Manche Menschen, die genetisch vorbelastet sind, erkranken nicht an Parkinson – warum, ist bislang unklar. Forscher haben jetzt eine mögliche Ursache dafür untersucht.
Die Parkinson-Erkrankung ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit etwa zehn Millionen Menschen betroffen sind. Forschergruppen auf der ganzen Welt arbeiten intensiv daran, die Entstehung und das Voranschreiten der Erkrankung besser zu verstehen und daraus neue Behandlungsmethoden abzuleiten.
Dieses Ziel verfolgen auch Wissenschaftler um die Saarbrücker Biochemikerin Prof. Rita Bernhardt und den Neurologen Prof. Marcus Unger sowie Gudrun Wagenpfeil. Ihre Forschungsstudie zu den Ursachen der Parkinson-Erkrankung startete 2020 als Pilotprojekt. Der Ansatz der Wissenschaftler unterscheidet sich von den Forschungen anderer Labore und Kliniken dadurch, dass erstmals die Rolle einer großen Eiweißgruppe – und zwar der sogenannten Cytochrom-P450-Proteine – betrachtet wird, die sehr verschiedene Reaktionen im Stoffwechsel reguliert. Es wird untersucht, wie Änderungen in den zugrundeliegenden Genen die Entstehung und Ausprägung der Parkinson-Erkrankung beeinflussen.
„Bekannt ist, dass durchschnittlich rund 15 Prozent aller Parkinson-Patienten genetisch vorbelastet sind – bei jungen Parkinson-Patienten sind es sogar bis zu 25 Prozent“, sagt Rita Bernhardt und erläutert: „Patienten mit genetischer Vorbelastung haben Änderungen in einem oder in mehreren von etwa 20 sogenannten ‚Parkinson- Genen‘. Manche Personen mit der gleichen genetischen Vorbelastung erkranken jedoch nicht, und der Grund hierfür ist völlig ungeklärt.“
Dieser Frage gingen die Wissenschaftler in ihrer jüngsten Publikation nach: Mithilfe von frei zugänglichen Daten der Parkinson’s Progression Markers Initiative (PPMI) nahmen sie die Biodaten der Personen mit genetischer Prädisposition genauer unter die Lupe und richteten ihren Fokus dabei insbesondere auf eine große Genfamilie: die Cytochrome P450. Diese umfasst 57 Gene, die im Menschen für die Produktion und Funktion von Enzymen zuständig sind, welche wichtige Stoffwechselprozesse im Körper steuern. Die besondere Rolle der Cytochrom P450-Gene für die Entstehung der Parkinson-Erkrankung hatten die Wissenschaftler bereits in einer vorherigen Publikation nachgewiesen.
In ihrer aktuellen Arbeit analysierten die Wissenschaftler die oben erwähnten 57 Cytochrom P450-Gene von genetisch vorbelasteten Personen mit und ohne Symptome der Parkinson-Erkrankung. Es zeigte sich, dass in den erkrankten Personen neben der genetischen Vorbelastung Änderungen in verschiedenen P450-Genen bis zu zehnfach überrepräsentiert waren. „Das bedeutet, dass Menschen mit genetischer Vorbelastung krank werden, wenn sie eine zusätzliche Änderung in einem der P450-Gene aufweisen“, erklärt Rita Bernhardt. „Dagegen bleiben Personen mit genetischer Vorbelastung, die keine Mutation in einem der P450-Gene tragen, ohne Symptome.“
Die Familie der P450-Gene spielt bei zahlreichen Stoffwechselwegen im menschlichen Organismus eine herausragende Rolle, unter anderem solche, die in die Biosynthese so genannter Eicosanoide einbezogen sind. Diese wirken als Immunmodulatoren und regulieren damit Entzündungsprozesse im Körper. Weiter identifizierten die Forscher die besondere Bedeutung von P450-Genen, die am Vitamin A- und Vitamin-D-Stoffwechsel sowie am Cholesterinabbau im Gehirn beteiligt sind. „Das bedeutet, dass die Ursachen der Erkrankung in diesen Fällen auf vielfältige Kombinationen von Genänderungen zurückzuführen sind, was auch durch die sehr individuellen Ausprägungen des Krankheitsbildes unterstützt wird. Dennoch spielen offenbar definierte Stoffwechselwege – etwa Synthese und Abbau von Immunmodulatoren oder Cholesterin – eine besonders große Rolle“, erläutert Rita Bernhardt.
Da die Studie die Ursachen der Parkinson-Erkrankung mit definierten Änderungen in ganz bestimmten P450-Genen in Zusammenhang gebracht hat, können nun weitere Forschungen erfolgen, die die genauen Auswirkungen dieser genetischen Veränderungen analysieren. „Experimentell arbeitende Gruppen können auf dieser Basis herausfinden, welchen Einfluss die jeweiligen Änderungen in den untersuchten Genen auf deren Funktion haben. Daraus lassen sich dann Ansatzpunkte für hoffentlich ursächliche Therapien erarbeiten“, sagt Rita Bernhardt. Erste Interessenten und Kooperationspartner für diese weiterführenden Arbeiten haben sich schon gefunden.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität des Saarlandes. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Anne Nygård, Unsplash