Sie sind buchstäblich in aller Munde: Arzneimittel oder Supplemente in Form von Brausetabletten. Doch viele Patienten unterschätzen die Gefahr für den Blutdruck – wissen wenigstens Ärzte Bescheid?
Natrium – respektive Kochsalz – ist ein Risikofaktor für arterielle Hypertonie und für kardiovaskuläre Erkrankungen. Viel Studien liefern Hinweise auf den Nutzen, sollten Patienten ihren Salzkonsum einschränken. So waren bei Patienten mit arterieller Hypertonie 1.800 mg weniger Natrium pro Tag, das entspricht 4.600 mg Kochsalz pro Tag, mit einer Senkung des systolischen bzw. diastolischen Blutdrucks um 5,1 bzw. 2,7 mmHg verbunden. Dabei ist das Ausmaß der Natriumrestriktion proportional zur Senkung des Blutdrucks. Und selbst eine moderate Verringerung der Natriumzufuhr scheint das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse zu verringern.
Studien dieser Art gibt es etliche. Daraus leitete die WHO ab, die Natriumzufuhr bei Erwachsenen auf 2.000 mg/Tag zu beschränken, was 5.000 mg Natriumchlorid entspricht. Nur ist die tatsächlich aufgenommene Menge bei vielen oft weitaus höher, was an versteckten Quellen liegen kann. Dazu gehört auch Natrium aus Brausetabletten, wie Forscher nun herausgefunden haben.
Zum Hintergrund: Brausetabletten enthalten oft eine relativ hohe Menge an Natrium in Form von Natriumhydrogencarbonat, Natriumcarbonat oder Natriumcitrat. Viele Patienten lieben diese galenische Form. Sie erwerben Brausetabletten mit Vitamin C, Magnesium, Calcium, mit anderen Vitaminen oder Mineralstoffen, aber auch mit Analgetika wie Ibuprofen. Die Präparate sind je nach Inhaltsstoffen apothekenpflichtig oder in Drogeriemärkten bzw. in Lebensmittel-Discountern erhältlich. Oft fehlen Angaben zum Natriumgehalt.
Deshalb hat eine Forschergruppe des Universitätsklinikums des Saarlandes Proben untersucht – unter anderem aus Deutschland. Ihre Stichprobe umfasste 39 verschiedene Nahrungsergänzungs-Brausetabletten (unterteilt in die Kategorien Vitamine, Magnesium, Calcium, Mineralstoffe und sonstige Produkte) von elf Herstellern und fünf Händlern. Hinzu kamen 33 häufig verkaufte apothekenpflichtige Brausetabletten: 30 rezeptfreie und drei verschreibungspflichtige Arzneimittel. Die Produkte wurden bei Aldi Süd, Netto, Edeka, DM, Müller bzw. in öffentlichen Apotheken erworben, ungeöffnet ins Labor geschickt und dort nach standardisierter Probenvorbereitung mit einem optischen Verfahren untersucht.
Zu den Ergebnissen: Im Durchschnitt enthielt eine Brausetablette mit Supplementen 283,9 mg Natrium. Vitaminpräparate standen mit 378,3 mg an der Spitze. Bei Calcium-Präparaten waren es im Schnitt 170,4 mg. Vitaminprodukte enthielten deutlich mehr Natrium als Magnesium, Calcium- oder sonstige Mineralstoffprodukte. Der niedrigste Natriumgehalt pro Brausetablette lag bei 76 mg (Magnesium 400, Fit+Vital), der höchste bei 564,7 mg (Vitamin C 1.000, Fit+Vital).
Doch was bedeuten diese Zahlen? Ausgehend von der empfohlenen Höchstmenge von 2.000 mg Natrium/Tag enthielt eine einzige Brausetablette bis zu 28 Prozent dieser empfohlenen maximalen Zufuhr.
Noch ein Blick auf OTCs bzw. Rx-Produkte aus Deutschland. Im Mittel lag der Natriumgehalt einer einzelnen Brausetablette bei 157,0 mg. Schmerz- und Erkältungsmittel wiesen im Mittel den höchsten Natriumgehalt auf (452,1 mg). Bei Calcium-/Vitamin-D-Präparaten lagen die Werte recht niedrig (87,0 mg). Je nach Präparat nahmen Patienten bis zu 29 Prozent der empfohlenen maximalen Natriumzufuhr pro Tag auf.
Im nächsten Schritt haben die Wissenschaftler ausgerechnet, mit welchen Natriummengen Patienten rechnen sollten, falls sie die empfohlene Tagesdosis einnehmen. Das waren im Schnitt 384,0 mg Natrium, was 19 Prozent der maximal empfohlenen täglichen Zufuhr entspricht. Speziell bei Schmerz- und Erkältungsmittel kamen die Wissenschaftler auf 2.776,5 mg, sprich auf 139 Prozent der Höchstmenge. Ein Beispiel: Benötigen Patienten mit Schmerzen oder Erkältung die Tageshöchstdosis von acht Brausetabletten Alka-Seltzer® (ASS), kommen sie auf 3.560 mg Natrium, was 178 Prozent der empfohlenen Tageshöchstmenge ausmacht.
Aufgrund der Ergebnisse raten die Autoren allen Patienten mit kardiovaskulärem Risiko, nach Möglichkeit wenige bis keine Brausetabletten zu verwenden. In der Regel gibt es andere galenische Formen mit niedrigerem Natriumgehalt. Problematisch sind fehlende Angaben auf einigen Produkten. Hersteller wiederum sollten an Brausetabletten mit niedrigerem Natriumgehalt arbeiten. Diese Ratschläge sind durchaus relevant, denn Brausetabletten sind, wie erwähnt, beliebt: Laut einer Querschnittsstudie aus Frankreich haben in den letzten 30 Tagen 26,9 Prozent der Befragten Brausetabletten konsumiert. Bei 7,3 Prozent waren es zwei oder mehr dieser Präparate pro Woche.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E