Sushi ist nahezu an jeder Straßenecke verfügbar. Doch in den Köstlichkeiten und ihren dazugehörigen Dips lauern Gefahren – und die sind nicht nur bakterieller Natur. Zwei Fallbeispiele.
Viele Menschen kaufen Sushi, Sashimi und anderen rohen Fisch, wenn sie sich etwas Leckeres gönnen wollen. Dass die Spezialitäten ein gewisses Risiko bergen, sich mit Bakterien zu infizieren, ist nicht neu. Bisher war Listeria monocytogenes die am häufigsten nachgewiesene Kontamination – und Auslöser der Listeriose. Doch Hyejeong Lee von der Norwegian University of Science and Technology in Trondheim zeigt, dass Bakterien der Gattung Aeromonas zum Problem werden. Zusammen mit Kollegen untersuchte sie verschiedene Produkte und stellte fest, dass traditionelle Zubereitungseisen das Wachstum dieser Erreger nicht hemmen.
Für Menschen sind vor allem Aeromonas hydrophila, Aeromonas caviae und Aeromonas veronii biovar sobria klinisch relevant. Sie gefährden vorrangig Personen mit supprimiertem Immunsystem, Schwangere, Neugeborene oder Senioren. Doch wie die Forscher zeigen, drohen an ganz anderer Stelle Gefahren. Denn in ihrem natürlichen Lebensraum, dem Meer, tauschen Aeromonas-Spezies regelmäßig genetisches Material aus. Selbst ohne Infektion könnten sich Resistenzen verbreiten. Das gilt auch für Fisch aus Aquakulturen.
Als Strategie schlagen Lee und Kollegen deshalb vor, dass Behörden den Fisch regelmäßig auf resistente Erreger untersuchen. Außerdem verringern kurze Transportwege – beziehungsweise eine lückenlose Kühlkette – zumindest das Wachstum von Bakterien.
Doch Gefahren drohen noch an weiterer Stelle. Bekanntlich gehören Sushi und Wasabi (japanischer Meerrettich) zusammen. Für eine 60-Jährige wurde ein allzu großer Happen der grünen Paste zum Verhängnis. Dr. Alona Finkel-Oron und Kollegen vom Soroka University Medical Center in Beer Sheva, Israel, haben dazu einen Fallbericht veröffentlicht.
Die Frau verspeiste ungefähr die Menge eines Teelöffels Wasabi. Wenige Minuten später verspürte sie ein Druckgefühl in der Brust, das in die Arme ausstrahlte und einige Stunden anhielt. Am nächsten Tag fühlte sie sich immer noch schwach und unwohl – und begab sich ins Krankenhaus. Bei der Aufnahme lag ihr Blutdruck bei 174/95 mmHg und die Herzfrequenz bei 81 Schlägen pro Minute. Ihre Ärzte fanden keine Anzeichen einer Herzinsuffizienz. Die Patientin hatte normale Herztöne; die Lunge war bei der Auskultation frei.
Das erste EKG, das sofort in der Notaufnahme angefertigt wurde, zeigte einen normalen Sinusrhythmus, 65 Schläge pro Minute, eine deutliche ST-Hebung in den Ableitungen V1-V2, aber keine Verlängerung der QT-Strecke. Das zweite EKG, das fast 12 Stunden nach der Aufnahme erstellt wurde, ergab einen normalen Sinusrhythmus, 67 Schläge pro Minute, mit T-Wellen-Inversionen in V1-V2 und einem verlängerten QT-Segment. Auffällig war im Blutbild nur Troponin T mit 424 ng/l (Normalbereich 0–14 ng/l). Die Patientin sprach gut auf sublinguales Nitroglycerinspray an und wurde in das Katheterlabor verlegt. Bei der Angiographie fanden Kardiologen Hinweise auf eine nicht-obstruktive koronare Herzkrankheit, was am Ehesten einer nicht-klassischen Takotsubo-Kardiomyopathie entspricht.
Die Frau erhielt ACE-Hemmer, Betablocker und Aldosteronantagonisten zur Behandlung der schweren linkssystolischen Dysfunktion. Sie wurde bald darauf in ein kardiologisches Rehabilitationszentrum überwiesen. Die Echokardiographie einen Monat nach dem Ereignis zeigte eine normale linksventrikuläre systolische Funktion mit einer geschätzten linksventrikulären Auswurffraktion von 60 Prozent. „Nach unserem Kenntnisstand ist dies der erste Bericht über eine Takotsubo-Kardiomyopathie, die durch den Verzehr von Wasabi ausgelöst wurde“, so die Autoren. Der genaue Mechanismus sei jedoch unbekannt.
Noch schlechter erging es einem 19-jährigen Mann ohne Vorerkrankungen. Er hatte als Mutprobe vor seinen Kumpels eine ganze Flasche handelsüblicher Sojasauce getrunken. Würzige Flüssigkeiten dieser Art enthalten laut Untersuchungen 57 bis 78 g/l Kochsalz, je nach Produkt. Und genau das wurde zum Problem, wie David J. Carlberg vom University of Virginia Medical Center, Charlottesville, und Kollegen berichten.
Nach akuten Problemen wurde der Notarzt verständigt. Bei seiner Ankunft in der Notaufnahme war der Patient nicht ansprechbar. Nach der Erstversorgung wurde er in ein spezialisiertes Krankenhaus verlegt. Er war weiterhin komatös, mit einem Glasgow Coma Score von 3. Als Vitalparameter geben die Autoren an: Blutdruck 160/94 mmHg, Puls 147 Schläge/min., Atmung 48 Atemzüge/min., rektale Temperatur 39,4°C. Das EKG zeigte eine Sinustachykardie.
Der Mann wurde umgehend intubiert. Er bekam sechs Liter fünfprozentige Dextrose in Wasser über 30 Minuten rasch infundiert. Nach diesem Bolus hatte er eine Urinausscheidung von 4,1 l. Der Patient öffnete spontan die Augen und zeigte einen Hustenreflex als Reaktion auf den Endotrachealtubus. Sein Natriumspiegel erreichte 4,5 Stunden nach Einnahme der Sojasauce einen Spitzenwert von 196 mmol/l. Der Patient wurde auf die Intensivstation gebracht. Er bekam Kaliumersatz und wurde an Insulin-, Propofol- und Fentanyl-Infusionen angeschlossen.
Sechs Stunden nach der folgenreichen Mutprobe lag die Plasmaosmolalität bei 374 mosmol/kg, der Natriumgehalt im Urin bei 111 mmol/L und die Osmolalität im Urin bei 443 mosmol/kg. In den nächsten 24 Stunden erhielt er 5,2 l fünfprozentige Dextrose intravenös und 215 ml Wasser über die Magensonde sowie 2,4 l andere hypotone Lösungen. Die Natriumkonzentration im Urin erreichte einen Höchstwert von 270 mmol/L und die Osmolalität des Urins einen Höchstwert von 963 mosmol/kg.
Die Natriumkonzentration im Plasma normalisierte sich 32 Stunden nach der Einnahme auf 145 mmol/l. Und nach 26 Stunden haben Ärzte den Patienten extubiert. Er war verwirrt, konnte sich aber bald darauf an Personen und Orte erinnern. Am dritten Hospitalisierungstag normalisierte sich sein mentaler Zustand. Zu diesem Zeitpunkt zeigte eine Magnetresonanztomographie des Gehirns eine Schwellung, ein abnormales Signal und eine eingeschränkte Diffusion des rechten Hippocampus. Er bekam weiterhin Phenytoin zur Anfallsprophylaxe und wurde am vierten Tag ohne neurologische Defizite entlassen. Bei der Nachuntersuchung neun Tage nach dem initialen Ereignis ging es dem Patienten gut. Eine MRT-Untersuchung zeigte unverändert ein Signal im rechten Hippocampus. Einen Monat nach der Einnahme kehrte er in die Schule zurück und erzielte bald darauf gute Leistungen bei College-Prüfungen.
Diese Fälle zeigen, dass selbst vermeintlich harmlose Lebensmittel Auslöser lebensbedrohlicher Beschwerden sein können – und dass solche Ursachen bei Notfall-Patienten in Betracht zu ziehen sind.
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