanten Impfstoff (Flublok Quadrivalent) erhielten. In der Altersgruppe 50–64 Jahre traten in der rekombinanten Impf-Gruppe 559 PCR-bestätigte Influenza-Infektionen auf (2,00 Fälle pro 1.000) verglichen mit 925 Infektionen in der Standard-Gruppe (2,34 Fälle pro 1.000). Der rekombinante Impfstoff schnitt in puncto Schutzwirkung in der gleichen Altersgruppe um 15,3 % besser ab als die Standardimpfstoffe (Hazard Ratio 0,85 (KI 95 %: 0,76–0,94)).
Die Pläne zu Karl Lauterbachs Apothekenreform sind umstritten – und führten in der Branche bereits zu heftigen Protesten. Kurz vor Heiligabend sorgt der Bundesgesundheitsminister für eine Überraschung: Er lieferte jetzt ein Eckpunktepapier, mit dem er seine Pläne konkretisiert, wie er gegenüber dem Handelsblatt bestätigt. Dazu gab es gestern Nachmittag (20. Dezember 2023) bereits Beratungen mit der ABDA. Der erste Gesetzesentwurf wird für Anfang kommenden Jahres erwartet.
Die Reaktionen zum Papier fallen gemischt aus: Die ABDA erkennt erste Kompromisslinien, von einem „Apothekenzerstörungsprogramm“ spricht hingegen Apothekerkammer-Präsident des Saarlandes Manfred Saar.
Konkret will Lauterbach das Geld zugunsten der Landapotheken umverteilen, den Aufbau von Zweigapotheken fördern und Nachtdienste besser bezahlen. Außerdem will Lauterbach die sogenannte „Telepharmazie“ möglich machen, das sei „längst überfällig“, so der Bundesgesundheitsminister. Mithilfe der Telepharmazie soll die Arzneimittelabgabe künftig ohne approbierten Apotheker vor Ort möglich sein. Es könnten auch PTA die Medikamente herausgeben, die sich bei Bedarf mittels Video von einem Apotheker der Apotheke oder des Filialverbunds beraten lassen. Nicht aus der Hand von Apothekern gegeben werde das Impfen, die Abgabe von Betäubungsmitteln und die Herstellung bestimmter Arzneien, heißt es in dem Eckpunktepapier. Ziel der Pläne ist es, den Betrieb mehrerer Apotheken – vor allem auf dem Land – zu erleichtern.
Auch die Umverteilung der Honorare zulasten der Stadtapotheken zielt darauf ab, die Filialen in ländlichen Regionen besserzustellen. Derzeit erhalten Apotheken einen Fixbetrag von 8,35 Euro und drei Prozent auf den Preis des Arzneimittels. Das lohnt sich vor allem für Apotheken in der Stadt, in der es mehr spezialisierte Einrichtungen gibt, die teure Arzneien wie Krebsmedikamente verschreiben. Lauterbach plant jetzt, den prozentualen Anteil in zwei Schritten auf 2 Prozent abzusenken und dafür den Fixbetrag anzuheben – auf 8,54 Euro im Jahr 2025 und 8,73 Euro im Jahr darauf. Damit würden rund 300 Millionen Euro im Jahr umverteilt. Das dürfte bei Apothekern noch nicht für Begeisterungsstürme sorgen: Denn aktuell fordern sie, den Fixbetrag auf 12 Euro anzuheben, ohne die Absenkung der prozentualen Beteiligung.
Kritik zu den neuen Details kamen bereits aus dem Saarland. Von dem Konzept der Light-Apotheke auf dem Land hält Apothekenkammer-Präsident Manfred Saar nichts. „Damit wird der 2-Klassen-Gesellschaft in unserem Land weiter Vorschub geleistet“, sagte er. Seiner Meinung nach habe die Landbevölkerung damit keinen Zugang mehr zum vollen Leistungsspektrum der Apotheken.
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