Warum dürfen Kinder kein Codein nehmen? Wirkt Tamoxifen aktivierend oder hemmend? Und hilft Lysin wirklich gegen Lippenherpes? Hier gibt’s Antworten vom Apotheker.
Als Apotheker begegnen mir immer wieder Missverständnisse oder Wissenslücken zu Arzneimitteln – auch bei Ärzten. Mit meinen Blogs möchte ich hier aufklären und unterhalten. Los geht’s!
Codein (auch 3-Methylmorphin genannt) ist ein Opiat, das durch CYP2D6-Enzyme in Morphin umgewandelt wird und gegen Husten und Schmerzen eingesetzt wird. In hohen Dosen hat Codein euphorisierende Effekte. Manchen Menschen stehen mehr CYP2D6-Enzyme zur Verfügung, weshalb sie das Codein schneller umwandeln können – man nennt sie ultraschnelle Metabolisierer (ultrarapid metabolizer). Nehmen sie also Codein ein, entsteht bei ihnen mehr Morphin, als man zuvor erwartet hat. Das wiederum erhöht das Risiko einer gefährlichen Atemdepression.
Seit ein paar Jahren darf Codein nur noch für Kinder ab zwölf Jahren verordnet werden, da es bei jüngeren Kindern zu mehreren Meldungen über schwere Komplikationen bis hin zu Todesfällen unter Codein-Einnahme kam. Ultraschnelle Metabolisierer können zwar in allen Altersgruppen auftreten, aber bei Kindern unter zwölf Jahren ist eine Atemdepression besonders schwer vorhersehbar. Ebenso sollten Kinder, die älter als zwölf Jahre alt sind, auf Codein verzichten, wenn sie unter Atemproblemen leiden.
Eine Alternative stellt Noscapin dar, es ist im Gegensatz zu Codein bereits für Säuglinge ab sechs Monaten zugelassen. Die Stiftung Warentest ist allerdings der Ansicht, dass Noscapin grundsätzlich wenig geeignet ist, da die vorliegenden Daten zu Verträglichkeit und Wirksamkeit keine zufriedenstellende Nutzen-Risiko-Bewertung zulassen.
Bei Tamoxifen handelt es sich um einen Wirkstoff, der zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt wird. Es übt eine hemmende Wirkung auf das Wachstum von östrogenabhängigen Brustkrebszellen aus und wird in Form von Tabletten eingenommen.
Erstmals wurde Tamoxifen 1962 hergestellt. Da sich der Wirkstoff bei Ratten als empfängnisverhütend herausstellte, glaubte man, dass er seine Wirkung ausschließlich über östrogenhemmende Mechanismen entfaltet. Aus diesem Grund untersuchte man den Wirkstoff als „Pille danach”. Da sich jedoch herausstellte, dass Tamoxifen beim Menschen die Fruchtbarkeit sogar noch steigern konnte, indem es den Eisprung der Frau stimulierte, wurde da nichts draus.
Später erkannte man, dass Tamoxifen bei östrogenabhängigem Brustkrebs die Wirkung des Östrogens hemmte, bei Brustkrebs ohne Östrogenrezeptoren jedoch keine Wirkung zeigte. Es hat auf diese Rezeptoren eine antagonistische Wirkung. Da Tamoxifen die Östrogenaktivität in der Gebärmutterschleimhaut aber aktiviert, also eine agonistische Wirkung auf die dortigen Rezeptoren aufweist, stufte man den Wirkstoff neu ein: Vom Antiöstrogen zum selektiven Estrogenrezeptor-Modulator (SERM). SERM sind daher Substanzen, die abhängig vom Gewebe die Rezeptoren aktivieren oder hemmen. Die häufigste Nebenwirkungen, die bei der Therapie auftreten können, sind Übelkeit, Hautausschlag, Hitzewallungen, Erschöpfung, Zyklusstörungen sowie vaginale Blutungen.
Was in der Apotheke auch gerne gegen Lippenherpes gekauft wird, ist ein Präparat, das die Aminosäure Lysin enthält. Es soll beim ersten Anzeichen von Lippenherpes eingenommen werden. Manche nehmen es aber auch vorbeugend ein.
In den 1960er Jahren fand man heraus, dass Lysin im Reagenzglas die Vermehrung des Herpesvirus stoppen konnte. Die Aminosäure Arginin hingegen regte die Vermehrung sogar noch weiter an. Lysin blockiert zudem die Aufnahme von Arginin im Darm. Nimmt man also viel Lysin zu sich, soll folglich weniger Arginin aus der Nahrung aufgenommen werden. Die Ergebnisse der Studien dazu sind allerdings nicht wirklich eindeutig und eher widersprüchlich. Ob Lysin also tatsächlich hilft, ist noch nicht ausreichend erforscht.
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