Bei der Behandlung der Herzinsuffizienz hat sich einiges getan – seid ihr noch auf dem neuesten Stand? Wir stellen euch die wichtigsten Änderungen vor.
„Vor 20 Jahren war die Diagnose Herzinsuffizienz sehr traurig: Wir haben ACE-Hemmer gegeben, vielleicht noch ß-Blocker und wussten, dass der Patient bald sterben wird. Das ist heute anders.“ So beschreibt Kardiologie Prof. Jan-Malte Sinning den großen Fortschritt in der Behandlung von Herzinsuffizienzen. Und gerade in den letzten Jahren hat sich da viel getan. In der DocCheck CME-Veranstaltung „Im Dreiklang: Pankreas, Herz und Nieren“ gibt Sinning einen Überblick über die wichtigsten Punkte.
Seit 2021 gibt es eine ESC-Leitlinie zur Herzinsuffizienz und 2023 gab es nochmal ein Leitlinien-Update, um die neuesten Entwicklungen aufzunehmen. Zu beidem gibt es einen deutschen Kommentar, der frei verfügbar ist – also auch für Hausärzte ohne Probleme einsehbar. In diesen Richtlinien ist klar erklärt, wie vorzugehen ist, wenn man bei einem Patienten eine Herzinsuffizienz vermutet. Eine Übersicht aus den Pocket-Leitlinien ist hier gezeigt.
ESC Pocket Guideline: Akute und chronische HerzinsuffizienzCredit: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie.
Wichtig ist, dass eine Herzinsuffizienz mittlerweile in drei weitere Phänotypen unterteilt wird: Hat der Patient eine EF ≥ 50 %, handelt es sich um eine HFpEF (Heart Failure with preserved EF), hat er eine EF von 41–49 %, ist es eine HFmrEF (Heart Failure with midly reduced EF) und hat er eine EF ≤ 40 %, handelt es sich um eine HFrEF (Heart Failure with reduced EF).
Dann stellt Sinning noch einen Patienten-Fall mit einer sogenannten HFimpEF vor: Heart Failure with improved EF. Bei der initialen Diagnose hatte er eine EF von 28 % – also eine HFrEF. Weitere Untersuchungen zeigten das Vorliegen einer Tachymyopathie, woraufhin eine Ablation durchgeführt wurde. Daraufhin normalisierte sich die Pumpfunktion wieder und die EF stieg auf 59 %. Sinning betont aber: „Der Patient hat sich deutlich verbessert, aber – und das ist sehr wichtig – die Diagnose Herzinsuffizienz sollte nicht vergessen werden.“
Im Anschluss spricht Sinning über die Therapie einer Herzinsuffizienz und kommt – genau wie der Nephrologe und der Diabetologe dieser CME-Veranstaltung – nicht um die „New Kids on the Block“, nämlich die SGLT-2-Inhiboren, herum. In den neuen Leitlinien gibt es eine Klasse-I-Empfehlung für Dapagliflozin und Empagliflozin als gleichwertige Alternative und dieser Zusatz hat die Behandlung einer Herzinsuffizienz deutlich verbessert. In mehreren Metaanalysen wurde einstimmig gezeigt, dass die Gabe von SGLT-2-Inhibitoren die Rate an Hospitalisierung und Tod unter Herzinsuffizienz-Patienten senkt. „Wenn man alle Studien zusammenpackt, ergibt es eine Reduktion um etwa 23 % dieser ungewünschten Endpunkte“, fasst Sinning zusammen. Zudem scheinen sie unabhängig von der EF zu wirken und helfen sowohl bei einer HFrEF als auch bei einer HFpEF.
Doch es hat sich noch mehr verändert: Früher war bei einer HFrEF vorgesehen, den Patienten schrittweise an die Medikamente zu gewöhnen. Dafür wurde ein neues Medikament gegeben und alle zwei Wochen gesteigert. Erst wenn dieses Medikament bei der Soll-Dosis angekommen war, wurde ein neues hinzugezogen. Begonnen wurde mit ACE-Inhibitoren bzw. Angiotensin-Rezeptor-Blockern, dann kamen Beta-Blocker, anschließend MRAs (Mineralocorticoid Receptor Antagonists), danach ARNIs (Angiotensin Receptor Neprilysin Inhibitor) und zuletzt die SGLT-2-Inhibitoren. Insgesamt dauert das Prozedere 6 Monate oder mehr – „das hat sich natürlich nie durchgesetzt“, kommentiert Sinning.
Mittlerweile sind für die Behandlung nur noch vier Medikamentenklassen empfohlen – die „Fantastic Four“, wie Sinning sie nennt. Dazu gehören im ersten Schritt Beta-Blocker und SGLT-2-Inhibitoren, im zweiten Schritt ARNIs und im dritten und letzten Schritt MRAs. Und noch etwas ist anders: Die Einnahme aller Medikamente kann innerhalb von vier Wochen begonnen werden, meist noch während des stationären Aufenthalts. „Idealerweise kommt der Patient anschließend in die Hausarztpraxis und nimmt schon alle vier“, sagt Sinning. Auslöser für diese Änderung war eine Studie, die eine relative Risikoreduktion von 34 % bei Patienten, die schnell alle Medikamente bekamen, gezeigt hat.
„Anders als bei einer HFrEF sind die Risikofaktoren einer HFpEF alles Sachen, die im Alltag eine Rolle spielen“, erklärt Sinning. Dazu gehört zum Beispiel das Alter, Übergewicht, Hypertonie oder Diabetes. „Sie können sich merken“, vereinfacht Sinning, „wenn ein Patient über 60 ist, einen BMI über 30 hat, Vorhofflimmern hat und Antihypertensiva nimmt, dann hat er auf jeden Fall eine HFpEF.“ Zudem gibt es noch einige weitere Komorbidität, darunter Schlafapnoe und chronische Nierenerkrankungen. Eine gesicherterte Diagnose verläuft wie bei den anderen Herzinsuffizienzen auch über die natriuretischen Peptide und Echokardiografie.
Doch Sinning räumt auch ein: „Man hat sich schon gefragt, warum soll ich das überhaupt durchdiagnostizieren, ich kann doch in jedem Fall eh nur Diuretika geben.“ Denn das war die einzige Empfehlung der Leitlinie von 2020. Aber mit dem Update in 2023 hat sich das geändert: Nun wird auch die Gabe der SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin oder Empagliflozin empfohlen. Daneben sollte man natürlich immer auch die Ätiologie und Komorbiditäten behandeln.
Zum Abschluss stellt Sinning noch die chinesische Quest-Studie vor, in der die Effekte von traditioneller Behandlung mit einem Kräutermix gegen Herzinsuffizienz untersucht wurde (wir berichteten). Die Mischung wurde zusätzlich zu den empfohlenen Arzneimitteln gegeben und konnten die Rate an Hospitalisierungen und Versterben tatsächlich senken. „Ob das jetzt das neue Medikament hier in Europa sein wird, weiß ich nicht“, sagt Sinning. „Ich will damit nur sagen: Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange. Es gibt noch viel Platz für neue Substanzen.“
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