Immer öfter wird UVC-Strahlung zur Desinfizierung ganzer Räume eingesetzt – jedoch nur, wenn sie verlassen sind. Jetzt äußert sich die Strahlenschutzkommission, ob die Strahlen auch in Anwesenheit von Menschen eingesetzt werden können.
Mithilfe von kurzwelliger und energiereicher UVC-Strahlung werden schon seit Jahrzehnten Oberflächen, Trinkwasser oder Raumluft desinfiziert. Dabei nutzt man aus, dass diese Strahlung Zellen schädigen kann – insbesondere diejenigen von Viren, Bakterien oder anderen Mikroorganismen. Allerdings kann sie auch Zellen in menschlichen Organen wie Haut und Auge schädigen.
Die radiometrische Kalibrierung im Bereich der UV-Strahlung bei hohen Bestrahlungsstärken ist eine der Aufgaben im Fachbereich Photometrie und Spektroradiometrie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei immer mehr auf sehr kurzwellige UVC-Strahlung. Verstärkt durch die Corona-Epidemie wird aktuell diskutiert, ob sogenannte Fern-UVC-Strahlung zwischen 200 nm und 240 nm, die nahezu nicht in Haut und Auge eindringt, auch offen strahlend und im öffentlichen Raum eingesetzt werden könnte. Allerdings lässt sich das Risiko für die Allgemeinbevölkerung noch nicht ausreichend abschätzen. Peter Sperfeld, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Spektroradiometrie in der PTB, hat als UV-Experte an einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission der Bundesregierung mitgewirkt und unterstützt die Feststellung, dass die bisherigen Erkenntnisse noch nicht ausreichen, um einen Einsatz von Fern-UVC-Strahlung zur Desinfektion in Anwesenheit von Menschen zu befürworten.
Die natürliche kurzwellige UVC-Strahlung gelangt aufgrund der Absorption in der Erdatmosphäre nicht auf die Erde. Daher kann sie nur mit künstlichen Quellen erzeugt werden. Sie ist aufgrund ihrer hohen Photonenenergie in der Lage, unter anderem krankheitserregende Mikroorganismen und Viren zu inaktivieren. Diese Strahlung kann jedoch auch nachweislich akute und langfristige Schädigungen der Augen und der Haut beim Menschen verursachen. Deswegen ist ihre Anwendung streng geregelt: im beruflichen Einsatz etwa durch Expositionsgrenzwerte, die auf Empfehlungen der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) beruhen. Für Beschäftigte, die besonders vulnerablen Gruppen angehören, sind darüber hinaus individuelle Schutzmaßnahmen vorgesehen.
Aufgrund ihrer sehr geringen Eindringtiefe in Haut und Augen wird aktuell in vielen Studien argumentiert, dass durch Fern-UVC-Strahlung keine akuten und langfristigen gesundheitlichen Folgen für Menschen zu erwarten seien. Daher wird derzeit diskutiert, ob man Geräte mit dieser Fern-UVC-Strahlung im öffentlichen Raum auch bei Anwesenheit von Menschen einsetzen könnte, etwa in öffentlichen Gebäuden, öffentlichen Verkehrsmitteln, Krankenhäusern, Schulen oder Kindertagesstätten. Zum Einsatz sollen in der Regel sogenannte Excimer-Strahler mit einer Wellenlänge von 222 nm kommen. Auf internationaler Ebene wird deswegen derzeit eine Lockerung der UVC-Expositionsgrenzwerte für Strahler dieser Art diskutiert. Allerdings finden in der Diskussion sogenannte vulnerable Personengruppen bisher keine Berücksichtigung. Zu ihnen können zum Beispiel Kinder, ältere Menschen mit einer dünneren Haut, besonders fotosensible Personen oder Menschen mit Haut- und Augenerkrankungen gehören.
Vor diesem Hintergrund wurde die Strahlenschutzkommission (SSK) des Bundes um eine Stellungnahme zu den möglichen Risiken von Fern-UVC-Strahlung gebeten. Die SSK ist ein Gremium aus ehrenamtlichen Fachleuten und berät das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) in Fragen des Strahlenschutzes.
In der jetzt veröffentlichten Empfehlung erklärt die Strahlenschutzkommission, dass sie die derzeitige Datenlage der vorliegenden Studien für nicht ausreichend hält, um Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung durch den Einsatz von Fern-UVC-Strahlung im öffentlichen Raum ausschließen zu können. Einen der Gründe dafür erklärt Peter Sperfeld, Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), der als UV-Experte an der Stellungnahme mitgewirkt hat: „In den meisten der uns vorliegenden Studien sind die Angaben zu den verwendeten Messverfahren nicht klar genug, sodass sich teilweise nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, ob zum Beispiel die angegebenen Bestrahlungen korrekt gemessen werden konnten oder über welche Zeiträume sie zur Anwendung kamen.“ Die Bestrahlung ist eine entscheidende Größe, um die Gefahren für Menschen einschätzen zu können.
Die PTB unterstützt daher die Empfehlung der Strahlenschutzkommission, den Einsatz von Fern-UVC-Strahlung durch eine Rechtsnorm zu regeln und einen Schutz der Bevölkerung mindestens auf dem Niveau der bestehenden Arbeitsschutzregelungen anzustreben. Vulnerable Gruppen müssten darüber hinaus besonders geschützt werden. Im medizinischen Bereich betrachtet die SSK den kontrollierten, vorübergehenden Einsatz von Fern-UVC-Strahlung etwa zur prophylaktischen Desinfektion aus Strahlenschutzgesichtspunkten als vertretbar, sofern er nach vorhergehender Abwägung von Nutzen und Risiken erfolgt.
Wie geht es jetzt weiter? Die Strahlenschutzkommission empfiehlt eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen, etwa Studien mit langfristiger Bestrahlung sowie weitere Untersuchungen am menschlichen Auge und an verletzter oder geschädigter Haut. Offen ist auch die Frage, ob durch Fern-UVC-Strahlung UV-resistente Mikroorganismen oder schädliche chemische Verbindungen in Innenräumen entstehen könnten.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Physikalisch-Technische Bundesanstalt. Die ganze Stellungnahme haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Sebastian Føns, Unsplash