Neu entwickelte Substanzen wirken gleich doppelt gegen Tuberkulose: Sie machen den Erreger weniger gefährlich und schaffen neue Angriffspunkte für vorhandene Antibiotika. Lest hier, wie dieser Booster-Effekt funktioniert.
Ein Forscherteam der Kölner Universitätsmedizin hat neuartige, antibiotisch aktive Moleküle identifiziert, die den Tuberkuloseerreger Mycobacterium tuberculosis angreifen und für den Menschen weniger gefährlich machen. Darüber hinaus ermöglichen einige der Substanzen eine erneute Behandlung mit Antibiotika – auch bei Stämmen des Erregers, die bereits Resistenzen entwickelt haben. Die Ergebnisse wurden in Cell Chemical Biology veröffentlicht.
Die Tuberkulose (TB) befällt hauptsächlich die Lunge, kann aber auch andere Organe schädigen. Bei rechtzeitiger Diagnose und Antibiotikagabe ist sie gut behandelbar. Obwohl die Infektionskrankheit in den meisten Ländern Westeuropas relativ selten vorkommt, gehört sie bis heute zu den Infektionskrankheiten, die weltweit die meisten Todesopfer fordern: Laut WHO war 2022 lediglich COVID-19 tödlicher. Außerdem verursachte die Krankheit fast doppelt so viele Todesfälle wie HIV/AIDS. Mehr als 10 Millionen Menschen erkranken weiterhin jedes Jahr an TB. Dafür ist vor allem unzureichender Zugang zu medizinischer Behandlung in vielen Ländern verantwortlich.
In Osteuropa und Asien entwickeln sich immer mehr multiresistente Tuberkuloseerreger. Das ist für Forscher besonders besorgniserregend, denn wie alle Bakterien, die den Menschen befallen, bietet das Bakterium M. tuberculosis nur eine begrenzte Anzahl von molekularen Angriffspunkten für konventionelle Antibiotika. Somit wird es immer schwieriger, neue, antibiotisch aktive Substanzen gegen die Krankheit zu finden.
Forscher der Kölner Universitätsmedizin und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) in Braunschweig haben nun gemeinsam mit Wissenschaftlern des Institut Pasteur de Lille in Frankreich eine mögliche alternative Behandlungsstrategie entwickelt, um die Tuberkuloseerreger zu bekämpfen. Das Team wendete das wirtszellbasierte Hochdurchsatzverfahren an, um Tausende von chemischen Molekülen auf ihre Fähigkeit zu testen, die Vermehrung der Bakterien in menschlichen Abwehrzellen zu hemmen. Aus insgesamt 10.000 Molekülen entdeckten die Forscher mit diesem Verfahren einige wenige, deren Eigenschaften sie im weiteren Verlauf der Studie genauer untersuchten.
Dabei identifizierten sie Virulenz-Blocker, die in der Regel andere Zielstrukturen als klassische Antibiotika haben. „Dieser therapeutische Ansatz führt wahrscheinlich zu deutlich weniger selektivem Druck auf das Bakterium. Das hindert auch seine Fähigkeit, Resistenzen zu entwickeln“, sagt Dr. Jan Rybniker, der am Zentrum für Molekulare Medizin Köln (CMMC) das Labor für Translationale Infektionsforschung leitet und die Studie initiiert hat.
Bei der Entschlüsselung des genauen Wirkmechanismus entdeckten die Forscher zudem, dass es sich bei manchen der neu entdeckten chemischen Substanzen um dual wirksame Moleküle handelt. So führten minimale Veränderungen der chemischen Struktur der Substanzen dazu, dass diese nicht nur die Virulenzfaktoren angreifen, die den Erreger für Menschen gefährlich machen, sondern auch die Aktivität von Monooxygenasen verstärken – Enzymen, die für die Aktivierung des Antibiotikums Ethionamid benötigt werden. Ethionamid ist ein seit vielen Jahrzehnten zur Behandlung von TB verwendetes Medikament und ein Prodrug, also eine Substanz, die im Bakterium erst enzymatisch aktiviert werden muss, um es abtöten zu können. Somit wirken die von den Forschern entdeckten Moleküle als Prodrug-Booster und stellen einen weiteren, Ansatz zur Entwicklung konventioneller Antibiotika dar. In Kooperation mit dem Team um Prof. Alain Baulard in Lille konnte der genaue molekulare Wirkmechanismus dieses Booster-Effekts entschlüsselt werden. In Kombination mit diesen neuen Wirkstoffen könnten in Zukunft womöglich Medikamente, die bereits gegen TB im Einsatz sind, weiterhin effektiv genutzt werden.
Die Entdeckung bietet mehrere Ansatzpunkte für die Entwicklung neuartiger, dringend benötigter Wirkstoffe gegen den Erreger der Tuberkulose. „Außerdem ist unsere Arbeit ein Beispiel für die Vielfältigkeit pharmakologisch aktiver Substanzen, deren Wirkspektrum durch kleinste chemische Modifikationen der Moleküle verändert werden kann“, so Rybniker. Bis zur Anwendung im Menschen ist es jedoch noch ein langer Weg, der den Wissenschaftlern zufolge noch zahlreiche Anpassungen der Substanzen im Labor erfordert.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität zu Köln. Die Studie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: CDC, Unsplash