Kriegsveterane mit erlittenem Schädel-Hirn-Trauma haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, einen Hirntumor zu entwickeln. Was bedeutet das für die Patienten-Nachsorge?
Gehirntumoren gehen von verschiedenen Zelltypen aus; die Ursachen haben Forscher immer noch nicht vollständig geklärt. Bei hohem Malignitätsgrad ist die Prognose nach wie vor schlecht. Es bleibt als Hoffnung, symptomfreie Patienten mit Risiko für Gehirntumoren frühzeitig zu identifizieren, denn treten Beschwerden auf, ist die Erkrankung meist schon weiter fortgeschritten.
Doch wie könnte das gelingen? Neue Impulse kommen von US-Forschern. Anhand einer großen Kohorte mit mehr als 1,9 Millionen Veteranen aus den Irakkriegen und dem Einsatz in Afghanistan haben sie Assoziationen zwischen unterschiedlich schweren Schädel-Hirn-Traumata und seltenen Hirntumoren untersucht – mit überraschendem Ergebnis.
Zum Hintergrund: Schädel-Hirn-Traumata sind in Zusammenhang mit kriegerischen Konflikten eine häufige Verletzung. Rund 20 Prozent aller US-Veteranen der Irak- und Afghanistan-Einsätze hatten während ihrer Dienstzeit eine solche Verletzung unterschiedlicher Schwere erlitten.
Den Forschen kam bei ihrer Studie auch zugute, dass Verletzungen und Therapien von Soldaten gut dokumentiert sind. Die „Long-Term Impact of Military-Relevant Brain Injury Consortium-Chronic Effects of Neurotrauma Consortium (LIMBIC-CENC) Phenotype Study“ umfasste Daten von Soldaten aus der Zeit zwischen dem 1. Oktober 2004 und dem 20. September 2019 mit ursprünglich 2.530.847 Datensätzen.
Nach Ausschluss von 21,4 Prozent der Population, weil die Patienten während des Studienzeitraums keine regelmäßige Gesundheitsversorgung in Anspruch genommen hatten oder verstorben waren, blieben noch 1.919.740 Veteranen in der Kohorte. Von ihnen hatten 385.848 Personen ein leichtes, 46.859 ein mittelschweres bis schweres und 17.173 ein schweres, penetrierendes Schädel-Hirn-Trauma erlitten.
Die Forscher untersuchten nun, wie viele Personen nach einem Schädel-Hirn-Trauma eine Hirntumor-Diagnose gemäß ICD-9 oder ICD-10-Definitionen erhalten hatten. Als Kriterium galt, dass Ärzte die entsprechende Diagnose mindestens drei Jahre nach dem Trauma gestellt haben. Die Wissenschaftler fanden eine Assoziation zwischen der Schwere eines früheren Schädel-Hirn-Traumas (SHT) und dem Krebsrisiko:
Pro 100.000 Personenjahre betrugen die rohen Inzidenzraten für Hirntumoren 3,06 bei Menschen ohne Schädel-Hirn-Trauma, 2,85 bei leichtem Schädel-Hirn-Trauma, 4,88 bei mittelschwerem bzw. schwerem Schädel-Hirn-Trauma und 10,34 bei penetrierendem Schädel-Hirn-Trauma. Die Nachbeobachtungszeiten waren bei Personen ohne, mit leichtem, mittelschwerem und schwerem ähnlich; sie lagen bei 7,2 bis 7,4 Jahren. Bei Personen mit penetrierendem Schädel-Hirn-Trauma waren es nur 3,9 Jahre.
„Nach statistischer Bereinigung um mögliche Störgrößen waren ein penetrierendes Schädel-Hirn-Trauma und ein mittelschweres bzw. schweres Schädel-Hirn-Trauma, nicht aber eine leichte Schädel-Hirn-Trauma mit einem späteren Hirntumor verbunden“, schreiben die Autoren.
Bei der jetzt veröffentlichten Arbeit handelt es sich nicht um die erste Studie zum Thema. Dass frühere Papers recht unterschiedliche Ergebnisse aufgezeigt haben, führen die Wissenschaftler auf kleinere Kohorten zurück. Ihre Stichprobe ist deutlich größer – eine wesentliche Stärke der Arbeit. „Insgesamt liefert diese Studie aussagekräftige Daten zu Assoziationen zwischen dem Schweregrad kampfbedingter Schädel-Hirn-Traumata und dem daraus resultierenden Hirntumorrisiko bei Veteranen“, heißt es auch in einem begleitenden Editorial.
Dem stehen einige Schwächen gegenüber. Ob sich Verletzungen der Soldaten durch kriegerische Handlungen auf Schädel-Hirn-Traumata bei Autounfällen oder beim Sport übertragen lassen, ist unklar, aber zumindest denkbar. Wie die Autoren bemerken, sei es bei Patienten in Zusammenhang mit Kampfhandlungen häufiger zu Verletzungen mit Störung der Blut-Hirn-Schranke gekommen als bei typischen Verletzungen, die Ärzte in Friedenszeiten sehen. Auch umfasste die Kohorte fast ausschließlich Männer.
Weitere Forschung lohnt sich definitiv. Sollten mittelschwere bis schwere Schädel-Hirn-Traumata nach Sportverletzungen oder nach Unfällen im Straßenverkehr ebenfalls mit mehr Gehirntumoren in Verbindung stehen, lohnt es sich, diesen Patienten eine spezielle Nachsorge anzubieten.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash