Eine einfache Blutuntersuchung, mit der sich Alzheimer sicher diagnostizieren lässt – davon träumen Ärzte und Patienten schon lange. Ein neuer Bluttest ist auf dem besten Weg, diesen Meilenstein zu erreichen. Lest hier, was ihr dazu wissen müsst.
Eine akkurate Diagnosestellung bei der Alzheimer-Erkrankung ist aufwendig und teuer. Bisher erhalten deshalb nur die wenigsten Patienten mit dementiellen Symptomen eine Diagnostik nach dem Gold-Standard. Die Entwicklung einer einfachen und in der Breite verfügbaren Blutuntersuchung, die eine Alzheimer-Erkrankung nachweisen kann, wäre deshalb ein Meilenstein. Diesem Ziel ist eine neue Studie einen großen Schritt nähergekommen.
Weltweit sind über 50 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen, bei den meisten (ungefähr zwei Drittel) ist die Demenz durch die Alzheimer-Erkrankung verursacht. Bislang sind in Deutschland nur symptomatische medikamentöse Therapien zugelassen. In den USA hingegen ist mit dem Anti-Amyloidantikörper Lecanemab bereits die erste krankheitsmodifizierende Therapie verfügbar, mit der Zulassung in Europa wird in diesem Jahr gerechnet. Auch wenn der therapeutische Nutzen von Lecanemab begrenzt ist, stellt dies einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung neuer Therapien für die Alzheimer-Erkrankung dar. Aufgrund von vielen weiteren Medikamenten-Kandidaten in der Pipeline besteht die Hoffnung, dass in Zukunft immer besser direkt in die Krankheitsentstehung eingegriffen werden kann und so die Entstehung und das Voranschreiten von Symptomen effektiv verzögert werden kann.
Die neuen therapeutischen Möglichkeiten bringen auch neue Anforderungen an die Diagnostik mit sich. Um herauszufinden, welche von kognitiven Einschränkungen betroffenen Patienten von den neuen zielgerichteten Therapien profitieren könnten, muss die zugrundeliegende Pathologie nachgewiesen werden. Nicht jeder Patient mit kognitiven Einschränkungen leidet schließlich an einer Alzheimer-Erkrankung.
Auch derzeit kann die Diagnose einer Alzheimer-Erkrankung bereits mit einer hohen diagnostischen Sicherheit gestellt werden. Hierfür werden aber aufwendige Untersuchungsmethoden benötigt. Zum einen kann die der Alzheimer-Erkrankung zugrundeliegende Pathologie mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) nachgewiesen werden. Dabei werden Liganden verwendet, welche an die beiden Proteine Amyloid-β und Tau binden. So können die pathophysiologischen Korrelate der Alzheimer-Erkrankung, die extrazellulären Ablagerungen von Amyloid-β-Plaques sowie die intrazellulären Ablagerungen von pathologischem Tau-Protein, mittels Bildgebung dargestellt werden.
Alternativ zur Diagnosestellung mittels PET steht die Liquordiagnostik zur Verfügung, hier wird die Menge an Amyloid-β-42, der Quotient aus Amyloid-β-42/Amyloid-β-40 (bei Alzheimer vermindert) sowie das an Stelle 181 phosphorylierte Tau (bei Alzheimer erhöht) bestimmt. Für die Liquordiagnostik ist eine aufwendige und für den Patienten oft unangenehme Lumbalpunktion erforderlich. Eine gleichzeitig praktische, kostengünstige und nicht-invasive Methode, um Alzheimer zu diagnostizieren, ist bislang nicht in der Breite verfügbar.
Aus dieser Not heraus wird seit langem nach verlässlichen Biomarkern gesucht, die im Blut nachweisbar sind und mit denen sich die Alzheimer-Erkrankung mit einer ähnlichen Sicherheit diagnostizieren lässt, wie mit den bereits etablierten Methoden PET und Liquor. Der vielversprechendste Kandidat ist dabei das an Stelle 217 phosphorylierte Tau-Protein (p-Tau217). Im Blut bestimmtes p-Tau217 kann die Alzheimer-Erkrankung von anderen neurodegenerativen Erkrankungen mit großer Sicherheit unterscheiden, die Alzheimer-Pathologie kann mit diesem Test auch schon im frühen Stadium des „mild cognitive impairment“ (MCI) nachgewiesen werden. Zudem korreliert die Höhe des p-Tau217 im Krankheitsverlauf mit einer zunehmenden Gehirnatrophie und abnehmender kognitiver Leistungsfähigkeit. Der Biomarker wäre also auch für die Bewertung des Krankheitsverlaufs und in Zukunft eventuell für das Therapie-Monitoring nützlich.
Ein geeigneter im Blut bestimmbarer Biomarker ist also gefunden, die breite klinische Anwendung scheiterte bisher an der mangelnden Verfügbarkeit kommerziell erhältlicher Tests mit einer nachgewiesenen hohen diagnostischen Sicherheit. Dies könnte sich mit einer kürzlich in JAMA Neurology erschienenen Studie ändern.
In der Studie wurde der kommerziell verfügbare ALZpath p-Tau217-Test an insgesamt 786 Teilnehmern aus drei verschiedenen Kohorten getestet. Bei allen Teilnehmern war der Amyloid-Status aus PET oder Liquor bekannt, zusätzlich bei den meisten (> 90 %) auch der Tau-Status. 54 % hatten weder eine Amyloid- noch eine Tau-Pathologie (A-T-), 14 % eine Amyloid-Pathologie ohne Tau-Pathologie (A+T-) und 22 % sowohl eine Amyloid- als auch eine Tau-Pathologie (A+T+). Bei Anwendung des neuen Tests zeigte sich eine gute Übereinstimmung mit den etablierten Diagnoseverfahren PET und Liquordiagnostik. Der Test konnte sowohl einen pathologischen Amyloid-Status als auch einen pathologischen Tau-Status im PET vorhersagen. Die diagnostische Sicherheit des Tests war dabei vergleichbar mit den etablierten im Liquor bestimmten Parametern.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass der neue Test die Alzheimer-Diagnostik in der Praxis grundlegend verbessern kann. Viele Patienten mit dementiellen Symptomen bekämen bislang aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit keine ausreichende Diagnostik. Für diese Patienten böte der Test eine gute Möglichkeit, die Verdachtsdiagnose einer Alzheimer-Erkrankung zu bestätigen und so eine adäquate zielgerichtete Therapie zu erhalten. Bei einigen Studienteilnehmern waren die Ergebnisse des neuen Tests grenzwertig, so dass in diesen Fällen weiterhin eine ergänzende Diagnostik mittels PET oder Liquor nötig gewesen wäre. Dies beträfe aber maximal 20 % der Patienten, so dass sich die Notwendigkeit der aufwändigen Untersuchungen deutlich reduzieren würde.
Quelle
Ashton et al. Diagnostic Accuracy of a Plasma Phosphorylated Tau 217 Immunoassay forAlzheimer Disease Pathology. JAMA Neurol, 2024. doi: 10.1001/jamaneurol.2023.5319.
Bildquelle: César Couto, Unsplash