Nach einem Antikörper-Cocktail waren Long-Covid-Patienten symptomfrei – die experimentelle Therapie macht Hoffnung für zukünftige Behandlungen. Drei spannende Case Reports.
Die COVID-19-Pandemie ist seit Mai 2023 zwar offiziell zu Ende, wirft aber ihre Schatten noch weit in die Zukunft. Beschwerden nach Ende der akuten Infektion bleiben eine Herausforderung. So berichten die US Centers for Diesease Control and Prevention (CDC), dass von 3.171 nicht hospitalisierten erwachsenen COVID-19-Patienten 69 Prozent zwischen 28 und 180 Tage nach der Diagnose ärztliche Hilfe benötigt haben. Weltweit beobachten Forscher, dass jeder zweite bis dritte Patient nach einer SARS-CoV-2-Infektion an Long Covid leidet, bei unbekannt hoher Dunkelziffer.
Betroffene quälen sich dabei meist mit Müdigkeit, Atemnot, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, geringer körperlicher Belastbarkeit, Dyspnoe, Myalgien und mehr. Ihre Lebensqualität ist stark eingeschränkt. Nur gibt es bislang keine evidenzbasierenden Therapien.
Ein möglicher Ansatzpunkt: Long Covid weist Ähnlichkeiten mit dem chronischen Erschöpfungssyndrom nach Reaktivierung anderer latenter Virusinfektionen auf. Das gilt etwa für das Zytomagalievirus, für das Epstein-Barr-Virus, für das humane Herpesvirus 6 und für Herpes zoster. Studien deuten darauf hin, dass COVID-19-Impfungen Long Covid lindern. Womöglich werden Viren in Reservoiren neutralisiert oder Fragmente von SARS-CoV-2, die als Antigene wirken, beseitigt. So oder so lindern Impfungen zwar Symptome, heilen Long Covid aber nicht.
Deshalb haben Forscher andere Strategien verfolgt. Sie konnten bei drei Patienten mit Long Covid zeigen, dass ein Casirivimab-Imdevimab-Cocktail (Ronapreve®) innerhalb von sieben Tagen die Erkrankung heilt: unabhängig vom Geschlecht, vom Alter, von Vorerkrankungen oder vom Impfstatus. Beide monoklonalen Antikörper des Präparats binden an Abschnitte des Spike-Glykoproteins von SARS-CoV-2, mit denen das Virus an menschlichen Zellen andockt.
Eine 60-jährige Frau mit normalem Gewicht und gutem Gesundheitszustand war im März 2020 an mittelschwerem COVID-19 erkrankt. Zu den Symptomen gehörten Atemnot, Husten und Fieber. Nach zwei Wochen war die akute Phase ohne stationäre Therapie überstanden. Doch die Frau litt an starker Müdigkeit, selbst bei leichter Anstrengung wie Treppensteigen oder Gehen. Schmerzen in der Brust, Gelenkschmerzen, Parästhesien, erhebliche Gedächtnisschwierigkeiten, Schlafstörungen und zeitweise eine leicht erhöhte Temperatur kamen dazu. Zu den kognitiven Beeinträchtigungen gehörten Schwierigkeiten beim Lesen, bei einfachen mathematischen Berechnungen oder beim Versuch, sich an Ereignisse der jüngsten Vergangenheit zu erinnern.
Sie erhielt 11 Monate später, am 29. Januar 2021 bzw. am 22. Februar 2021, Impfungen mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer – ohne durchschlagenden Effekt. Am 10. Oktober 2021 bekam sie den Casirivimab-Imdevimab-Antikörpercocktail. Trotz einer vorübergehenden Verschlechterung der Schmerzen in der Brust verschwanden alle Long-Covid-Symptome innerhalb von vier bis fünf Tagen vollständig. Ihr verminderter Muskeltonus blieb bestehen, verbesserte sich jedoch nach Wiederaufnahme ihres Routinetrainings rasch. Die Frau befand sich 24 Monate später, sprich im Oktober 2023, bei guter Gesundheit, weiterhin in Remission.
Bei der nächsten Probandin handelte es sich um eine 43-jährige Frau. Sie erkrankte am 1. April 2021 an COVID-19, ohne starke Symptome und ohne Fieber zu entwickeln. Nachdem die akute Phase zu Ende war, entwickelte sie starke Müdigkeit, starke Muskel- und Gelenkschmerzen, Atemnot, Herzklopfen, Schwindelgefühle, starke Konzentrations- und Gedächtnisstörungen – und war körperlich kaum noch belastbar. Sie hatte zudem starke Kopfschmerzen und Einschränkungen ihres Geschmacks- und Geruchssinns. Auch bei ihr brachten Impfungen (29. März 2021 und 28. April 2021) keinen Durchbruch.
Als die Frau im September 2021 erneut positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde, erhielt sie den Casirivimab-Imdevimab-Cocktail. Innerhalb von fünf Tagen verschwanden alle Long-Covid-Symptome vollständig. Auch hier verbesserte sich der verminderte Muskeltonus nach Wiederaufnahme der normalen körperlichen Aktivität deutlich. Bis Oktober 2023 befand sich die Frau in Remission.
Der dritte Fallbericht liefert Hinweise, dass auch Menschen mit Vorerkrankungen von der experimentellen Therapie profitieren könnten. Ein 63-jähriger Mann mit Typ-2-Diabetes, arterieller Hypertonie und Übergewicht erkrankte im Mai 2021 an COVID-19. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in den folgenden Wochen. Der Mann litt an anhaltender, starker Müdigkeit, an starken Muskelschmerzen und war körperlich kaum noch belastbar. Hinzu kamen ein starker Haltungsschwindel und schwere Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, aber keine nennenswerten Kopfschmerzen und keine Störungen des Geschmacks- oder Geruchssinns. Bemerkenswert ist, dass er nie geimpft wurde.
Nach fünf Monaten erkrankte der Mann erneut an COVID-19. Daraufhin bekam er eine Casirivimab-Imdevimab-Infusion (19. Oktober 2021). Auch bei ihm bildeten sich alle Long-Covid-Symptome innerhalb von sieben Tagen vollständig zurück. Bis zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Oktober 2023 war er beschwerdefrei. Probleme aufgrund seines verminderten Muskeltonus verschwanden auch hier, sobald er wieder seinen normalen Tätigkeiten nachgehen konnte.
Doch was passiert bei der experimentellen Therapie im Körper? In ihrer Veröffentlichung spekulieren die Autoren unter anderem, der Antikörper-Cocktail könnte persistierende Viren in Geweben, die Labortests nicht zugänglich sind, neutralisieren. Vielleicht verdrängen Antikörper auch an Fc-Rezeptoren gebundene Autoantikörper und erleichterte so die Clearance, sprich die Entfernung dieser Faktoren. Der genaue Mechanismus ist aber unbekannt.
Klar sei jedoch, die Beobachtungen würden eine größer angelegte klinische Studie, etwa eine prospektive Beobachtungsstudie, rechtfertigen. „Da Millionen immer noch durch Long-Covid geschwächt sind, sollte dieser Initiative sofortige Aufmerksamkeit geschenkt werden“, lautet das Fazit der Wissenschaftler.
Bildquelle: Great Cocktails, Unsplash