Gibt es bald einen neuen Platzhirsch in der Behandlung von Hypertonie? Zilebesiran konnte in früheren Studien bereits überzeugen – jetzt legt der Hersteller mit neuen Daten nach.
Das Journal of the American Medical Association hat die Ergebnisse einer Phase-II-Studie mit dem RNAi-Therapeutikum Zilebesiran publiziert. Die Phase-II-Studie KARDIA-1 ist eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte, multizentrische globale Dosisfindungsstudie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von subkutan verabreichtem Zilebesiran als Monotherapie bei Erwachsenen mit leichtem bis mittelschwerem Bluthochdruck. Die Ergebnisse zeigen, dass Injektionen des Mittels alle drei oder auch alle sechs Monate den Blutdruck nachhaltig senken können.
Zilebesiran ist eine interferierende Ribonukleinsäure (siRNA), die die Boten-RNA für Angiotensinogen, der Vorstufe des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, inhibiert. Zilebesiran ist eine synthetisierte kurze doppelsträngige RNA, die an den Zucker, GalNac, gebunden wird. GalNac wird über einen spezifischen Rezeptor (Asialoglycoproteinrezeptor, ASGPR) aufgenommen, der von Hepatozyten exprimiert wird. Hierdurch wird zum einen die intrazelluläre Aufnahme und zum zweiten eine Spezifität für die Leber vermittelt. Der Wirkstoff hemmt die Produktion von Angiotensinogen in der Leber.
Bereits in einer Phase-I-Studie hatte der Hersteller Alnylam® zeigen können, dass eine einmalige subkutane Injektion von Zilebesiran dosisabhängig sowohl den Angiotensinogen-Serumspiegel als auch den Blutdruck über 24 Wochen absenken konnte. Die jetzt erschienenen Ergebnisse der Phase-II-Studie KARDIA-1 bestätigen dies und grenzen den Dosisbereich, der nun in Folgestudien weiter untersucht werden soll, genauer ein.
An der Studie nahmen 394 Erwachsene teil, von denen mehr als 40 % weiblich und fast 25 % von schwarzer Hautfarbe waren und die an unbehandeltem Bluthochdruck litten oder eine stabile Therapie mit einem oder mehreren blutdrucksenkenden Medikamenten erhielten. Verglichen wurden in der KARDIA-1-Studie bei 377 auswertbaren Teilnehmern vier Dosisregime miteinander und mit Placebo: 150, 300 oder 600 mg Zilebesiran subkutan alle sechs Monate sowie 300 mg Zilebesiran alle drei Monate. Die Studie lief über sechs Monate. Allerdings wurde der primäre Wirksamkeitsendpunkt, die Veränderung des systolischen Blutdrucks in der ambulanten 24-Stunden-Messung, bereits nach drei Monaten erhoben. Die Sicherheit der Therapie wurde über sechs Monate verfolgt. In diesem Zeitraum traten bei 60,9 % der mit Zilebesiran behandelten Patienten und bei 50,7 Prozent der Patienten in der Placebogruppe Nebenwirkungen auf. Schwerwiegende Nebenwirkungen waren in der Placebogruppe mit 6,7 % häufiger als in den Verumgruppen mit 3,6 %.
Das Studienprotokoll sah vor, dass bei den Studienteilnehmern zunächst alle antihypertensiven Medikamente abgesetzt wurden. Nach einer angemessenen Auswaschphase sollte der systolische Blutdruck dann bei 135–160 mmHg liegen, was einer leichten bis mittelschweren Hypertonie entspricht. In den Zilebesiran-Gruppen war der Blutdruck drei Monate nach der Injektion abgesunken, in der Placebogruppe dagegen angestiegen. Der Blutdruck sank in der Gruppe mit der 150-mg-Dosierung durchschnittlich um 7,3 mmHg, in der Gruppe mit der 300-mg-Dosierung um 10 mmHg und in der Gruppe mit der 600-mg-Dosierung um 8,9 mmHg; in der Placebogruppe stieg er um 6,8 mmHg an. Alle p-Werte waren kleiner als 0,0001. Die Senkung des mittleren 24-Stunden-Blutdrucks, gemessen mittels ambulanter Blutdruckmessung, wurde über den gesamten Tageszyklus aufrechterhalten, wobei der stündliche, tageszeitliche und nächtliche Blutdruck bei allen Zilebesiran-Therapien im Vergleich zur Placebo-Gruppe bis zum sechsten Monat konstant niedriger war.
Ein Patient in der Zilebesiran-Gurppe verstarb aufgrund eines Herz-Lungen-Stillstands. Dies sei nicht auf das Studienmedikament zurückzuführen. Zu den medikamentenbedingten unerwünschten Ereignissen, die bei mehr als 5 % der Patienten in einer der Zilebesiran-Gruppen auftraten, gehörten Reaktionen an der Injektionsstelle bei 6,3 % der Patienten und Hyperkaliämien bei 5,3 % der Patienten. Die Reaktionen im Bereich der Injektionsstelle und die Hyperkaliämien waren meist leicht und vorübergehend. Keines der Hyperkaliämie-Ereignisse wurde mit einer akuten Nierenschädigung in Verbindung gebracht oder führte zum Absetzen des Medikaments. Bei vier Patienten traten medikamentenbedingte unerwünschte Ereignisse auf, die den Prüfarzt veranlassten, Zilebesiran abzusetzen. Zu diesen zählten eine orthostatische Hypotonie (n = 2), eine Blutdruckerhöhung (n = 1) und eine Reaktion im Bereich der Injektionsstelle (n = 1).
In weiteren Studien wird vor allem zu klären sein, ob für eine dauerhafte Blutdrucksenkung Injektionen alle drei Monate erforderlich sind oder ob dafür eine halbjährliche Gabe ausreichend ist. Beides würde die Therapie für viele Patienten mit einer bestehenden arteriellen Hypertonie vereinfachen. Prinzipiell wäre es auch nicht ausgeschlossen, zusätzlich zu einer Basis-Blutdrucksenkung durch Zilebesiran einzelne oder auch mehrere klassische Antihypertonika dazuzugeben, falls die antihypertensive Wirkung des Sirans nicht ausreicht. Auch hierzu wären weitere Daten wünschenswert. Zudem wird in den sich nun anschließenden Phase-III-Studien die genaue Dosis, höchstwahrscheinlich 300 mg, weiter untersucht werden müssen.
Bakris GL, Saxena M, Gupta A, Chalhoub F, Lee J, Stiglitz D, Makarova N, Goyal N, Guo W, Zappe D, Desai AS; KARDIA-1 Study Group. RNA Interference With Zilebesiran for Mild to Moderate Hypertension: The KARDIA-1 Randomized Clinical Trial. JAMA. 2024 Feb 16:e240728. doi: 10.1001/jama.2024.0728.
Desai AS, Webb DJ, Taubel J, Casey S, Cheng Y, Robbie GJ, Foster D, Huang SA, Rhyee S, Sweetser MT, Bakris GL. Zilebesiran, an RNA Interference Therapeutic Agent for Hypertension. N Engl J Med. 2023 Jul 20;389(3):228–238. doi: 10.1056/NEJMoa2208391.
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