Kinder mit Angststörungen werden häufig mit kognitiver Verhaltenstherapie behandelt. Doch was passiert dabei eigentlich im Gehirn? Eine neue Studie liefert Einblicke.
Forscher des National Institutes of Health (NIH) haben bei Kindern mit Angststörungen, die nicht medikamentös behandelt wurden, eine Überaktivierung in vielen Hirnregionen, einschließlich des Frontal- und Parietallappens und der Amygdala, festgestellt. Sie zeigten auch, dass eine Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie (CBT) zu einer Verbesserung der klinischen Symptome und der Gehirnfunktionen führte.
Die Ergebnisse geben Aufschluss über die Gehirnmechanismen, die der akuten Wirkung der CBT zur Behandlung einer der häufigsten psychischen Störungen zugrunde liegen. Die Studie, die im American Journal of Psychiatry veröffentlicht wurde, wurde von Forschern des National Institute of Mental Health (NIMH) des NIH geleitet. „Wir wissen, dass CBT wirksam ist. Diese Ergebnisse helfen uns zu verstehen, wie CBT funktioniert, ein wichtiger erster Schritt zur Verbesserung des klinischen Outcomes“, sagt die Hauptautorin Dr. Melissa Brotman, Leiterin der Abteilung für Neurowissenschaften und neuartige Therapeutika im Intramural Research Program des NIMH.
69 nicht medikamentös behandelte Kinder, bei denen eine Angststörung diagnostiziert wurde, unterzogen sich 12 Wochen lang einer CBT nach einem festgelegten Protokoll. Die CBT, bei der dysfunktionale Gedanken und Verhaltensweisen durch schrittweise Exposition gegenüber angstauslösenden Reizen verändert werden, ist der derzeitige Goldstandard für die Behandlung von Angststörungen bei Kindern. Die Forscher untersuchten die Veränderung der Angstsymptome der Kinder vor und nach der Behandlung anhand von klinischen Messwerten. Außerdem untersuchten sie mit Hilfe der aufgabenbasierten fMRT die Veränderungen im gesamten Gehirn vor und nach der Behandlung und verglichen diese mit der Gehirnaktivität von 62 Kindern ähnlichen Alters ohne Angstzustände.
Kinder mit Angstzuständen zeigten eine höhere Aktivität in vielen Hirnregionen, einschließlich kortikaler Bereiche im Frontal- und Parietallappen, die für kognitive und regulatorische Funktionen wie Aufmerksamkeit und Emotionsregulation wichtig sind. Die Forscher beobachteten auch eine erhöhte Aktivität in tiefer gelegenen limbischen Bereichen wie der Amygdala, die für die Erzeugung starker Emotionen wie Angst und Furcht von wesentlicher Bedeutung sind.
Nach einer dreimonatigen CBT-Behandlung zeigten Kinder mit Angstzuständen einen klinisch signifikanten Rückgang der Angstsymptome. Die vor der Behandlung beobachtete erhöhte Aktivierung in vielen frontalen und parietalen Hirnregionen verbesserte sich ebenfalls nach der CBT und sank auf ein Niveau, das dem der nicht ängstlichen Kinder entsprach oder darunter lag. Den Forschern zufolge spiegelt die geringere Aktivierung in diesen Hirnregionen möglicherweise eine effizientere Beteiligung der kognitiven Kontrollnetzwerke nach der CBT wider.
Acht Hirnregionen, darunter die rechte Amygdala, zeigten jedoch auch nach der Behandlung eine höhere Aktivität bei ängstlichen Kindern im Vergleich zu nicht ängstlichen Kindern. Dieses anhaltende Muster verstärkter Aktivierung deutet darauf hin, dass einige Hirnregionen, insbesondere limbische Bereiche, die die Reaktionen auf angstauslösende Stimuli modulieren, auf die akuten Auswirkungen der CBT weniger gut reagieren. Um die Aktivität in diesen Regionen zu verändern, sind möglicherweise eine längere Dauer der CBT, zusätzliche Behandlungsformen oder die direkte Beeinflussung subkortikaler Hirnareale erforderlich.
„Das Verständnis der Hirnschaltkreise, die den Gefühlen schwerer Angst zugrunde liegen, und die Bestimmung, welche Schaltkreise sich normalisieren und welche nicht, wenn sich die Angstsymptome mit CBT verbessern, ist entscheidend für die Weiterentwicklung der Behandlung und ihre Wirksamkeit für alle Kinder“, sagt die Erstautorin Dr. Simone Haller, Direktorin für Forschung und Analytik in der NIMH-Abteilung für Neurowissenschaften und neuartige Therapeutika.
In dieser Studie erhielten alle Kinder mit Angstzuständen eine CBT. Zum Vergleich maßen die Forscher auch die Hirnaktivität einer separaten Stichprobe von 87 Jugendlichen, die aufgrund ihres kindlichen Temperaments ein hohes Risiko für Ängste aufwiesen (z. B. eine hohe Empfindlichkeit gegenüber neuen Situationen). Da bei diesen Kindern keine Angststörung diagnostiziert worden war, hatten sie auch keine CBT-Behandlung erhalten. Ihre Gehirnscans wurden im Alter von 10 und 13 Jahren erstellt.
Bei Jugendlichen mit einem erhöhten Risiko für Angstzustände war die erhöhte Hirnaktivität mit einer Zunahme der Angstsymptome im Laufe der Zeit verbunden und entsprach der Hirnaktivität, die bei Kindern beobachtet wurde, bei denen vor der Behandlung eine Angststörung diagnostiziert wurde. Dies ist ein vorläufiger Beweis dafür, dass die Gehirnveränderungen bei Kindern mit Angstzuständen durch CBT ausgelöst wurden und dass sie einen zuverlässigen neuronalen Marker für die Behandlung von Angstzuständen darstellen könnten.
Angststörungen sind bei Kindern weit verbreitet und können ihnen in sozialen und akademischen Situationen erheblichen Kummer bereiten. Außerdem sind sie chronisch und können sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen, wenn sie schwieriger zu behandeln sind. Trotz der Wirksamkeit der CBT zeigen viele Kinder auch nach der Behandlung weiterhin Angstsymptome. Eine Verbesserung der Therapie, um Ängste in der Kindheit wirksamer zu behandeln, kann kurz- und langfristige Vorteile bringen und ernstere Probleme im späteren Leben verhindern.
Diese Studie liefert – in einer großen Gruppe von nicht medikamentös behandelten Jugendlichen mit Angststörungen – Hinweise auf veränderte Gehirnschaltkreise, die den Behandlungseffekten der CBT zugrunde liegen. Die Ergebnisse könnten mit der Zeit genutzt werden, um die Behandlungsergebnisse zu verbessern, indem die mit der klinischen Verbesserung verbundenen Hirnschaltkreise gezielt angesprochen werden. Dies ist besonders wichtig für die Untergruppe der Kinder, die sich nach einer Kurzzeit-CBT nicht signifikant verbessert haben. „Der nächste Schritt in dieser Forschung besteht darin, zu verstehen, welche Kinder am ehesten ansprechen werden. Gibt es Faktoren, die wir vor Beginn der Behandlung bewerten können, um möglichst fundierte Entscheidungen darüber zu treffen, wer wann welche Behandlung erhalten sollte? Die Beantwortung dieser Fragen würde dazu beitragen, unsere Forschungsergebnisse in die klinische Praxis zu übertragen“, so Brotman.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des National Institute of Mental Health. Die Originalstudie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Stefano Bucciarelli, Unsplash