Die Ureterorenoskopie ist aus der Diagnostik und Therapie der Urologie nicht mehr wegzudenken. Wie und wann das Verfahren zur Harnsteinsanierung korrekt eingesetzt wird, lest ihr hier.
Ein Text von Lotte Büchner
Die Ureterorenoskopie (URS) ist in der Urologie ein häufig genutztes und beliebtes minimalinvasives Verfahren, das sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken genutzt wird. Insbesondere die Tatsache, dass man nur durch natürliche Körperöffnungen und ohne einen einzigen Schnitt zu setzen bis ins Nierenbecken gelangen kann, sorgt für eine schonende und komplikationsarme Patientenbehandlung.
Für die URS gibt es verschiedene Indikationen, die von Diagnostik bei unklarer Hämaturie ohne Hinweis auf einen Blasentumor oder bei auffälliger Bildgebung, bis hin zur Therapie von Konkrementen oder Harnleiterstrikturen reicht. Der folgende Text bezieht sich nur auf die URS zur Harnsteinsanierung.
Es ist der klassische urologische Notfall: Patient kommt mit dem Rettungsdienst aufgrund von sehr starken, kolikartigen Flankenschmerzen, die schlagartig eingesetzt haben. Oft kann sogar die genaue Uhrzeit des Schmerzbeginns genannt werden. Nach Blutentnahme und Urinprobe, körperlicher Untersuchung und Sonographie erhärtet sich in der Regel der Verdacht auf ein Steinleiden. Die Verdachtsdiagnose steht, doch wie geht es jetzt weiter?
Natürlich muss bei einer infizierten Harnstauungsniere, medikamentös nicht beherrschbaren Schmerzen, oder hochgradiger Obstruktion mit Harnstauungsniere oder steigenden Retentionsparametern eine sofortige Harnableitung erfolgen. Liegt dies nicht vor, so hilft die durchgeführte Bildgebung bei der Entscheidung, ob eine direkte Intervention notwendig ist, oder ob bei schmerzkompensierten Patienten unter adäquater spasmoanalgetischer Therapie noch abgewartet werden kann. In der Regel wird dafür ein Nativ-CT genutzt.
Durch Kenntnis von Größe und Lage des Konkrements kann besser abgeschätzt werden, wie wahrscheinlich ein spontaner Steinabgang ist und ob noch unter regelmäßigen Kontrollen abgewartet werden kann – wobei hier auch immer die Symptome des Patienten im Vordergrund stehen.
Laut Leitlinie kann bei Patienten mit neu diagnostiziertem Harnleiterkonkrement bis 7 mm unter regelmäßigen Kontrollen ein Spontanabgang abgewartet werden. Bei Konkrementen von 4–5 mm kommt es innerhalb von 3–9 Tagen in 87 % der Fälle zu einem spontanen Steinabgang. Somit kann unter adäquater spasmoanalgetischer Therapie mit einem Harnleiterkonkrement von maximal 7 mm unter regelmäßigen Kontrollen zunächst eine konservative Therapie erfolgen, insbesondere, wenn sich das Konkrement bereits im distalen Harnleiter befindet.
Wenn nun aber eine Intervention notwendig ist, da eine der oben genannten Situationen zutrifft (z. B. nicht beherrschbare Schmerzen, infizierte Harnstauungsniere), stellt sich die Frage, ob zunächst mit Hilfe einer Harnleiterschiene (JJ-Schiene) der Harnabfluss sichergestellt und erst in einem zweiten Eingriff nach ca. 2 Wochen das Konkrement mittels sekundärer URS geborgen werden sollte, oder ob direkt durch eine primäre URS eine Steinsanierung erfolgen sollte.
Wenn eine infizierte Harnstauungsniere vorliegt, ist der Fall klar. Es muss eine umgehende Harnableitung z. B. mittels JJ-Schiene und eine testgerechte antibiotische Therapie erfolgen. Erst nach Ausheilung der Infektion kann im Rahmen einer sekundären URS das ursächliche Harnleiterkonkrement entfernt werden.
Ist dies nicht der Fall, so kann direkt eine primäre oder – nach Prestenting durch eine JJ-Schiene – eine sekundäre URS durchgeführt werden. Laut Leitlinie sei eine routinemäßige Harnleiterschienung vor geplanter URS nicht notwendig, auch wenn diese den Eingriff erleichtere, die Steinfreiheitsrate erhöhe und das Komplikationsrisiko senke. Zu den Komplikationen gehören hier unter anderem Mukosaläsionen, Harnleiterperforation oder -abriss sowie relevante Blutungen und Urosepsis. In der Literatur gibt es dazu unterschiedliche Angaben.
Grundsätzlich konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass die Steinfreiheitsrate bei sekundärer URS nach Prestenting signifikant höher war als bei Durchführung einer primären URS (z. B. 86 % vs. 74 % Steinfreiheitsrate). Bei der Komplikationsrate kam es jedoch zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während zum Teil eine signifikant niedrigere Komplikationsrate von 6,5 % bei sekundärer URS im Vergleich zu 14,5 % bei primärer URS gezeigt werden konnte, ergab sich in anderen Arbeiten (hier und hier) kein signifikanter Unterschied bezüglich des Komplikationsrisikos beider Verfahren.
Dies lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass es keinen Standard zur Erfassung von Komplikationen nach URS gibt und somit je nach Studie unterschiedliche Komplikationen in das Ergebnis mit einfließen. Beispielsweise wurden teilweise auch Spätfolgen der URS wie Ureterstrikturen mitberücksichtigt, an anderer Stelle wurden nur perioperative Komplikationen in die Statistik aufgenommen. Außerdem hat die Erfahrung und Routine des jeweiligen Operateurs einen großen Einfluss auf das Outcome nach der Operation, aber dies ist ein Faktor, der schwer messbar und somit kaum in eine Statistik mit einzubeziehen ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich bei der sekundären URS nach Prestenting eine signifikant höhere Steinfreiheitsrate verglichen mit der primären URS zeigt. Bezüglich des Komplikationsrisikos gibt es unterschiedliche Aussagen, ob dies bei beiden gleich hoch anzusehen ist, oder die sekundäre URS ein geringeres Komplikationsrisiko aufweist. Fest steht, dass besonders in schwierigen Fällen ein Prestenting vor URS sinnvoll wäre, um das Ziel Steinfreiheit ohne Komplikationen sicherer zu erreichen.
Quellen:
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