Viele Kunden wissen nicht, dass Nahrungsergänzungsmittel keine Arzneimittel sind. Deswegen müssen wir in der Apo viel erklären – zum Beispiel, warum ein Magnesiumpräparat bei uns so viel teurer ist als eines aus dem Supermarkt.
Kürzlich hatte ich wieder einen Aufreger in der Apotheke. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass Nahrungsergänzungsmittel (NEM) zu den Lebensmitteln zählen und nicht zu den Arzneimitteln. Und selbst wenn das jemand wüsste, wüsste er wahrscheinlich nicht, dass im Grunde gar nicht das drin sein muss, was draufsteht – Hauptsache es ist nicht gesundheitsgefährdend.
Nahrungsergänzungsmittel müssen nur registriert werden, bevor sie in Verkehr gebracht werden. Sie werden dafür nicht geprüft. Das kann zu solch absurden Situationen führen, wie wir sie neulich lesen konnten: „Die AMK erreichte eine Meldung aus einer Apotheke zum Mindergehalt zweier Chondroitin-haltiger Nahrungsergänzungsmittel. Die Apotheke monierte, dass die Präparate nicht den deklarierten Gehalt bzw. Inhaltsstoff enthalten. Eines der Produkte wird mit einer eigenen Pharmazentralnummer in der ABDA-Datenbank gelistet.“
Wie die Apotheke auf die Idee gekommen war, diese NEM zu testen, stand leider nicht dabei. Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) untersuchte daraufhin sogar noch weitere Chargen, um ein Versehen auszuschließen – auch hier konnten lediglich Spuren von Chondroitinsulfat nachgewiesen werden, die weit unterhalb der Menge lagen, die auf dem Produkt deklariert ist. Statt des Wirkstoffes fand sich Maltodextrin in der Kapsel, welches sich laut Packungsbeilage gar nicht im Produkt befinden sollte.
Was war nun die Konsequenz für die betroffenen Firmen – ein Rückruf? Nein, weit gefehlt! Dann hätte man ja gewusst, wer da gepfuscht hat. In der Meldung heißt es: „Die AMK konfrontierte die Firma mit den Analyseergebnissen und informierte begleitend die zuständige Behörde. Der AMK gegenüber bestätigte die Firma mittels Stellungnahme den Mindergehalt […].“ Die Firma entschied sich gegen einen Rückruf der betroffenen Ware, auch weil nicht von einer potenziellen Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher auszugehen sei.
Also noch einmal an dieser Stelle für alle, die es noch nicht wussten: Ein NEM darf schon im günstigsten Fall laut Gesetzeslage bis zu 50 % vom deklarierten Gehalt abweichen. Doch auch, wenn sich quasi gar kein Wirkstoff darin befindet, ist das kein Problem, solang dies nicht die Gesundheit der Anwender gefährdet. Jetzt darf jeder nochmal drüber nachdenken, ob er das nächste Mal nicht lieber ein NEM kauft, das von einem Hersteller kommt, der auch Arzneimittel produziert und der beides vermutlich an denselben Maschinen fertigt. Hier erscheint mir die Wahrscheinlichkeit größer, dass auch wirklich das drin ist, was draufsteht.
Warum? Ganz einfach: Die Erklärung des Herstellers der Maltodextrin-Kapseln für diesen Fauxpas war, „dass sich der tatsächliche Gehalt an Chondroitin in dem Rohstoff nicht mit den Angaben im Analysezertifikat des Lieferanten decke“. Hätte er ein Arzneimittel hergestellt, hätte er das zwingend in einem Labor überprüfen müssen. Dieser Hersteller hat das für ein NEM offenbar nicht für nötig gehalten.
Es ist ein Unding, dass so etwas sein darf und man den Verbraucher auf diese Art (bewusst?) hintergeht. Um so wichtiger ist es, dass wir in den Apotheken aufklären. Das hier ist auch ein prima Beispiel für alle Kunden, die nicht verstehen, warum ein Magnesiumpräparat aus der Apotheke so viel teurer ist, als eines aus dem Supermarkt.
Bildquelle: erstellt mit DALL-E