Apotheker sollen illegal mit Corona-Arznei gehandelt haben, es gibt Zoff ums Transparenzgesetz und Hoffnung auf Therapieoption bei behandlungsresistenter Schizophrenie. Diese und weitere News lest ihr hier im Schnelldurchlauf.
Bundesweit werden mehrere Apotheken verdächtigt, das staatlich erhaltene Corona-Medikament Paxlovid® weiterverkauft und damit illegal Gewinne erzielt zu haben – offenbar in Millionenhöhe. Jetzt ermitteln mehrere Staatsanwaltschaften, eine erste Anklage liegt bereits vor.
Die Staatsanwaltschaft habe sechs Apotheken in Berlin durchsucht, wie Recherchen eines Verbunds von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung ergeben haben. Der mögliche Schaden wird von der Berliner Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt auf drei Millionen Euro geschätzt. Auch gegen zwei Apotheker in Hamburg werde ermittelt.
Im Februar 2022 hatte die Bundesregierung eine Million Packungen des oral anwendbaren antiviralen Medikaments Paxlovid® beim US-Pharmariesen Pfizer eingekauft. Diese wurden den Apotheken kostenfrei für die Versorgung von betroffenen Patienten zur Verfügung gestellt.
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Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe hagelt es Kritik für die Masche einiger Apotheker. Paula Piechotta, Grünen-Bundestagsabgeordnete und Ärztin, äußert sich verärgert: „Bürokratie im Gesundheitswesen nervt. Aber wenn man mal unbürokratisch ist, wie die Bundesregierung mit Paxlovid, dann wird das sofort missbraucht, um unberechtigt Geld zu machen”, schreibt sie auf der Plattform X.
Ab heute (15. Januar 2024) startet in Deutschland der reguläre Verkauf von Paxlovid®. Die vom Bund beschafften Covid-19-Arzneimittel können noch bis zum 15. Februar bezogen werden.
Bereits im Oktober letzten Jahres wurden auf dem Europäischen Kongress für klinische Neuropsychopharmakologie (ECNP) zuversichtliche Studienergebnisse des Wirkstoffs Evenamid als Zusatztherapie bei therapieresistenter Depression vorgestellt. Evenamid wird dabei zusätzlich zur Standardtherapie mit Antipsychotikern verabreicht. Jetzt wurden die abschließenden Ein-Jahres-Ergebnisse präsentiert – und konnten die positive Prognose bestätigen.
In der 014/015 Studie wurden 161 Patienten mit behandlungsresistenter Schizophrenie (treatment resistant schizophrenia, TRS) mit Evenamid zusätzlich zu Antipsychotikern behandelt. „Die Behandlung mit Evenamid führte bei etwa 40 % der Patienten zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung (≥ 20 %) der PANSS (Positiv- und Negativ-Syndrom-Skala), bei über 60 % der Patienten zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit (LOF) und bei über 70 % der Patienten zu einer Verringerung des Schweregrads der Erkrankung (CGI-S)“, so die Studienautoren. Außerdem konnten 25 % der Patienten sogar eine „Remission“ erzielen – etwas, das bisher in der Behandlung therapieresistenter Schizophrenie noch nicht erreicht werden konnte.
75 % der Probanden schlossen die einjährige Therapie ab. Hauptgründe für einen Abbruch waren die Rücknahme der Einwilligung (14,3 %), die Nichtaufnahme in die Verlängerungsstudie (5,6 %), verlorene Nachbearbeitung (3,1 %) und unerwünschte Studienabbrüche (ADOs) (1,9 %). Die Studienautoren sind dennoch zuversichtlich: „Die Endergebnisse nach einem Jahr deuten darauf hin, dass die zusätzliche Gabe von Evenamid zu Antipsychotika gut vertragen wurde, mit einer geringen Inzidenz von behandlungsbedingten unerwünschten Abbrüchen und ohne jegliches Muster von motorischen oder ZNS-Symptomen, Gewichtszunahme, sexueller Dysfunktion oder Labor-/Elektrokardiogramm (EKG)-Abnormalitäten.“ Zukünftig soll eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie Phase-III-Studie mit unterschiedlichen Evenamid-Dosierungen folgen.
Wenn es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geht, soll das Krankenhaustransparenzgesetz am 2. Februar durch den Bundesrat – und er macht den unionsgeführten Ländern Druck. Er warf ihnen vor, das Transparenzgesetz sowie Milliardenhilfen für Deutschlands Krankenhäuser zu blockieren. Jetzt kontert Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) – und griff den Minister an. Seine Anschuldigungen seien „ein geradezu dreistes Ablenken vom eigenen Versagen“ , das geplante Gesetz würde die finanziellen Probleme der Kliniken ohnehin nicht lösen.
Sechs Milliarden Euro bekämen die angeschlagenen Krankenhäuser mit dem aktuell auf Eis liegenden Transparenzgesetz, argumentierte der Bundesgesundheitsminister (wir berichteten). „Mehr als 100 Krankenhäusern droht ohne das Gesetz 2024 die Insolvenz“, sagte der Bundesgesundheitsminister. Er erklärte, das Transparenzgesetz schaffe Zeit und Voraussetzungen dafür, den Entwurf für die eigentliche Krankenhausreform noch im Februar als Gesetzentwurf vorzulegen.
Von dem Effekt des Gesetzes ist Gerlach keineswegs überzeugt. „Der Bundesgesundheitsminister versucht, den Ländern die Verantwortung für die drohende Klinik-Insolvenzwelle in die Schuhe zu schieben.” Nach Gerlachs Ansicht würden mit dem geplanten Gesetz keine zusätzlichen Mittel in die Kassen der Kliniken fließen. Es handele sich lediglich um vorgezogene Zahlungen, die den Krankenhäusern ohnehin zustünden. Nun wolle Lauterbach Druck auf die Länder ausüben, damit diese „seinem verkorksten Krankenhaustransparenzgesetz doch noch zustimmen“.
Davon wolle sich Bayern nicht beeindrucken lassen. „Für mögliche Pleiten trägt allein Lauterbach die Verantwortung“, sagt Gerlach. Die Kernforderung der Länder ist weiterhin ein Nothilfeprogramm für die Krankenhäuser in Höhe von fünf Milliarden Euro, um die Krankenhauslandschaft kurzfristig zu stabilisieren.
Wie weit die EU-Verordnungs-Theorie vom Praxisalltag in deutschen OPs ist, offenbart derzeit die Lage in der Kinderchirurgie. Die seit 2021 geltende „Medical Device Regulation” (MDR) wurde seiner Zeit zum Schutz vor günstigen und minderwertigen Brustimplantaten eingeführt. Einer der eingeführten Sicherheitsmechanismen damals: Überbordende Bürokratie. Nach aktuellem Stand benötigt ein Medizinprodukt ein Zulassungsverfahren von 18 bis 24 Monaten, verursacht Kosten von 135.000 Euro und erfordert einen Schriftverkehr von ca. 10 Aktenordnern. Zum Vergleich: In den USA können Hersteller nach rund 30 Tagen in den Markt, die Kosten belaufen sich auf ca. 3.200 Euro und es ist ein Ordner nötig.
Was das Problem noch dringlicher macht: Es geht es nicht nur um neue Produkte – die Neuauflage der EU-Medizinprodukteverordnung erfordert die Neuzertifizierung aller bestehenden Produkte wie zum Beispiel von Ballon-Kathethern für Neugeborene. Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis: Immer mehr Unternehmen haben große Umsetzungsschwierigkeiten, wechseln den Markt und gehen in die USA oder nehmen Produkte und Sortimente vom Markt. Laut eigener Aussagen ist jedes fünfte Produkt dabei ohne Alternativen auf dem Markt. Insgesamt verzeichnen die Unternehmen eine Kostensteigerung von bis zu 124 %.
Die Folge: Kinderchirurgen in deutschen Kliniken sind an einem Punkt, an dem sie „akzeptieren, dass [die Kinder] sterben.” Wie prekär die Lage ist, legten Chirurgen in einer Anhörung des EU-Parlaments dar. So berichteten sie, dass „das Mortalitätsrisiko massiv erhöht” sei und Komplikationen zunähmen.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Ärzte im Rahmen des Kongresses für Kinder- und Jugendmedizin: „Davon sind z. B. auch die Pilokarpin-Gelscheiben zur Schweiß-Induktion beim Schweißtest im Rahmen des Screenings zur Diagnose von Mukoviszidose betroffen. Die derzeitige Entwicklung führt innerhalb der Kinder- und Jugendmedizin zu allergrößter Sorge, denn schon in absehbarer Zeit können notwendige und lebensrettende Behandlungen nicht mehr angeboten werden. Für all die betroffenen pädiatrischen Patientinnen und Patienten sind die Konsequenzen der MDR mitunter lebensbedrohlich. Hier bedarf es äußerst dringend nachhaltiger Lösungen.”
Von Seiten des Bundesministeriums werden entsprechende Notlagen und Engpässe zurückgewiesen. Mit Blick auf das Beispiel der Katheter heißt es aus Berlin: „Die in Rede stehenden Ballon-Katheter für Kinder haben eine Sonderzulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und sind in Deutschland erhältlich. Ein akutes Versorgungsproblem besteht daher nicht.“
Bildquelle: Alexander Grey, Unsplash