Geht es um Hormone in den Wechseljahren, taucht immer wieder die Frage nach einer Testosterontherapie auf. Es gibt kein zugelassenes Präparat und selbst Experten äußern sich zurückhaltend. Mehr dazu hier.
Neben vielen anderen Symptomen beklagen Frauen in den Wechseljahren häufig einen Libidoverlust, der ihre Partnerschaft belastet. Die Frage nach einer Testosterontherapie bleibt nicht aus, wird aber selbst unter Experten kontrovers diskutiert. Bis 2010 gab es in Deutschland für Frauen ein Testosteronpflaster, dessen Vertrieb wegen aufkommender Zulassungshürden wieder eingestellt wurde. Seitdem ist nur ein Testosterongel erhältlich, das in der Apotheke auf Selbstkostenbasis individuell hergestellt und im Off-Label-Use für Frauen rezeptiert werden kann.
Dr. Katrin Schaudig, Hormonexpertin aus Hamburg und Präsidentin der Deutschen Menopausen Gesellschaft, behandelt in ihrem aktuellen Podcast wichtige Fakten zur Testosterontherapie. „Wir brauchen das Testosteron schon für eine Menge von Körperfunktionen. Aber die Gleichung, wir brauchen Testosteron damit es uns gut geht, kann man leider so nicht sagen“, meint Schaudig. Testosteron ist wichtig für Muskeln, Knochen und auch für die Sexualität. Aber es verbessere nicht automatisch die psychische Situation.
Die höchste Testosteronmenge produziert der weibliche Körper in der Adoleszenz, also zwischen dem 14. und 20. Lebensjahr. Anders als die weiblichen Sexualhormone sinkt Testosteron nicht rapide in den Wechseljahren, sondern nimmt ab dem 20. Lebensjahr kontinuierlich ab. Somit ist in den Wechseljahren im Gegensatz zum Östrogen, das ebenfalls für eine erfüllte Sexualität steht, kein dramatischer Abfall zu verzeichnen. Frauen verfügen im Vergleich zu Männern nur über ein Zehntel der Testosteronmenge, die hauptsächlich in den Ovarien gebildet wird. Deshalb sinkt der Wert bei einer frühzeitigen Ovarektomie stark und man könnte gerade hier durch eine Testosterontherapie die abgefallene Libido wieder erhöhen, so die Expertin.
Ihrer Erfahrung nach sind Probleme der weiblichen Sexualität ein sehr komplexes Thema und ließen sich keinesfalls automatisch über eine Testosterontherapie lösen. „Viel Testosteron gleich viel Libido stimmt nicht“, hält Schaudig einer zu hohen Erwartungshaltung entgegen. Eine differenzierte Sexualanamnese, Stressfaktoren, Partnerschaftskonflikte und psychosomatische Erkrankungen sollten immer miteinbezogen werden, wenn es um Libidoverlust geht. In Einzelfällen hält sie eine gut überwachte Testosterontherapie unter regelmäßigen Laborkontrollen für sinnvoll und zielführend, was die Libido betrifft. Ein industriell einheitlich hergestelltes Produkt würde sie befürworten, hält eine Kassenleistung in naher Zukunft aber für unwahrscheinlich.
Das in den Wechseljahren häufig beklagte Abhandenkommen von Power und Antrieb ließe sich aber nicht automatisch mit Testosteron beseitigen. Das belege auch die Studienlage. Auf die Frage, ob Testosteron in den Wechseljahren nicht auch vorteilhaft für den Muskelaufbau sei, meint Schaudig: „Ja, es ist tatsächlich gut für unsere Muskeln […], das ist dann aber Doping.“
Im Lancet wurde eine australische Metaanalyse zum Thema Libidoverlust in der Postmenopause veröffentlicht. In 36 randomisierten und kontrollierten Studien wurde bei 8.480 Teilnehmerinnen, die sich mehrheitlich in der Postmenopause befanden, entweder ein Testosteronpräparat, eine herkömmliche Hormonersatztherapie oder ein Placebo angewandt. Der Untersuchungszeitraum fand zwischen Januar 1990 und Dezember 2018 statt, die Therapiedauer betrug mindestens 12 Wochen.
Probandinnen, die eine Testosterontherapie erhielten, gaben eine signifikante Steigerung ihrer Libido an. Es wurde ein erfüllteres Sexualleben bezüglich Reizschwelle, Häufigkeitsbedürfnis und individueller Erlebnisfähigkeit beschrieben. „Testosteron wirkt direkt im Gehirn und beeinflusst zentral sexuelle Funktionen (Libido, sexuelle Fantasien und Gedanken), außerdem steigert es den genitalen Blutfluss und lässt damit Frauen Erregung und Orgasmen besser spüren“, so Susan David, Mitautorin der Studie.
Die Studie hat, neben dem offensichtlichen Benefit bezüglich der eindeutigen Verbesserung sexueller Zufriedenheit, aber auch weniger erwünschte Effekte gezeigt. Es kam zu allgemeiner Gewichtszunahme, Akne und unerwünschte Auswirkungen auf den Haarwuchs. Die orale Verabreichung von Testosteron führte zu einem signifikanten Anstieg von LDL-Cholesterin und einer Abnahme von HDL-Cholesterin, was eine Gefährdung des Herz-Kreislauf-Systems verursachen kann. Bezüglich Stimmungsschwankungen, Gedächtnisleistung oder Knochendichte wurden keine Veränderungen wahrgenommen, wobei die Auswertungsdaten für diese Merkmale gering waren.
„Dies ist die erste Studie, die den Einsatz von Testosteron für irgendetwas anderes als zur Libidosteigerung widerlegt, es sei denn, zukünftige Studien zeigen einen anderen Nutzen“, so Davis. Leider würden viele Frauen in den USA und Australien mit Testosteron aufgrund von Depression oder anderer gesundheitlicher Gründe therapiert. Außerdem, so Davis, gäbe es keine Präparate speziell für postmenopausale Frauen. Deshalb werden Medikamente, die nur für Männer zugelassen sind, verabreicht. Dies sei unsicher und ineffektiv.
Die Leitlinie Peri- und Postmenopausen-Diagnostik und Interventionen widmet in ihren 158 Seiten nur folgenden Absatz der Testosterontherapie:
„Androgene kommen zur Therapie peri- und postmenopausaler Frauen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz. Eine transdermale Testosterontherapie kann bei Libido-Störungen nach entsprechender psychosexueller Exploration angewendet werden. […] Testosteronhaltige transdermale Applikationsformen in adäquater Dosierung stehen in Deutschland nicht zur Verfügung. Nach unten angeführtem Beispiel können testosteronhaltige Gels von Apotheken angefertigt werden. Patientinnen müssen vor deren Anwendung über den ‚off label use‘ aufgeklärt werden. Überdosierungen sollen vermieden werden. Dazu sind klinische Symptome wie z. B. Hirsutismus, Stimmveränderungen, unerwünscht starke Libidosteigerungen u. a. zu beachten. Testosteronbestimmungen sollten durchgeführt werden. Der Spiegel sollte nicht über dem weiblichen Normbereich liegen.“
Angefügt ist eine Dosierungsanweisung für mikronisiertes Testosteron auf Liposomengrundlage mit 3 mg pro Hub.
In Deutschland gibt es derzeit kein Präparat, das zur Testosterontherapie bei Frauen zugelassen ist, obwohl ein Benefit besonders bei frühzeitig ovarektomierten Frauen beschrieben ist. In Einzelfällen kann eine Testosterontherapie, nach Betrachtung aller anderen Ursachen, erfolgreich gegen Libidoverlust eingesetzt werden. Alternativ gibt es seit 1. Juli 2016 mit Remisens® ein pflanzliches Präparat aus Damianablätter-Trockenextrakt im Handel. Es ist ein bereits länger bekanntes Aphrodisiakum, welches den Testosteronspiegel im Körper erhöhen soll. Ein nicht geringer Placeboeffekt wird diskutiert.
Selbst wenn eine baldige Zulassung für die weibliche Testosterontherapie von Vorteil wäre, bleibt eine differenzierte Sexualanamnese unter Einbeziehung von Stress-, Partner- und psychosomatischen Faktoren obligat. Weibliche Sexualität ist vielschichtig und Libidomangel bedeutet nicht automatisch Testosteronmangel.
Bildquelle: Polina Kuzovkova, Unsplash