Die Zunge brennt, der Mundraum schmerzt, ein metallischer Geschmack macht sich breit: So beschreiben Betroffene das Burning-Mouth-Syndrome. Die Diagnose ist komplex – holt euch hier euer Wissens-Update!
Das Zungenbrennen, auch als Glossodynie, chronisches orales Schmerzsyndrom oder Burning-Mouth-Syndrome (BMS) bekannt, tritt in der Praxis recht häufig auf. Es wurden Prävalenzen zwischen 0,7 und 7,9 % beschrieben. Es sind in erster Linie Frauen mittleren Alters betroffen, schätzungsweise entwickelt jede sechste Frau in oder nach den Wechseljahren diese Störung. In der Altersklasse von 60 bis 69 Jahren hatten Frauen mit 12 % die höchste Prävalenz. Insgesamt leidet wohl jeder 30. Deutsche unter BMS. Anhaltende Beschwerden geben allerdings weniger als 1 % der Patienten an.
Die klinische Symptomatik umfasst das Brennen von Zunge, Mundschleimhäuten, Rachen sowie Gaumen und Zahnfleisch. Oft geben Betroffene auch Beschwerden wie Jucken, stechende Schmerzen oder Wundempfinden an. Sensibilitätsstörungen und Dysgeusie, wie beispielsweise ein metallischer Geschmack, sind ebenfalls häufig. Zudem ist der Mund in der Regel sehr trocken und auch Mundgeruch tritt verstärkt auf. Der Verzehr stark gewürzter Speisen wird oft als unangenehm empfunden. Nicht selten klagen Patienten auch über Schmerzen im Kopf-, Kiefer- und Nackenbereich.
Bei einem komplexen Beschwerdebild ist eine Überlappung mit anderen Schmerzsyndromen wie der Fibromyalgie und dem chronischen Erschöpfungssyndrom zu finden. Neuere Studien weisen auf einen Zusammenhang mit neuropathischen Veränderungen hin. Es zeigten sich Hinweise auf funktionelle Störungen der Chorda tympani. Funktionelle MRTs und PETs stellten einen Verlust des endogenen Dopamins dar. Dies könnte auf einen Zusammenhang mit psychiatrischen und psychologischen Komorbiditäten hinweisen. Unzweifelhaft sind nach etlichen Studien die Komorbidität mit Depression, Angst und Karzinophobie. Zum Teil sind diese auch Folge und nicht Ursache der Erkrankung. Die psychische Belastung der Patienten ist erheblich und wird oft unterschätzt. Viele Betroffene fühlen sich unverstanden und sind auf der Suche nach Ursache und Kausalität.
Für die Diagnose des BMS müssen mögliche organische Ursachen ausgeschlossen werden. Daher sollten bei der Anamnese die Umstände sowie der Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Symptome erfragt werden. Der orale, brennende Schmerz kann als Kribbeln, Jucken oder Gefühl des Wundseins empfunden werden. Meist wird das Mundbrennen symmetrisch beidseits im Bereich der vorderen zwei Drittel der Zunge, des harten Gaumens oder an den Lippen lokalisiert. Typischerweise sind die Symptome tagsüber vorhanden, gehen aber nicht in den Schlaf über. Morgens sind die Beschwerden eher gering ausgeprägt und nehmen im Tagesverlauf zu. Zudem geht das Mundbrennen, im Gegensatz zu anderen Entzündungen der Mundschleimhaut, oft während des Essens zurück.
Erfragt werden sollten Begleitsymptome wie Xerostomie, Phantogeusie sowie gastroösophagealer Reflux. Die ärztliche Untersuchung umfasst die Inspektion von Mund- und Zungenschleimhaut, Abklärung der Speicheldrüsenfunktion, Testung der Sensomotorik der Hirnnerven und die Erhebung des Zahn- und Parodontalstatus. Wichtig ist die Unterscheidung einer primären Form ohne klinisch fassbare Ätiologie (eigentliches BMS, Ausschlussdiagnose) und einer sekundären Form mit dokumentierbaren Ursachen.
Zungen- bzw. Mundbrennen kann bei verschiedenen Grunderkrankungen auftreten. Eine der häufigsten Ursachen ist sicherlich das Sjögren-Syndrom. Auch hier sind typischerweise Frauen über 40 Jahren betroffen. Auch im Rahmen einer Multiplen Sklerose oder Fibromyalgie kann es aufgrund von Nervenschädigungen zu Zungenbrennen kommen. Weitere chronische Erkrankungen, bei denen ein Zungenbrennen auftritt, sind Diabetes mellitus, Refluxkrankheit, Gicht, Zöliakie, Colitis ulcerosa sowie Störungen der Schilddrüsenfunktion. Auch Mukoviszidose und ein Hodgkin-Lymphom können mit Zungenbrennen einhergehen.
Lokale Infekte wie Soor, Karies oder Gingivitis sollten ebenso wie schlecht sitzende Prothesen ausgeschlossen werden. Auch eine Landkartenzunge oder die Möller-Hunter-Glossitis sollten ebenfalls als Ursache in Betracht gezogen werden. Ein Mangel von Vitamin B12, Eisen oder Folsäure sollte ausgeschlossen werden. Auch allergische Reaktionen auf Zahnmaterialien sind nicht selten, ebenso wie Nahrungsmittelallergien. Ebenso können dermatologische Erkrankungen der Mundschleimhaut wie Pemphigus vulgaris, Lichen ruber mucosae oder Leukoplakien ein Auslöser sein. Als Nebenwirkung bestimmter Medikamente, wie z. B. ACE-Hemmer, Antidepressiva oder Virostatika, kann es ebenfalls zu Zungenbrennen kommen.
Die Fülle an möglichen Differentialdiagnosen zeigt, wie wichtig eine interdisziplinäre Diagnostik ist. Hausärzte/Internisten, HNO-Ärzte, Neurologen, Psychiater, aber auch Zahn- und Hautärzte müssen mit einbezogen werden, damit ein sekundäres Mundbrennen ausgeschlossen und ein BMS diagnostiziert werden kann.
Beim sekundären Mundbrennen steht die Behandlung der Ursache im Vordergrund. Beim primären BMS sollte eine Behandlung im interdisziplinären Team erfolgen. Wichtig ist hierbei das empathische Gespräch und eventuell eine psychosomatische Mitbetreuung. Psychische Belastungen sollten nach Möglichkeit minimiert werden.
Medikamentös ist zwischen lokalen und systemischen Ansätzen zu unterscheiden. Topisch werden Benzodiazepine (Clonazepam), Lokalanästhetika (Lidocain) und Capsaicin allein oder kombiniert eingesetzt. Bei der Linderung der Beschwerden helfen auch Kamillen- oder Salbeitee sowie Myrrhepräparate oder andere adstringierende Substanzen. Systemisch kommen Vitamin-Komplexe, Alpha-Liponsäure, trizyklische Antidepressiva oder Antikonvulsiva zum Einsatz. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, ob diese Medikamente nicht bei längerer Anwendung die Mundtrockenheit verstärken.
Wenn psychische Probleme als Hauptursache angesehen werden, verspricht eine Verhaltenstherapie am ehesten Erfolg. Neuere Therapieansätze mit Photobiomodulation oder Low-Level-Lasertherapie zeigten moderate Verbesserungen der Beschwerden. Insgesamt gilt: Eine schnelle Spontanremission ist nicht zu erwarten, aber in einer Follow-Up-Studie zeigte sich nach jeder individuellen Behandlung eine Verbesserung nach 16 Wochen.
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