Durch das Öffnen der Calcium-Kanäle entsteht in Krebszellen ein tödlicher Calciumeinstrom – das soll Tumoren verschwinden lassen. Wie das funktioniert, lest ihr hier.
Biologische Zellen benötigen Calciumionen unter anderem für die Funktion der Mitochondrien. Zu hohe Konzentrationen bringen die mitochodrialen Vorgänge jedoch außer Gleichgewicht, und die Zelle erstickt. Diesen Mechanismus hat nun eine Forschungsgruppe um Juyoung Yoon von der Ewha Womans University in Seoul (Südkorea) zusammen mit Teams aus China als Inspiration für ein synergetisch wirkendes Präparat genommen, das Calciumkanäle öffnet und somit einen tödlichen Calciumsturm in der Tumorzelle auslösen kann. Eine externe Calciumquelle ist dafür nicht nötig, da nur das gewebeeigene Calcium aktiviert wird, heißt es in der Studie, die in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht wurde.
Calciumionen als Tumorgift. Credit: Wiley-VCH
Als Angriffspunkt für die Wirkstoffe nutzten die Forscher zwei Calciumkanäle der Zelle. Der erste war ein Kanal in der äußeren Zellmembran, durch den Calciumionen aus dem Extrazellularraum in die Zelle einströmen können, der zweite Kanal regelt den Calciumfluss aus dem endoplasmatischen Retikulum. Der in der äußeren Zellmembran sitzende Kanal öffnet sich für Calciumionen, wenn eine große Menge an reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) auf ihn einwirkt. Der Kanal im endoplasmatischen Retikulum hingegen wird durch Stickoxidmoleküle aktiviert.
Um ROS zu erzeugen, verwendeten die Forscher den Farbstoff Indocyaningrün, der durch Bestrahlung mit Nahinfrarotlicht aktiviert wird. Dabei entstehen durch Reaktionen des Farbstoffs nicht nur ROS, sondern die Anregung erwärmt auch die Umgebung. Die Temperaturerhöhung dient einem weiteren Zweck, erläutern die Forscher, denn der zweite Wirkstoff mit dem Namen BNN-6 setzt bei Erwärmung Stickoxidmoleküle frei, die wiederum den Kanal im endoplasmatischen Retikulum öffnen.
Nach erfolgreichen Versuchen in Tumorzelllinien testete das Team ein injizierbares Präparat in Mäusen, denen ein Tumorkeim implantiert wurde. Dafür verpackten die Forscher die Wirkstoffe in winzige poröse, modifizierte Silikatkügelchen, die den Körper nicht belasten, aber von Tumorzellen erkannt und in die Zelle geschleust werden. Nach der Injektion in die Blutbahn der Mäuse konnten die Forscher beobachten, wie sich das Präparat im Tumor anreicherte. Die Bestrahlung mit Nahinfrarotlicht setzte den Wirkmechanismus erfolgreich in Gang. Bei Mäusen, die das Präparat erhielten, verschwand der Tumor nach einigen Tagen.
Besonders interessant an der Methode, den Calciumeinstrom in die Zellen zu steuern, sei die Möglichkeit, auch andere Ionenkanäle ins Visier zu nehmen, heben die Autoren hervor. Dies könnte auch in anderen biomedizinischen Forschungsfeldern neue Therapieansätze eröffnen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Gesellschaft Deutscher Chemiker. Hier findet ihr die Originalpublikation.
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