Nicht jeder Krebspatient fühlt sich in der Klinik richtig aufgehoben. Die Vor- und Nachteile der Behandlung in einer Praxis oder Uniklinik hat unsere Bloggerin am eigenen Leib erlebt – und dabei den Arzt ihres Vertrauens gefunden.
Nach neun Jahren Behandlung in der Charité Berlin bin ich Ende letzten Monats in meine ursprüngliche Praxis zurückgegangen – die erste Chemo erhielt ich hier. Doch schnell wurde entschieden, dass ich nicht mehr weiter in den gemütlichen Räumen „auf dem Sonnendeck“ (wie ein lieber Mitpatient und ich immer sagten) therapiert werden sollte. Mein Non-Hodgkin-Lymphom war eine Nummer zu groß, wie mir mein Behandler gestand. Viertes Stadium und besonders aggressiv. Es bestand Gefahr, dass auch mein Gehirn betroffen sein könnte. „Sie sind ein besonderer Fall. Da müssen Menschen mit mehr Expertise drauf schauen. Das können wir hier nicht leisten.“
Was für ein Glück, dass er das so eingeschätzt hat. Er überwies mich in die Charité. Ohne diese souveräne und kompetente Entscheidung wäre ich nicht geheilt worden, da bin ich mir ganz sicher. Das war eine Weggabelung, die mir das Leben gerettet hat. Anmerkung an dieser Stelle: Ein Gradmesser für einen kompetenten Arzt ist in meinen Augen auch, ob er sich von anderen Kollegen Rat holt und um Unterstützung bittet. Und ob er mir sagen kann: „Da muss ich mich noch mal schlau machen, das kann ich Ihnen nicht spontan beantworten.“
Das war für mich umso erstaunlicher, weil meine Krebserkrankung erst gar nicht erkannt wurde, obwohl alle Vorzeichen einer B-Symptomatik vorlagen, die auf ein Lymphom hindeuteten. Alles begann mit einer fast fatalen Fehldiagnose. Hätte ich nicht entschieden, mich selbst in die Notaufnahme zu begeben, würde ich jetzt nicht fröhlich vor mich hin tippen. Long story short: Das Krankenhaus behielt mich gleich dort und da traf ich auf den Arzt, der mich dann glücklicherweise in die Charité überwies.
Eine meiner zahlreichen Erkenntnisse aus der Therapie ist: Es gehört oft einfach auch wahnsinnig viel Glück dazu, die für dich passende Adresse mit dem wissenschaftlichen Know-how zu finden, das zu deinem Fall passt. Mit jemandem, der die Behandlungserfahrungen gemacht hat, um die passende Therapie einzuleiten.
Wie wir alle wissen, kann Zeit ebenfalls ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche Behandlung sein, auch wenn es nicht immer um Stunden geht. Du weißt ja, in den wenigsten Fällen muss in den ersten 24 Stunden entscheiden werden, was zu tun ist. In meinen Worten möchte ich es so beschreiben: Bei meinem Non-Hodgkin-Lymphom war insofern Eile geboten, als es galt, gleich den richtigen Weg einzuschlagen und eine Ausdehnung des Lymphoms ins Gehirn zu vermeiden. Ob das jetzt medizinisch so richtig formuliert ist, weiß ich natürlich nicht. Ich bin keine Ärztin. Was ich aber weiß, ist, dass ich innerhalb von fünf Tagen vom kuscheligen Therapieraum auf die wenig heimelige Station einer Uniklinik wechselte. Das war ein ganz anderes Umfeld, aber darum soll es hier heute nicht gehen. Das lag schon länger hinter mir.
Jetzt saß ich in der U-Bahn und machte mich auf zum Termin in die alten Praxisräume. Mal kurz neun Jahre zurückspulen. Wie würde das sein? Hatte sich etwas verändert und wenn ja, wie? Ein bisschen komisch vielleicht, das zu lesen, aber ich hatte so ein warmes Gefühl, wie nach Hause zu kommen.
Und nun stand ich da, bekam einen Schauer nach dem anderen. Im Aufzug rannen mir die Tränen übers Gesicht. Ganz viele Bilder tauchten wieder auf. Situationen und Begegnungen, die ich fast vergessen hatte. Wie oft saß ich dort schon auf dem Bänkchen und konnte vor Schwäche nicht mehr stehen, hatte nicht gewusst, was eine Transportverordnung ist, wie das abläuft, wie die Krankmeldefristen sind und was überhaupt alles auf mich zukommen würde. Diese ganzen Formalien brachten mich am Anfang fast an meine Grenzen. Wie gut, dass mein Mann den Überblick behielt.
Jetzt war alles anders. Wilde Locken, fast zehn Kilo schwerer (damals wog ich gerade mal 66 Kilo bei 182 cm) mit viel Energie und einer klaren Idee stand ich vor der Anmeldung und flüsterte trotzdem fast ein wenig schüchtern: „Hallo, ich habe heute einen Termin bei Ihnen.“
Aber warum habe ich diesen Schritt überhaupt unternommen? Warum bin ich zurück? Ganz einfach, mein Behandler in der Charité hatte sich entschieden, sich selbstständig zu machen und Kompagnon in meiner alten Praxis zu werden. Was für ein Zufall. „Darf ich mitkommen?“, war meine spontane Reaktion, als er mir davon erzählte. Wie ein kleines Kind saß ich vor ihm und schaute ich ihn fragend an. „Na klar! Ich freue mich sehr.“ Noch ein Zufall war, dass ich schon länger überlegt hatte, aus der Uniklinik wegzugehen. Der Geruch, die kalten Flure, die vielen Patienten … ich hatte mich aber nicht getraut. Und jetzt das. Das Leben ist manchmal schon verrückt.
Vielleicht geht es dir gerade ähnlich und du überlegst auch, ob du nicht etwas verändern solltest. Dann habe ich eine kurze Checkliste für dich, die ich mir vor dem Wechsel aufgestellt habe.
Und wenn es mal eine Vertretung für meinen Behandler geben muss, dann ist das mein erster Arzt, der die Weitsicht und Größe hatte, sich mit meinem Fall an die Charité zu wenden. Ich denke, das passt alles so.
Wie machst du das? Wofür hast du dich entschieden und warum? Schreib mir das gerne in die Kommentare.
Mehr von der Autorin gibt es hier: Das Zellenkarussell.
Bildquelle: Kyle Glenn, unsplash