Bei einer schweren Aortenstenose ist der Transkatheter-Aortenklappenersatz eine wirksame Therapie. Doch gilt das auch für Patienten mit einer Mitralinsuffizienz?
Eine signifikante Mitralinsuffizienz (MI) wird bei etwa 20 % der Patienten mit einer bestehenden schweren Aortenklappenstenose beobachtet, die sich einem Aortenklappenersatz oder einem Transkatheter-Aortenklappenersatz (TAVI) unterziehen. Das Vorhandensein einer Mitralklappeninsuffizienz ist bei TAVI-Patienten mit schwerwiegenderen Symptomen, einem höherem Lungenarteriendruck und einer höheren Kurzzeitmortalität vergesellschaftet. Eine gleichzeitige mittelschwere/schwere MI wird bei 17–35 % der Patienten beobachtet, die sich einer TAVI-Implantation unterziehen, und trägt zu einer schlechteren Prognose bei.
Die TAVI ist eine wirksame alternative Therapie bei ausgewählten Patienten mit einer schweren Aortenstenose. Die Rolle und Auswirkungen einer gleichzeitig bestehenden mittelschweren bis schweren MI bei Patienten, die sich einer TAVI unterziehen, sind bislang noch nicht abschließend geklärt. Zwar konnten frühere Untersuchungen zeigen, dass eine TAVI erhebliche Auswirkungen auf die Geometrie und Morphologie der Mitralklappe und von dem Mitralring hat, allerdings waren in den Studien die Patientenzahlen oft klein und es fehlte die klinische Relevanz.
Das Ziel einer aktuellen Studie von Doldi et al. war es, Veränderungen im MI-Schweregrad, Änderungen der Symptomschwere und den Einfluss auf die Überlebensrate bei Patienten mit atrial funktioneller, ventrikulär funktioneller und primärer Mitralinsuffizienz nach einer erfolgten TAVI zu untersuchen. Die Studie des Münchener Forscherteams erschien im Jahr 2023 in dem Fachblatt EuroIntervention.
In die Studie wurden alle konsekutiven Patienten mit einer mindestens mittelschweren MI eingeschlossen, die sich zwischen Januar 2013 und Dezember 2020 einer TAVI am Universitätsklinikum München unterzogen. Die Charakterisierung der Ätiologie der MI erfolgte durch eine detaillierte individuelle echokardiographische Beurteilung. Es wurde eine atrial funktionelle, eine ventrikulär funktionelle und eine primäre MI unterschieden. Bewertet wurden in der Studie die Drei-Jahres-Mortalität, Veränderungen im MI-Schweregrad und die NYHA-Funktionsklasse (New York Heart Association) während der Nachuntersuchung.
Von 3.474 Patienten, die sich einer TAVI unterzogen, zeigten 631 Patienten eine MI mit einem Grad ≥ 2+. Davon zeigten 172 eine atrial funktionelle MI, 296 eine ventrikulär funktionelle MI und 163 eine primäre MI. Die Verfahrensmerkmale und Endpunkte waren zwischen den Gruppen vergleichbar. Die Rate der MI-Verbesserung betrug 80,2 % bei den Patienten mit einer atrial funktionellen MI und war damit im Vergleich zu beiden anderen Gruppen deutlich höher. Von den Patienten mit einer ventrikulär funktionellen MI zeigten 69,4 % (p = 0,03) eine Besserung der MI und bei denen mit einer primären MI 40,8 % (p < 0,001).
Die geschätzten 3-Jahres-Überlebensraten unterschieden sich nicht zwischen den unterschiedlichen MI-Ätiologien (p = 0,57). Allerdings war eine MI-Persistenz bei der Nachuntersuchung mit einer erhöhten Mortalität verbunden (HR: 1,49; KI 95 %: 1,04–2,11; p = 0,027), was hauptsächlich auf die Untergruppe der Patienten mit einer primären MI zurückzuführen war. Die NYHA-Klasse verbesserte sich in allen Gruppen deutlich. Bei Patienten mit einer Ausgangs-MI ≥ 3+ war die primäre MI-Ätiologie mit der geringsten MI-Verbesserung, den niedrigsten Überlebensraten und der geringsten symptomatischen Verbesserung verbunden. Die Ursache der bei einer Aortenstenose vorliegenden MI scheint größtenteils funktionell begründet zu sein. Als mögliche Mechanismen kommen ein Vorhofremodelling bei linksventrikulärer Dysfunktion und / oder ein Vorhofflimmern und eine sekundäre Ringdilatation bei Zunahme der LV-Größe sein.
Die TAVI reduziert den Schweregrad und die Symptome der MI bei Patienten mit einer atrial funktionellen und ventrikulär funktionellen MI und weniger ausgeprägter bei Patienten mit einer primären MI, resümieren die Autoren der Studie. Das Vorliegen einer atrial funktionellen MI war mit der größten Verbesserung des Schweregrads der MI verbunden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Therapie einer Aortenstenose mittels TAVI ebenso eine Behandlung im Hinblick auf eine MI sein kann. Die Autoren des Kommentars der zu der Studie erschienen ist, bewerten dies ähnlich. Auch sie kommen zu dem Ergebnis, dass bei einer guten Planung und Vorbereitung einer TAVI bei Patienten mit gleichzeitig bestehender MI zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden könnten.
Quellen:
Meyer et al. Transcatheter aortic valve implantation and its impact on mitral valve geometry and function. J Card Surg, 2020. doi: 10.1111/jocs.14734.
Doldi et al. Impact of mitral regurgitation aetiology on the outcomes of transcatheter aortic valve implantation. EuroIntervention, 2023. doi: 10.4244/EIJ-D-22-01062.
Zamorano Gómez & Pardo Sanz. Mitral regurgitation improvement after TAVI: if well planned, two birds are killed with one stone. EuroIntervention, 2023. doi: 10.4244/EIJ-E-23-00020.
Bildquelle: dy n, unsplash