Die neue AWMF-Leitlinie zur nicht-hormonellen Empfängnisverhütung beinhaltet Empfehlungen, die sich an aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft orientieren. Mehr dazu hier.
In den letzten Jahren ist in Bezug auf die Wahl der Verhütungsmethode eine deutliche Trendwende zu beobachten: Während über Jahrzehnte hinweg die „Pille“ die am häufigsten angewendete Verhütungsmethode in Deutschland war, wird die hormonelle Verhütung seit einiger Zeit zunehmend kritischer gesehen und abgelehnt. Frauen suchen nach Alternativen und Männer tragen mittlerweile mehr Verantwortung bei der Familienplanung. Kondome werden inzwischen häufiger zur Verhütung genutzt als die Pille.
Bei der Wahl der Verhütungsmethode gibt es stets Kriterien, die zu beachten sind. Dabei stellen die Zuverlässigkeit einer Methode, die möglichen Nebenwirkungen inklusive der Umkehrbarkeit der Methode, die Akzeptanz der Methode und deren Verfügbarkeit, zu der beispielsweise die Kosten zählen, bedeutende Faktoren dar. Eine weitere große Rolle spielen auch mögliche Auswirkungen auf die Sexualität und Libido. Die Wahl der richtigen Verhütungsmethode kann sich im Laufe des Lebens verändern. Entscheidend ist immer die Effektivität der Methode.
Methoden wie hormonelle Kontrazeptiva, die natürliche Familienplanung oder Barriere-Methoden, bei denen die Effektivität auf einer konsistenten und korrekten Anwendung basiert, haben daher eine größere Spannbreite zwischen Gebrauchs- und Methodensicherheit als solche, die anwenderunabhängig wirksam sind. Hierzu gehören die Sterilisation, die Einlage von Spiralen oder hormonfreisetzende Implantate. Die Einflussfaktoren auf die Gebrauchssicherheit einer Methode sind dabei vielfältig. Um Paaren bzw. Anwender die notwendige Beratung anbieten zu können, sind Ärzte aufgefordert, ihr Wissen um nicht-hormonelle Kontrazeptiva zu intensivieren.
Federführend erstellt wurde die Handlungsempfehlung von den Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zielgruppe der S2k-Leitlinie sind Behandelnde von sexuell aktiven Personen im reproduktiven Alter.
Die Handlungsempfehlung thematisiert konkret unterschiedliche Methoden der nicht-hormonellen Verhütung. So geht es anfangs um die „Natürliche Familienplanung“, die sich mit Methoden der Zyklusbeobachtung auseinandersetzt. Dabei wird betont, dass jeder Methode die gleiche Intention vorausgehe, die Effektivität jedoch jeweils unterschiedlich sei. Die Methoden der Natürlichen Familienplanung seien bei korrektem Erlernen anwendbar, doch man sollte auf Sonderregeln achten, die je nach individueller Lebenssituation variieren können. Zu diesen Situationen gehören beispielsweise die Zeit nach der Geburt, die Stillzeit sowie die Perimenopause, aber auch die Anwendung von Medikamenten, die den Zyklus beeinflussen.
„Die Einflussfaktoren auf die Gebrauchssicherheit einer Methode sind vielfältig: Motivation, Qualität der Informationsvermittlung, Sexualverhalten in der fruchtbaren Zeit. Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass viele Paare während der fertilen Phase teilweise eine zusätzliche kontrazeptive Methode anwenden, z.B. eine Barrieremethode,“ sagt Dr. Bettina Böttcher.
Weiterhin behandeln die Experten die sogenannte Laktationsamenorrhoe, die sich hauptsächlich an Frauen richtet, die ihr Neugeborenes stillen. Diese Methode sei bis zu 98 % sicher, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
Des Weiteren werden Barrieremethoden angeführt, die Kondome für Männer und für Frauen einschließen, sowie Diaphragma und Portiokappen. Da bei Sexualität auch stets das Risiko von sexuell übertragbaren Infektionen einbezogen werden sollte, wird an dieser Stelle zusätzlich erwähnt, dass die konsistente und korrekte Anwendung des Kondoms effektiv das Risiko für HIV und STI wie Chlamydien, Gonorrhoe oder Trichomoniasis reduziert. Betont wird, dass die Vermittlung von Wissen zu Barriere-Methoden für Männer und Frauen in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung stärker beachtet werden sollte.
„Coitus interruptus“ wird das rechtzeitige Herausziehen des Penis aus der Vagina bezeichnet, was in Fachkreisen zwar grundsätzlich nicht als Verhütungsmethode bewertet, im Alltag jedoch oft von Paaren angewendet wird. Aus diesem Grund wird auch diese Möglichkeit erörtert. Der Entschluss stellt allerdings dar, dass diese Methode nicht empfohlen werden sollte.
Natürlich dürfen in derartigen Betrachtungen auch die intrauterinen Verhütungsmethoden nicht fehlen, zu denen die hormonfreien kupferfreisetzenden Pessare, zum Teil mit Legierungen Silber und Gold, in unterschiedlichen Formen zählen. Diese Arten der Kontrazeption sind sehr effektiv. Deshalb soll auch die Nutzung intrauteriner Verhütung in die Beratung von Patienten eingebunden werden.
Zuletzt wird das Thema „Sterilisation“ besprochen, welches sowohl für Frauen als auch für Männer als sicheres Verfahren gilt. Es gibt jeweils verschiedene operative Vorgänge, die durchgeführt werden können. Die Wahl der Methode hängt im Wesentlichen von der operativen Erfahrung, dem zur Verfügung stehenden Material, der Möglichkeit der Vollnarkose, den Kosten sowie dem Zeitpunkt ab. Über die Optionen der weiblichen und männlichen Sterilisation, einschließlich der Sicherheit der Methode, Risiken und Nebenwirkungen soll aufgeklärt werden.
„Die Sterilisation ist ein sehr sicheres Verfahren, das Frauen und Männern vorbehalten sein sollte, die eine definitive Kontrazeption wünschen, da von einer erfolgreichen Refertilisierung nicht sicher ausgegangen werden kann, sagt Prof. Sabine Segerer.
Jede der genannten Kontrazeptionsmethoden wird individuell ausführlich diskutiert, wobei stets Vorteile und Einschränkungen betrachtet und aufgelistet werden. An der Erstellung der insgesamt 175 Seiten umfassenden Handlungsempfehlung waren Autoren aus 15 Fachgesellschaften beteiligt. Eine Patientenversion ist derzeit in Arbeit.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. Die Originalpublikation findet ihr hier.
Bildquelle: Reproductive Health Supplies Coalition, Unsplash