Wenn Schwangere kurz vor oder nach der Geburt plötzlich stark kurzatmig sind, sollten Gynäkologen und Hausärzte hellhörig werden. Dahinter kann die seltene peripartale Kardiomyopathie stecken. Habt ihr die Erkrankung auf dem Schirm?
Im letzten Trimester einer Schwangerschaft sind verschiedene Beschwerden – wie Kurzatmigkeit, Müdigkeit und geringfügige Wassereinlagerungen in den unteren Extremitäten – keine Seltenheit und lassen sich in der Regel mit sanften Maßnahmen in Schach halten. Werden diese Symptome aber stärker und gehen mit starken Einschränkungen im Alltag und mit deutlich verminderter Belastbarkeit einher, sollten behandelnde Gynäkologen hellhörig werden. Denn manchmal kann es sich hierbei um eine seltene und daher häufig zu spät entdeckte Gestose handeln: die peri- oder postpartale bzw. peripartale Kardiomyopathie (PPCM).
Betroffene Frauen waren in den meisten Fällen zuvor kardiologisch völlig unauffällig und entwickeln kurz vor, während oder nach der Geburt plötzlich eine gravierende Herzmuskelschwäche. Der Zeitraum der Entstehung liegt nach aktuellem Wissensstand im Bereich zwischen den letzten Schwangerschaftswochen bis zum 6. Monat nach der Geburt. Dabei zeigt sich vor allem eine stark eingeschränkte Pumpfunktion der linken Herzkammer, die die Sauerstoffversorgung von Mutter und Kind gefährden kann. Die PPCM zeigt am ehesten das klinische Bild einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM), ist aber durch eine deutlich schnellere Progression gekennzeichnet.
Etwa eine von 3.500 schwangeren Frauen ist in den USA und in Europa von der Diagnose betroffen, auf anderen Kontinenten fallen die Häufigkeiten mit 1 zu 1.000 in Südafrika und 1 zu 299 Geburten auf Haiti geringer aus. Aufgrund einer oftmals zu späten Diagnose muss die Langzeitprognose als moderat bis schlecht beurteilt werden. So deuten die wenigen verfügbaren Studiendaten darauf hin, dass bis zu 15 % der betroffenen Frauen versterben und lediglich 23 % der Patientinnen eine normalisierte linksventrikuläre Herzfunktion nach 6 Monaten zurückerlangen.
Aber warum wirft diese schwerwiegende Herzerkrankung immer noch so viele Fragen auf? Warum fehlt es an groß angelegten und methodisch hochwertigen Studien? Warum stellt die Wahl einer adäquaten und kurativen Therapie für behandelnde Ärzte immer noch eine große Herausforderung dar?
Vermutlich könnte die erste Anlaufstelle einen Teil des Problems erklären. So landen betroffene Frauen zunächst beim Hausarzt oder beim Gynäkologen, der ohne kardiologische Spezialausbildung vermutlich nicht sofort an die seltene Erkrankung denken wird. Die meisten Ärzte werden zudem an die klassischen Gestosen denken, intensive Vorsorgeuntersuchungen durchführen und hypertensive Schwangerschaftserkrankungen ausschließen. Da sich aber insbesondere letztgenannte Erkrankungen oftmals direkt nach der Entbindung schon wieder bessern, bleibt eine weiterführende Therapie bei einer Fehldiagnose aus und kann die unbehandelte Kardiomyopathie noch verstärken.
Wissenschaftler aus der kardiologischen Abteilung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wollten in diesem Kontext einige der zahlreichen Wissenslücken schließen und suchen in aktuellen Studien nach neuen Biomarkern für Diagnose und Therapie der PPCM. So führt die Klinik für Kardiologie und Angiologie unter Leitung von Prof. Johann Bauersachs, der zugleich den Vorsitz des europäischen PPCM-Komitees innehat, seit 15 Jahren das weltweit größte PPCM-Register mit Daten und Biomaterialien von über 300 Patientinnen und zählt zu einer der wenigen spezialisierten Anlaufstellen für Betroffene.
Aber auch im Bereich der Ursachenforschung macht die Abteilung derzeit Meter: Die Arbeitsgruppe für molekulare Kardiologie konnte beispielsweise die gefäßschädigende Aufspaltung des wichtigen Stillhormons Prolaktin als eine mögliche Ursache nachweisen und machte das Abstill-Medikament Bromocriptin somit zu einer möglichen Therapieoption. Ähnlich einem Puzzle finden die Wissenschaftler also immer mehr wichtige Bausteine, die hoffentlich bald zu einer routinemäßigen frühen Diagnose und rechtzeitigen, wirksamen Therapie führen. Bis es aber so weit ist, sollten auch Ärzte jenseits der Forschungslabore diese schwerwiegende seltene Erkrankung bei Schwangeren und frisch entbundenen Frauen im Hinterkopf behalten und Betroffene beim ersten Verdacht schnellstmöglich an spezialisierte Ambulanzen verweisen.
Quelle:
Hilfiker-Kleiner et al. Postpartum Cardiomyopathy: A Cardiac Emergency for Gynecologists, General Practitioners, Internists, Pulmonologists, and Cardiologists. Dtsch Arztebl, 2008. doi: 10.3238/arztebl.2008.0751
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