Zunehmend sind immer mehr junge Menschen von einer Divertikulitis betroffen. Auch bei unter 40-Jährigen sollten Ärzte daher bei Unterbauchbeschwerden eine Divertikelkrankheit in Betracht ziehen. Eine neue Leitline soll nun Klarheit schaffen.
Beschwerden im Unterbauch, vor allem auf der linken Seite, sowie Begleitsymptome wie Blähungen, Verstopfung, Durchfall oder Fieber, können auf eine Divertikulitis hinweisen. Wird die Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt oder verläuft kompliziert, kann es etwa zu einem Abszess im Bauchraum oder einer Bauchfellentzündung kommen.
„In den letzten Jahren beobachten wir, dass immer häufiger auch junge Menschen von diesem – eigentlich als Altersphänomen zu bezeichnenden – Leiden betroffen sind“, sagt Professor Dr. med. Wolfgang Kruis, Chefarzt Innere Medizin am Evangelischen Krankenhaus Kalk in Köln. Eine US-Auswertung registrierte für den Zeitraum 1998 bis 2005 eine Zunahme von 26 Prozent bei Divertikulitis-Patienten im Alter zwischen 18 und 44 Jahren. In einer weiteren US-Analyse, die den Zeitraum 2002 bis 2007 umfasste, waren bereits 29,6 Prozent der wegen Divertikulitis aufgenommenen Patienten jünger als fünfzig Jahre alt. Grund für die Zunahme sind die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten moderner Industriegesellschaften: Zu wenig Ballaststoffe, zu viel rotes Fleisch, keine ausreichende Bewegung, Tabak- und Alkoholkonsum. Um eine Erkrankung zu vermeiden, müsse deshalb in erster Linie beim Lebensstil und der Ernährung angesetzt werden, so die Experten.
In einer erstmalig aufgelegten Leitlinie „Divertikulitis/Divertikelkrankheit“ haben DGVS und DGAV nun aktuelle Forschungsergebnisse zusammengefasst und neue Empfehlungen für Diagnose und Therapie erarbeitet. „Bei der Gabe von Antibiotika etwa empfehlen wir heute deutlich mehr Zurückhaltung“, erklärt Professor Dr. med. Christoph-Thomas Germer, Direktor der Klinik und Poliklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der Universitätsklinik Würzburg. Er zeichnet gemeinsam mit Professor Kruis verantwortlich für die Leitlinie. „Bei unkomplizierten Verläufen sollten Antibiotika nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen“. Denn eine leichte und einmalige Entzündung heile oftmals von alleine aus. Auch bei der Behandlung chronischer Verläufe gibt die Leitlinie neue Empfehlungen: „Die bisher verbreitete Ansicht, dass nach dem zweiten Entzündungsschub operiert werden sollte, stellen neue Erkenntnisse in Frage. Die Zahl der Schübe allein ist nicht länger wichtigstes Kriterium für einen chirurgischen Eingriff – vielmehr muss der behandelnde Arzt in jedem Einzelfall entscheiden“, so Germer. Bei der Diagnose der Erkrankung sollten mehr als bisher bildgebende Verfahren zum Einsatz kommen. „Bei einer Ultraschalluntersuchung beispielsweise, erkannt der Facharzt den Schweregrad der Entzündung und kann daraus die angemessene Behandlung ableiten“, so Professor Kruis. „Die neue Leitlinie soll Klarheit schaffen, die Diagnose beschleunigen und die Therapie verbessern“, so die beiden Experten. Sie will aber auch mehr Bewusstsein und Sensibilität für eine der häufigsten Darmerkrankungen in der medizinischen Praxis schaffen.