Die Zahlen sind beeindruckend: In einem Zeitraum von elf Jahren (zwischen 2009 und 2019) wurden allein bei stationär versorgten Patient:innen in Deutschland fast eine Million Frakturen der Wirbelsäule registriert!1 Dies zeigt eine Studie, die von einer Arbeitsgruppe am Universitätsklinikum Regensburg veröffentlich wurde.1 Die Forschenden werteten dazu jährlich berichtete ICD-10-Diagnosen von stationären medizinischen Einrichtungen in Deutschland aus – ambulant versorgte Frakturen fehlen demnach in der Auswertung.1 Die Daten geben dennoch einen umfassenden Überblick über die Versorgungssituation. Es wurden sämtliche Arten von Wirbelfrakturen unabhängig vom Grad des Traumas berücksichtigt.1
Doch nicht nur die hohe Gesamtzahl der Frakturen, auch die Entwicklung der Zahlen gibt Anlass zu Besorgnis. Die jährlich verzeichneten Wirbelbrüche stiegen innerhalb des Erhebungszeitraums um rund 46 % an.1 Zu den Gründen zählen zum einen verbesserte und breiter verfügbare Diagnoseverfahren, wie z. B. Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT).1 Zum anderen ist vor allem die durch den demografischen Wandel immer älter werdende Bevölkerung ursächlich – denn damit wächst der Anteil osteoporotischer Frakturen.1
Auch wenn osteoporotische Frakturen in der Studie nicht gesondert aufgeführt wurden, geben die dokumentierten Begleitdiagnosen Hinweise darauf, dass ein beträchtlicher Teil der Brüche auf die Knochenstoffwechselstörung zurückzuführen ist: in ca. 18 % der Fälle wurde ergänzend zur Wirbelkörperfraktur eine Osteoporose dokumentiert.1 Da diese jedoch häufig nicht als Grunderkrankung erkannt und behandelt wird2, ist zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Vertebrale Frakturen sind typische Manifestationen einer Osteoporose.1
Abb 1.: Verteilung Lendenwirbelfrakturen nach Alter/Geschlecht (mod. nach 1)
Am häufigsten waren die Frakturen an der Lendenwirbelsäule lokalisiert (46,8 %), gefolgt von der Brustwirbelsäule (27,4 %).1 Die Häufigkeit in Hinblick auf Altersgruppe und Geschlecht zeigte, dass vor allem ältere Frauen betroffen waren.1 So wies die Verteilung von Frakturen an allen Lokalisationen außer bei subaxialen Halswirbeln bei Frauen ab 60 Jahren einen deutlicheren Anstieg auf als bei Männern.1
Diese Zahl mag hoch erscheinen. Doch für Osteoporose-Expert:innen ist schon lange klar, dass nach der Fraktur leider allzu oft auch vor der Fraktur bedeutet. So ist das relative Risiko für osteoporosebedingte Knochenbrüche für eine weitere Fraktur bereits im ersten Jahr bis zu 5 x höher und bleibt auch in den darauffolgenden Jahren erhöht.3 Bestehende Frakturen – auch unerkannte – gehören damit zu den größten Risikofaktoren für weitere osteoporotische Brüche. Umso wichtiger ist es, gerade bei älteren Patient:innen, die sich z. B. mit unklaren Rückenschmerzen ohne adäquates Trauma vorstellen, auch immer an mögliche osteoporotische Frakturen zu denken, nach deren Ursachen zu forschen und eine entsprechende Therapie einzuleiten.
Die Fallzahlen werden wahrscheinlich noch steigen: Für die gesamte EU ist ein weiterer Anstieg der Prävalenz vertebraler Frakturen von 23,7 Mio. im Jahr 2000 auf 37,3 Mio. im Jahr 2050 zu erwarten!1 Diese steile Entwicklung wird Betroffene und Gesundheitssysteme weiter belasten.1 Schon jetzt entstehen hohe jährliche Kosten durch die Versorgung von Wirbelkörperfrakturen.1
Die Autor:innen der Studie betonen, dass Prävention und leitliniengerechte Therapie in Hinblick auf wachsende Zahlen osteoporotischer Frakturen besonders wichtig sind.1 Zusätzlich empfehlen sie umfassende geriatrische Beurteilungen.1
Osteoporose früh erkennen
Insbesondere bei einer manifesten Osteoporose mit bereits bestehender Fraktur ist eine schnell wirksame, spezifische Therapie angezeigt, um die Frakturspirale zu durchbrechen und das Risiko für Folgefrakturen effektiv zu senken. Praxisnahe Infos zur Diagnose und Therapie der Osteoporose finden Sie zum Beispiel hier:
→ Schon wieder Rückenschmerzen: Ihre Diagnose, bitte! – Teil 1
→ Schon wieder Rückenschmerzen: Ihre Diagnose, bitte! – Teil 2
→ Neue S3-Leitlinie Osteoporose 2023
Referenzen
DE-DA-2400003