Das Verhältnis von verfügbaren Spenderorganen und Patient*innen auf der Transplantationsliste ist bekanntermaßen unausgeglichen.1 Beispielsweise wurden im Jahr 2022 zwar etwa 750 Lebern transplantiert, doch es wurden im selben Jahr ebenfalls etwa 1.300 Patient*innen zur Transplantation angemeldet.2 Zum Jahresende befanden sich noch etwa 840 Patient*innen auf der Warteliste.2 Dieses Ungleichgewicht zwischen vielen Patient*innen auf der Transplantationsliste gegenüber weniger Organtransplantationen führt unter anderem dazu, dass in Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, ebenfalls vorgeschädigte Organe oder Organe älterer Spender*innen zur Transplantation akzeptiert werden.3 Bei diesen Organen ist das Risiko vor oder nach der Transplantation einen Schaden durch einen Nähr- oder Sauerstoffmangel zu erleiden im Vergleich zu Organen von gesunden, jungen Spender*innen erhöht.3 Für ein verbessertes Outcome trotz Transplantats „zweiter Wahl“ ist es daher von hoher Bedeutung, die Organqualität verlässlich beurteilen zu können.4 Die Forscher*innen, Andras Meszaros und Julia Hofmann der Universitäts-Klinik für Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie in Innsbruck haben dies für die Leber, das am zweithäufigsten gespendete Organ, untersucht.4 Sie testeten, inwiefern sich Zellatmung als Qualitätsmarker von Lebertransplantaten eignet.4 Lesen Sie mehr zu ihren Untersuchungen:
Der Begriff Zellatmung beschreibt einen Prozess, bei dem in Mitochondrien unter Sauerstoffverbrauch der Energielieferant Adenosintriphosphat (ATP) hergestellt wird.5 ATP, und somit ebenfalls die Zellatmung, ist für eine funktionierende Leber essenziell.4
Um zu überprüfen, ob die Zellatmung ein sicheres Qualitätskriterium für Lebertransplantate ist, untersuchten die Forschenden 50 Spenderlebern mit Hilfe hochauflösender Respirometrie nach gekühlter Lagerung sowie während normothermer Maschinenperfusion (NMP).4 NMP konserviert Lebertransplantate unter physiologischen Bedingungen und erzielt längere Konservierungszeiten und vermindert die Schädigung von Spenderlebern.335 der untersuchten Lebern wurden transplantiert und der Verlauf der Transplantationspatient*innen beobachtet.4 Um die Funktion des Spenderorgans zu beurteilen, nutzen die Forschenden 3 Bewertungssysteme, darunter Liver Graft Assessment Following Transplantation (L-GrAFT).4 L-GrAFT berücksichtigt Faktoren wie die Aspartat-Aminotransferase-, Thrombozyten- sowie Bilirubinzahl (ein Abbauprodukt von Hämoglobin) und kann dadurch das individuelle 3-Monatsrisiko für eine Transplantatabstoßung vorhersagen.6 Zudem testeten die Forschenden auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Zellatmung des Lebertransplantats und dem klinischen Verlauf der Transplantationspatient*innen in einer Korrelationsanalyse.4
Insgesamte zeigte sich ein positives Outcome bei den 35 Transplantationspatient*innen: 90 Tagen nach Transplantation waren 86 % der Patient*innen am Leben und nach einem Jahr betrug die Überlebensrate der Gesamtpopulation 80 %.4 Der mediane L-GrAFT-Wert lag bei -0,83 (-2,39–3,13).4
Die Korrelationsanalyse ergab, dass einige Faktoren mit einer verbesserten Leberfunktionalität im Zusammenhang standen, gemessen anhand des L-GrAFT-Werts.4 Diese Parameter waren:4
• Leak Atmung
• Schädigung der äußeren Mitochondrienmembran
• ATP-Produktion
Die Forschenden schlussfolgerten: je besser die Zellatmung, desto besser die Prognose.4,7
Während der bis zu 24-stündigen NMP führten die Forschenden mehrere Begleitanalysen durch und stellten fest, dass über die Dauer der Maschinenperfusion die mitochondriale Funktion stabil blieb und die ATP-Produktion sogar zunahm.4,7 In einem Interview erklärte die Forscherin Julia Hofmann: „Diese Ergebnisse sind wichtig, weil Spenderorgane nach wie vor kalt an das Transplantationszentrum transportiert werden, bevor sie an die Perfusionsmaschine angeschlossen werden können“.7
Werden vorgeschädigte Lebern oder Lebern älterer Spender*innen transplantiert, ist es von hoher Bedeutung die Qualität des Transplantats verlässlich beurteilen zu können. Die Ergebnisse der Forschungsgruppe der Universitätsklinik Innsbruck zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen der Zellatmung und der Leberfunktionalität sowie Prognose der Transplantationspatient*innen besteht.4 Zudem zeigten die Forschenden, dass die bioenergetische Funktionen der Leber während der NMP erhalten blieben.4 Zukünftige Studien könnten diese Zusammenhänge weiter untersuchen, um die Zellatmung als Qualitätsmarker bei Lebertransplantaten und die NMP als Standard zur Konservierung von Transplantaten zu etablieren.
ATP: Adenosintriphosphat
NMP: normotherme Maschinenperfusion
L-GrAFT: Liver Graft Assessment Following Transplantation
1. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Statistiken zur Organspende für Deutschland und Europa, URL: https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/statistiken/ (zuletzt aufgerufen 17.01.2024).
2. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Die Lebertransplantation, URL: https://www.organspende-info.de/organspende/transplantierbare-organe/lebertransplantation/ (zuletzt aufgerufen 17.01.2024).
3. Siegmund-Schultze N, das deutsche Ärzteblatt, Lebertransplantation: Normotherme Maschinenperfusion statt Kühlung auf Eis beugt Organschäden vor, URL: https://www.aerzteblatt.de/archiv/197939/Lebertransplantation-Normotherme-Maschinenperfusion-statt-Kuehlung-auf-Eis-beugt-Organschaeden-vor (zuletzt aufgerufen 17.01.2024).
4. Meszaros AT et al. EBioMedicine. 2022; 85: 104311.
5. Schirmer B und Seifert R, deutsche Apotheker-Zeitung, Mitochondrien als Ziel, URL: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2016/daz-7-2016/mitochondrien-als-ziel (zuletzt aufgerufen 17.01.2024).
6. Agopian VG et al. JAMA Surg. 2018; 153(5): 436–444.
7. Mair T, Informationsdienst Wissenschaft e.V., Zellatmung als Marker für Qualität von Spenderlebern, URL: https://idw-online.de/de/news803882 (zuletzt aufgerufen 17.01.2024).
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