Schulterbeschwerden sind der Deutschen drittliebste Pein. Doch wen treffen steife Schultern – und welche Behandlungsmethoden bestehen neben der gängigen Physiotherapie? Ein Überblick.
Beschwerden an den Schultern sind häufig. Im Laufe des Lebens klagen rund 70 % aller Menschen über Schulterschmerzen. Damit ist der Schultergürtel die Region des Haltungs- und Bewegungsapparates, die nach dem Rücken und den Kniegelenken am häufigsten Beschwerden macht. Patienten melden sich meist frühzeitig nach Beginn der Symptome, da sie starke Schmerzen haben und die Gebrauchsfähigkeit des Armes im Alltag eingeschränkt ist. Ursachen können entweder durch ein akutes Ereignis hervorgerufen sein oder sich chronisch entwickelt haben, auch im Rahmen von Grunderkrankungen wie Stoffwechselstörungen. Akut sind Direkttraumata wie Prellungen und (habituelle) Schulterluxationen bei physiologischen Bewegungen ohne übermäßigen Kraftaufwand oder indirekt durch Sturz auf die Hand oder den Ellenbogen mit Fortleitung der Kräfte in die Schulter. Durch den komplexen anatomischen Aufbau sind Schultern empfindlich und anfällig für Schäden, die unterschwellig persistieren und chronifizieren können.
Zum Oberbegriff Schulter bzw. Schultergürtel gehören die Knochen Klavikula, Skapula mit Akromion und Korakoid sowie der proximale Humerus, die das Schultergelenk Articulatio glenohumeralis, das Schultereckgelenk Articulatio acromioclavicularis (ACG) und das Sternoklavikulargelenk Articulatio sternoclavicularis (SCG) bilden. Das Schultergelenk ist anatomisch und funktionell ein Kugelgelenk, dessen Bewegungsmöglichkeiten durch Beteiligung von Scapula und Klavikula erweitert werden und durch Gelenkkapsel, Bänder, Muskeln und Sehnen limitiert sind. Dabei trifft – in Relation zueinander – ein großer Humeruskopf auf eine kleine Gelenkpfanne (Glenoid). Um die Inkongruenz etwas auszugleichen und die knöcherne Pfanne zu vergrößern, wird sie von einer 3 bis 4 mm breiten und wulstigen Knorpellippe, dem Labrum glenoidale, umrandet. Schäden können an allen Strukturen entstehen und Beschwerden verursachen.
Zur Diagnostik sind bei einer gründlichen körperlichen Untersuchung verschiedene Tests etabliert, die die Ursachen der Beschwerden näher eingrenzen und Hinweise auf die defekte Struktur liefern. Als Ergänzung wird häufig eine sonografische Untersuchung durchgeführt, bei der in Echtzeit eine funktionelle Prüfung erfolgt. Darin ist die Sonografie anderen bildgebenden Verfahren wie Röntgen, CT und MRT überlegen, die sich je nach Verdachtsdiagnose zur Absicherung noch anschließen können.
Häufiger Befund ist ein Humeruskopfhochstand mit Einengung des Subakromialraumes, durch den die Supraspinatussehne gereizt wird. Eine mögliche Erklärung sind über Jahre wiederholte Überbelastungen und Mikroverletzungen, die keine oder nur geringe Beschwerden verursacht haben und zu intraartikulären Reizungen führten. Um die Gelenkkapsel während der Reizzustände und in der anschließenden Heilungsphase zu entspannen, wandert der Oberarmkopf eine kurze Strecke nach oben in eine Schonhaltung. Oftmals senkt er sich danach nicht wieder, und die Gelenkkapsel schrumpft. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrfach, bis der Subakromialraum so eingeengt ist, dass die Supraspinatussehne chronisch gereizt wird. Die Gelenkkapsel ist inzwischen so geschrumpft, dass der Oberarm in dieser fatalen Position gefangen ist.
Es besteht nun ein erhebliches Risiko, dass die Entzündungsreaktion im Schultergelenk und in der Gelenkkapsel so heftig abläuft, dass es zu einer sog. frozen shoulder kommt. Darunter versteht man eine sehr schmerzhafte Schultersteife, die auch als adhäsive Kapsulitis bezeichnet wird. Ihr Verlauf zieht sich über viele Monate, nicht selten länger als ein Jahr, hin. Die Betroffenen sind meist zwischen 40 und 60 Jahre alt. Bei der primären, idiopathischen Form besteht keine eindeutige Ursache, sie wird aber gehäuft bei Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus, Fettstoffwechsel, gestörte Schilddrüsenfunktion) beobachtet und verläuft in drei Phasen:
Die sekundäre Form der frozen shoulder entwickelt sich nach Verletzungen, Operationen oder anderen Schultererkrankungen.
Neben klassischer Physiotherapie in Form von Krankengymnastik, Manueller Therapie und Elektrotherapie können Behandlungen mit osteopathischen Techniken erfolgen, ggf. sind Injektionen indiziert. Um die geschrumpfte Kapsel zu dehnen, sollte Patienten empfohlen werden, täglich eine weitgehend passive Traktion mit einer 1 kg schweren Handgelenkmanschette durchzuführen. Dazu pendeln sie den betroffenen Arm nacheinander sowohl seitlich neben dem Körper als auch quer vor dem Körper für jeweils 3 bis 4 Minuten, wobei die Pendelstrecke nicht mehr als 10 cm betragen sollte. Disziplinierte Patienten erreichen so innerhalb von ca. vier Wochen eine ausreichende Kapseldehnung mit Erweiterung des Subakromialraumes und nachlassenden Schmerzen, so dass eine operative Intervention unterbleiben kann. Anmerkung: Erfolglos ist meist ein Dehnungsversuch mit einer Wasserflasche o. ä. in der Hand, da das aktive Halten der Flasche die Gelenkkapsel unter Spannung setzt.
Mit einer Prävalenz von 42,5 % besteht bei schmerzhaften Schultern eine Kalktendopathie in der Rotatorenmanschette. Wenn Steroid-, NSAR-, Stoßwellen- und physiotherapeutische Behandlungen die Symptomatik nicht wesentlich verbessern, wird häufig eine ultraschallgeführte Lavage zusammen mit einer Steroidinjektion durchgeführt. Mehrere Studien belegen gute Ergebnisse dieser Technik, ohne dass es Studien mit einer adäquaten Kontrollgruppe gab. Im British Medical Journal wurde im Oktober 2023 das Ergebnis einer Studie von S. Moosmayer et al. veröffentlicht, bei der 220 Patienten in 6 Krankenhäusern in Norwegen und Schweden zufällig drei Behandlungsgruppen zugeordnet wurden:
Nach dem Eingriff wurden die Patienten angewiesen, zuhause acht Wochen lang zweimal täglich vier Schulterübungen durchzuführen. Untersuchungen erfolgten nach 2 und 6 Wochen sowie nach 4, 8, 12 und 24 Monaten. Als Ergebnis ihrer Studie teilen die Autoren mit, dass nach vier und 24 Monaten weder Lavage mit Steroid noch Scheinspülung mit Steroid einer Scheinbehandlung überlegen waren. Sie fordern deshalb eine kritische Überprüfung aktueller Behandlungsalgorithmen und empfehlen alternative Behandlungsmethoden wie definierte Physiotherapieprogramme.
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