Stress ist ein starker Auslöser für übermäßigen Alkoholkonsum und Rückfälle bei Alkoholabhängigkeit. Doch welche neurobiologischen Prozesse spielen dabei eine Rolle – und was hat die Insula damit zu tun?
Eine von Forschern des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim durchgeführte randomisierte, kontrollierte Neuroimaging-Studie hat die Auswirkungen von Stress auf die neuronale Reaktivität auf Alkoholreize und das Suchtverhalten untersucht. Dabei wurden 98 Personen mit Alkoholproblemen untersucht. Die Studie nutzte funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI), um die Gehirnaktivität zu messen, nachdem die Teilnehmer psychosozialem Stress, körperlichem Belastungsstress oder Kontrollbedingungen ausgesetzt waren. Zudem wurden das Alkoholverlangen und der Spiegel des Stresshormons Cortisol ermittelt. Während einer zwölfmonatigen Nachbeobachtungsphase haben die Forscher zusätzlich Daten zum Alkoholkonsum erfasst.
Die Ergebnisse zeigen, dass psychosozialer Stress eine erhöhte Aktivierung der linken Insula auslöst. Diese stressinduzierte Aktivierung zeigt sich im Gehirn der Teilnehmer spezifisch beim Betrachten von Bildern mit Alkohol und nicht bei neutralen Bildern. Zudem korrelierte die Aktivierung in der Insula mit einem verstärkten Alkoholverlangen und einem erhöhten Alkoholkonsum bei den Teilnehmern. Interessanterweise war diese Sensibilisierung der Insula-Aktivierung nur in der Gruppe, die dem psychosozialen Stress ausgesetzt war, zu beobachten.
„Diese Ergebnisse unterstreichen den signifikanten Einfluss, den psychosozialer Stress auf neuronale Reaktionen nach Alkoholreizen und das anschließende Suchtverhalten hat“, sagt Dr. Patrick Bach, Leiter der Arbeitsgruppen Neuroenhancement und Verhaltenssüchte am ZI. Frühere neurowissenschaftliche Studien haben die Insula bereits mit dem Rauchverlangen in Verbindung gebracht. Nun hat sich gezeigt, dass sie auch beim Alkoholverlangen eine zentrale Rolle spielt, insbesondere unter psychosozialen Stressbedingungen.
Die Studie trägt dazu bei, die neurobiologischen Grundlagen von Alkoholabhängigkeit besser zu verstehen. „Unsere Ergebnisse können für die Entwicklung von neuen Behandlungen interessant sein, insbesondere um einen präzisionsmedizinischen Ansatz für stressbedingtes Trinken zu finden“, sagt Bach. Das Wissen um die Rolle der Insula könnte auf diese Weise die Entwicklung gezielterer Therapien ermöglichen, die die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen bei stressbedingtem Trinken beeinflussen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI). Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Charles “Duck“ Unitas, unsplash