Vareniclin und Nicotin bieten zur Tabakentwöhnung deutliche Vorteile für schwer abhängige Raucher – aber auch einige Nachteile wie Kopfschmerzen und Fatigue. Mehr zu den Ergebnissen der Nutzenbewertung des IQWiG lest ihr hier.
Raucher mit schwerer Tabakabhängigkeit sollen laut einer neuen gesetzlichen Regelung einmalig im Rahmen von evidenzbasierten Programmen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten können. Vor der Entscheidung, welche Arzneimittel dafür infrage kommen, hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beauftragt, den Nutzen der derzeit vier zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung von schwerer Tabakabhängigkeit zu bewerten.
Das IQWiG hat nun seine abschließende Nutzenbewertung von Bupropion, Cytisin, Nicotin und Vareniclin zur Tabakentwöhnung, auch in Kombination miteinander, im Vergleich zu keiner medikamentösen Therapie veröffentlicht. Belege für einen höheren Nutzen gibt es demnach für die Behandlung mit Nicotin und Vareniclin: Die Studienteilnehmer, die zusätzlich zu unterstützenden nicht medikamentösen Verfahren einen dieser Wirkstoffe zur Tabakentwöhnung einnahmen, erreichten sechs Monate nach der Behandlung deutlich häufiger die Rauchfreiheit als diejenigen, die keine zusätzliche medikamentöse Therapie zur Tabakentwöhnung erhielten. Die Nachteile der Wirkstoffe, beispielsweise Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Fatigue, Übelkeit oder Hautreizungen, stellen in der Gesamtabwägung die deutlichen Vorteile der beiden Arzneimittel nicht infrage.
Analysen von Subgruppen der Raucher in den Studien zu diesen beiden Wirkstoffen zeigen, dass der Effekt für die dauerhafte Rauchfreiheit nicht von der Schwere der Tabakabhängigkeit abhängt. Insbesondere die Abgrenzung der Population mit schwerer Tabakabhängigkeit gemäß der Formulierung im Gesetz und entsprechend im Bewertungsauftrag ans IQWiG wurde im Verlauf der Stellungnahmeverfahren zum Berichtsplan und zum Vorbericht intensiv diskutiert.
Für Bupropion, Cytisin und entsprechende Wirkstoffkombinationen fehlen entsprechende Daten, auch weil diese von den Herstellern nicht übermittelt wurden. Zum Nutzen von Bupropion, Cytisin sowie zur kombinierten Anwendung der Wirkstoffe sind daher keine Aussagen möglich.
Raucher, die Vareniclin einnahmen, waren nach sechs und nach zwölf Monaten häufiger rauchfrei als Betroffene ohne medikamentöse Therapie. Allerdings traten bei Vareniclin-Einnahme auch Nachteile auf, beispielsweise in Form von neuropsychiatrischen Nebenwirkungen (z. B. Schlafstörungen, abnorme Träume, Reizbarkeit), Fatigue, Übelkeit, Mundtrockenheit oder Kopfschmerzen. Die deutlichen Vorteile von Vareniclin zur Tabakentwöhnung werden durch die Nebenwirkungen aber nicht infrage gestellt. Die Schwere der Tabakabhängigkeit hat keinen erkennbaren Einfluss auf die Studienergebnisse zur Wirkung von Vareniclin. Insgesamt ergibt sich ein Beleg für einen höheren Nutzen von Vareniclin gegenüber keiner medikamentösen Therapie zur Tabakentwöhnung.
Auch Nicotin ist ein wirksames Arzneimittel zur Tabakentwöhnung: Raucher, die Nicotin gegen die Tabakabhängigkeit einnahmen, waren nach sechs Monaten häufiger rauchfrei als Betroffene ohne diese Therapie. Auch nach zwölf Monaten erreichten die Studienteilnehmer mit Nicotin häufiger die Rauchfreiheit, allerdings sind die Studiendaten für diesen Zeitpunkt nicht so aussagekräftig wie zum Zeitpunkt „sechs Monate“. Auch bei Nicotin-Einnahme traten Nebenwirkungen auf, beispielsweise Kopfschmerzen, Übelkeit sowie Reizungen im Mund- und Rachenraum oder Juckreiz. Weder die Nachteile von Nicotin in Form von Nebenwirkungen noch die weniger aussagekräftigen Ergebnisse zur dauerhaften Rauchfreiheit nach zwölf Monaten stellen aber den Vorteil von Nicotin infrage. Auch bei Nicotin hat die Schwere der Tabakabhängigkeit keinen erkennbaren Einfluss auf die Ergebnisse zur Wirkung. Insgesamt sieht das IQWiG hier ebenfalls einen Beleg für einen höheren Nutzen von Nicotin im Vergleich zu keiner medikamentösen Therapie zur Tabakentwöhnung.
Das IQWiG bat sowohl beim Hersteller von Bupropion als auch bei den wissenschaftlichen Autoren von Studienveröffentlichungen zu einer Cytisin-Behandlung wiederholt um eine vollständige Informationsübermittlung – erfolglos. So konnten auch keine Subgruppenanalysen zur Schwere der Tabakabhängigkeit durchgeführt werden, um deren Einfluss auf die Studienergebnisse zu den beiden Wirkstoffen beurteilen zu können. Die Vor- und Nachteile dieser Wirkstoffe für Raucher mit schwerer Tabakabhängigkeit sind daher unklar.
Alle Studien mit einer medikamentösen Kombinationstherapie bei Tabakabhängigkeit enthielten Bupropion, kombiniert mit Nicotin oder mit Vareniclin. Wegen der lückenhaften Datenlage zu Bupropion sind daher auch zu Kombinationstherapien der Medikamente keine Nutzenaussagen möglich.
Im Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) ist formuliert, dass Rauchern mit schwerer Tabakabhängigkeit innerhalb von evidenzbasierten Programmen einmalig eine Arzneimitteltherapie zur Tabakentwöhnung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden soll. Entsprechend ist der Auftrag des G-BA ans IQWiG für die Nutzenbewertung der medikamentösen Therapien zur Tabakentwöhnung bei schwerer Tabakabhängigkeit gemäß Fagerström-Test für Zigarettenabhängigkeit (FTZA) oder analoger Einteilungen formuliert.
Diese Eingrenzung wurde allerdings in mehreren Stellungahmen und in der mündlichen Anhörung beim IQWiG als zu eng kritisiert. Der G-BA als Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen wird abschließend darüber beraten und entscheiden, welche Wirkstoffe Rauchern mit schwerer Tabakabhängigkeit durch die gesetzliche Krankenversicherung erstattet werden können. Dafür muss der G-BA auch Kriterien festlegen, ab wann jemand als schwer tabakabhängig gilt.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). Hier findet ihr die Originalpublikation.
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