Kopfschmerz, Tinnitus und Übelkeit: Hättest du an ein Liquorunterdruck-Syndrom gedacht? Das gefährliche Liquorleck kommt nicht nur nach Lumbalpunktion vor. Weißt du, was zu tun ist?
Das Liquorunterdruck-Syndrom ist weiterhin eine unterdiagnostizierte Erkrankung. Erst vor Kurzem wurde die neue Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Neurologie zu diesem Kopfschmerzsyndrom veröffentlicht. Bezüglich der Diagnostik und Therapie wurde die Leitlinie um einige wissenschaftliche Daten ergänzt und bringt so neben neuen Erkenntnissen auch die wissenschaftliche Basis für gute Erfahrungswerte der vergangenen Jahre.
Bei dem Liquorunterdruck-Syndrom handelt es sich um einen orthostatischen Kopfschmerz, der durch niedrigen Liquordruck ausgelöst und von Nackenschmerzen, Tinnitus, Hörveränderungen sowie Photophobie und Übelkeit begleitet wird. Hierbei unterscheidet man je nach Ursache des Liquorunterdrucks drei verschiedene Entitäten: Kopfschmerz nach Durapunktion oder das postpunktionelle Syndrom, Kopfschmerz durch eine Liquorfistel und Kopfschmerz durch spontanen Liquorunterdruck.
Die häufigste Ursache für ein Liquorunterdruck-Syndrom ist ein Liquorleck nach erfolgter Lumbalpunktion. Diese früher deutlich häufigere Komplikation einer Lumbalpunktion (ca. 65 %) ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Klassischerweise kommt es hierbei ein bis wenige Tage nach erfolgter Lumbalpunktion zu einem lageabhängigen Kopfschmerz bei den Patienten, der im Liegen gebessert ist. Zudem können die genannten Begleitsymptome, wie Übelkeit oder Ohrensausen, auftreten.
Die Häufigkeit ist abhängig von der bei der Lumbalpunktion verwendeten Kanüle, die Menge des entnommenen Materials spielt bis zu einer Menge von 25 ml keine Rolle (normalerweise benötigt man rund 10 ml). Am häufigsten betroffen sind junge Frauen mit niedrigem BMI. In den letzten Jahren ist man dazu übergegangen, feinere, atraumatische Kanülen zu verwenden, wodurch die Inzidenz des postpunktionellen Syndroms deutlich zurückgegangen ist. Es wird zudem empfohlen, vor dem Entfernen der Punktionsnadel den Mandrin wiedereinzuführen und dann beides gemeinsam zu entfernen. Unwirksam ist jedoch die häufig durchgeführte Praxis der prophylaktischen Bettruhe nach der Punktion oder die Gabe von Steroiden.
Was ist aber zu tun, wenn die klassischen Symptome eines Liquorunterdruck-Syndroms vorliegen, ohne zuvor erfolgte Liquorpunktion? In diesem Fall sollte das Auffinden der Ursache des Liquorverlustes die höchste Priorität haben, da die Therapie hiervon maßgeblich beeinflusst wird. Beim Kopfschmerz durch eine Liquorfistel kommt es durch ein Bagatelltrauma oder einen zuvor stattgehabten Eingriff an der Wirbelsäule zu einem Liquorleck, welches bildgebend identifiziert werden kann. Eine weitere seltene Form ist das spontane Liquorunterdruck-Syndrom, welches meist als Folge eines traumatischen oder spontanen Duradefekts auftritt. Diese entstehen meist durch Mikrosporne der Wirbelsäule oder Verkalkungen, die zu einem Duraeinriss führen. Außerdem können auch Duraschwachstellen im Bereich der Nervenwurzeln oder direkte Fisteln zwischen Liquor und dem epiduralen Venensystem eine Rolle spielen. Letztere werden in den letzten Jahren immer häufiger diagnostiziert. Auch diese können mittels bildgebender Verfahren nachgewiesen werden.
Hierzu stehen verschiedene Bildmodalitäten zur Verfügung, die laut aktueller Leitlinie möglichst kombiniert werden sollen, da nur eine geringe Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Techniken besteht. Das zerebrale MRT dient hierbei zum Ausschluss anderer sekundärer Kopfschmerzsyndrome und kann Zeichen eines Liquorunterdrucks wie etwa verdickte Meningen mit Kontrastmittelaufnahme oder ein Subduralhygrom zeigen. Zur Lokalisation des Liquorlecks empfehlen sich die MR- oder CT-Myelografie sowie die spinale CT oder MRT. Zudem können ergänzende Untersuchungen wie die digitale Subtraktionsmyelografie oder die Radioisotopen-Zisternografie eingesetzt werden. Wichtig ist, dass auch die sakrale Wirbelsäule miterfasst wird, da sakrale durale Liquorfisteln etwa 6 % der entdeckten Liquorfisteln ausmachen. Auf eine Liquorpunktion zum Nachweis eines Liquorunterdrucks kann in vielen Fällen verzichtet werden, da dieser in 32 % der Fälle normal ist. Bei lange anhaltenden Verläufen kann es zu einer leichten lymphozytären Pleozytose und Liquoreiweißerhöhung kommen.
Die Therapie unterscheidet sich je nach vorliegender Ursache. Beim postpunktionellen Syndrom können zunächst allgemeine Maßnahmen, wie eine angepasste Flachlagerung, teils mit Kopftieflage (Trendelenburg-Lagerung) mit Mobilisationsphasen zur Kreislaufaktivierung und Thromboseprophylaxe erfolgreich sein. Bei persistierenden Beschwerden sind medikamentöse Therapien mit Koffein oder Theophyllin empfohlen. Diese weisen eine Heilungsrate von etwa 70 % nach 72 Stunden auf. Bei fehlender Wirksamkeit kann ein Therapieversuch mit Gabapentin oder Hydrokortison erfolgen.
Nicht wirksam ist die zusätzliche Gabe von intravenöser Flüssigkeit, wie sie häufig praktiziert wird. Auch eine prophylaktische medikamentöse Therapie ist nicht empfohlen. Wenn die medikamentösen Maßnahmen erfolglos bleiben, sollte zunächst ein epiduraler Blutpatch durchgeführt werden. Hierbei wird 20 ml Eigenblut an der Stelle der zuvor durchgeführten Lumbalpunktion epidural appliziert und der Patient danach für einige Zeit in Bauchlage gelagert. Hierdurch kommt es zur flächigen Verteilung des Blutes mit Tamponade des Duralecks und anschließender Vernarbung. Dies führt in der Regel (80–96 %) zu einer raschen Besserung der Beschwerden.
Beim spontanen Liquorunterdruck-Syndrom kann prinzipiell genauso vorgegangen werden. Nach Identifikation des Lecks kann ein Blutpatch, teils auch CT-gesteuert, an der entsprechenden Stelle appliziert werden. Die Datenlage hierfür ist allerdings weiter eingeschränkt. Da der Effekt häufig nur von begrenzter Dauer ist, müssen teils mehrfache Wiederholungen erfolgen. Als Alternative steht die Applikation von Fibrinkleber zur Verfügung. In therapieresistenten Fällen sollte eine operative Therapie mit Naht- oder Clipverschluss des Duralecks evaluiert werden. Nach neusten Studiendaten können so Heilungsraten von > 90 % erzielt werden, wenn das Leck exakt lokalisiert werden kann. Die direkten Liquor-Venenfisteln werden in jüngster Zeit immer häufiger erfolgreich mittels transvenöser Embolisation behandelt.
Die neue Leitlinie zum Liquorunterdruck-Syndrom zeigt, dass bewährte Maßnahmen wie die Flachlagerung, die Gabe von Koffein und Theophyllin und der epidurale Blutpatch beim postpunktionellen Syndrom wirksam sind. Zudem wird mit unwirksamen, aber weiterhin verbreiteten Therapiemethoden wie der prophylaktischen Flachlagerung nach der Lumbalpunktion oder der Gabe intravenöser Flüssigkeit aufgeräumt. Operative Maßnahmen wie die Duranaht und der transvenöse Durafistelverschluss rücken vermehrt in den Fokus der verfügbaren Therapiemethoden und machen somit eine ausgedehnte Diagnostik zur Identifizierung des Duralecks beim spontanen Liquorunterdruck-Syndrom unverzichtbar.
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