Was bringt Apixaban bei Schlaganfällen mit unklarer Ursache, wie schädigen Viren das Hirn und kann Viagra die grauen Zellen schützen? Diese Themen gibt’s in unseren Neuro-News.
Viagra, die berühmte blaue Pille für Männer mit erektiler Dysfunktion, könnte nicht nur bei Potenzproblemen auf die Sprünge helfen. Wie eine Studie in Neurology jetzt zeigt, scheint die Einnahme von Phosphodiesterase-Typ-5-Inhibitoren (PDE-5-Hemmer) auch das Risiko für Alzheimer zu senken. Klingt absurd? Werfen wir einen Blick in die Studie.
Die Forscher aus dem Vereinigten Königreich analysierten darin die Daten von rund 269.000 Männern über 40 Jahren, bei denen eine erektile Dysfunktion neu diagnostiziert wurde. Sie schlossen diejenigen Probanden aus, die bereits an Demenz oder kognitiver Beeinträchtigung litten. Von den Teilnehmern wurde bei 1.119 im Verlauf der Studie Alzheimer diagnostiziert. Doch Männer, die PDE-5-Hemmer einnahmen, hatten ein signifikant geringeres Risiko, an Alzheimer zu erkranken, im Vergleich zu denen, die sie nicht einnahmen. Diejenigen, die sogar mehr als 20 Verschreibungen erhielten, hatten das niedrigste Risiko.
„Die Rolle der Stickoxid-Neurotransmission bei der Konsolidierung, Kodierung und Abrufung von Gedächtnisinhalten ist seit einigen Jahren bekannt“, kommentiert Dr. Francesco Tamagnini, Neurophysiologe an der Reading School of Pharmacy, University of Reading, die Ergebnisse. „Stickstoffmonoxid ist sowohl an der peripheren erektilen Funktion (durch Vermittlung der Vasodilatation) als auch zentral bei der kognitiven Funktion beteiligt, indem es die neuronale Funktion moduliert.“
In der Theorie sei es daher möglich, dass die Förderung der stickstoffmonoxidvermittelten Übertragung die Gedächtnisfunktion verbessern könnte, aber „die Frage bleibt, ob die beobachtete Assoziation einen direkten Effekt beschreibt“, so Tamagnini weiter. Auch die Studienautoren selbst geben zu bedenken, dass die Ergebnisse keinen kausalen Zusammenhang zeigen. Sie wollen nun randomisierte Studien durchführen, die beide Geschlechter einschließen, um die Rolle von PDE-5-Hemmern bei der Vorbeugung von Alzheimer beurteilen zu können.
Eine nicht erkannte atriale Kardiomyopathie kann einen Teil der vielen ischämischen Schlaganfälle erklären, die als kryptogen eingestuft werden. Meist sind diese Patienten jung und haben ein erhöhtes Risiko für erneute Schlaganfälle. In der ARCADIA-Studie, die in JAMA erschienen ist, haben Forscher nun untersucht, ob diese Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und atrialer Kardiomyopathie von der Gabe oraler Antikoagulantien profitieren, auch wenn es bei ihnen keine Hinweise auf Vorhofflimmern gibt.
In der Studie untersuchten Forscher bei knapp 1.000 Patienten unter 45 Jahren diese Hypothese. Die Probanden erhielten entweder Apixaban oder die Standardbehandlung Acetylsalicylsäure (ASS). Doch wie sich herausstellte, hatten Patienten in beiden Gruppen die gleiche Schlaganfallrate von 4,4 % – Apixaban war ASS also nicht überlegen.
Die Forscher spekulieren, dass ihre Hypothese nicht bestätigt wurde, weil sie ihre Behandlung an den falschen Patienten getestet haben: In die Studie wurden Patienten aufgenommen, die einen von drei Biomarkern für atriale Kardiomyopathie aufwiesen, die alle mit dem Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht wurden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass andere Faktoren wie Atherosklerose, Rauchen oder Hypertonie für die ungeklärten Schlaganfälle der Teilnehmer verantwortlich waren. In diesem Fall hätte eine gezielte Behandlung der atrialen Kardiopathie keinen großen Einfluss auf die Verhinderung weiterer Schlaganfälle.
Bislang ist unklar, wie genau akute virale Infektionen wie Zika oder COVID-19 für neurologische Schäden verantwortlich sind. Kanadische Forscher bringen jetzt Licht ins Dunkel: In Nature Communications berichten sie, dass nicht das Virus selbst, sondern die Reaktion des Immunsystems dahintersteckt.
In Experimenten mit Mäusen, die mit dem Zika-Virus infiziert waren, haben die Forscher herausgefunden, dass die Schwere der neurologischen Schäden nicht mit den Virustitern im Hirn der Mäuse korrelierte. Vielmehr korrelierten die Schäden mit bestimmten T-Zellen, die sich nicht normal verhielten – die sogenannten NKG2D+CD8+-T-Zellen. Diese aggressiven Immunzellen griffen auch Zellen an, die nicht mit dem Virus infiziert waren.
„Unsere Beweise legen nahe, dass nicht das Virus selbst, sondern eine einzigartige Population von T-Zellen, die Teil des Immunsystems sind, tatsächlich für den Schaden verantwortlich sind“, erklärt Elizabeth Balint, Ko-Autorin der Studie und Doktorandin an der McMaster University. Die aggressive Reaktion ist das Ergebnis der Produktion großer Mengen Zytokine, die dazu beitragen, die Reaktion des Körpers bei der Bekämpfung einer Infektion oder Verletzung zu koordinieren. Diese NKG2D-vermittelte Neurotoxizität ließe sich laut der Autoren als Therapieziel nutzen – erste Versuche mit entsprechenden Antikörpern zeigten im Mausmodell schon vielversprechende Ergebnisse.
Quellen:
Adesuyan et al. Phosphodiesterase Type 5 Inhibitors in Men With Erectile Dysfunction and the Risk of Alzheimer Disease. Neurology, 2024. doi: 10.1212/WNL.0000000000209131
Kamel et al. Apixaban to Prevent Recurrence After Cryptogenic Stroke in Patients With Atrial Cardiopathy: The ARCADIA Randomized Clinical Trial. JAMA, 2024. doi: 10.1001/jama.2023.27188
Balint et al. Bystander activated CD8+ T cells mediate neuropathology during viral infection via antigen-independent cytotoxicity. Nat Commun, 2024. doi: 10.1038/s41467-023-44667-0
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