Die Behandlung der seltenen akuten lymphatischen Leukämie stellt Ärzte vor Herausforderungen. Europäische Experten haben nun neue Konsensempfehlungen erarbeitet.
Die Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) bei Erwachsenen ist äußerst komplex, langwierig und für die Patienten sehr belastend. Im Vergleich zu anderen Krebsarten bei Erwachsenen ist die ALL relativ selten, so dass ihre Behandlung in Europa seit Jahrzehnten von multizentrischen Studiengruppen organisiert wird. Um eine größtmögliche wissenschaftliche Wirkung zu erzielen, forschen mehrere medizinische Einrichtungen gleichzeitig an der Optimierung und systematischen Entwicklung von Therapiealgorithmen. Das wichtigste Instrument zur Verbesserung von Diagnostik und Therapie sind prospektive akademische Studien.
In Deutschland wird diese Aufgabe seit Jahrzehnten von der German Multicenter Study Group for Adult ALL (GMALL) wahrgenommen – eine der weltweit größten Studiengruppen für diese Krebsart, die am Universitätsklinikum Frankfurt angesiedelt ist. Unter der Leitung von Dr. Nicola Gökbuget, Oberärztin an der Medizinischen Klinik 2 des Universitätsklinikums, haben europäische Experten für die ALL bei Erwachsenen nun Konsensempfehlungen erarbeitet und damit erstmals die europäische Expertise in einer Leitlinie gebündelt. Das European LeukemiaNet (ELN) veröffentlichte seine Ergebnisse in einem zweiteiligen Sonderbericht Ende Januar und Anfang Februar 2024 in der US-Fachzeitschrift Blood.
„Das Wissen über die Krankheitsbiologie und die Behandlungsmöglichkeiten der ALL bei Erwachsenen wächst exponentiell“, erklärt Gökbuget, Erstautorin der Referenzempfehlung und seit mehr als einem Jahrzehnt Koordinatorin der GMALL-Studiengruppe. „Angesichts der einzigartigen Konstellationen in den europäischen Gesundheitssystemen war es uns wichtig, den aktuellen Wissensstand zusammenzufassen, insbesondere aus europäischer Sicht.“ Die detaillierten Empfehlungen sollen nicht nur interessierten Ärzten Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Patientenmanagement geben, sondern auch dazu beitragen, die Berichterstattung über klinische Studien zu standardisieren.
Aufgrund ihres großen Umfangs und ihrer Komplexität wurden die Behandlungsempfehlungen in zwei Teilen veröffentlicht. Der erste Teil befasst sich mit der ALL-Diagnostik, den prognostischen Faktoren und der Beurteilung des Ansprechens und definiert auch Standards für die Klassifizierung und Bewertung in klinischen Studien. Der zweite Teil umfasst das gesamte Management und reicht von der Induktions- und Konsolidierungstherapie über den Einsatz neuer Substanzen, die Stammzelltransplantation, die Rezidivtherapie, die Behandlung spezieller ALL-Untergruppen, die Spätfolgen der Therapie bis hin zur supportiven Behandlung. Neben einer detaillierten Auswertung der verfügbaren Daten enthalten die Empfehlungen auch Experteneinschätzungen zu aktuell diskutierten Themen.
Auf der Grundlage jahrelanger systematischer Arbeit haben Arbeitsgruppen aus acht europäischen Ländern dazu beigetragen, die Prognose erwachsener ALL-Patienten deutlich zu verbessern – ein Weg, den das europäische Konsortium zum Wohle aller Betroffenen weiter beschreiten will.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Goethe-Universität Frankfurt. Die Originalpublikation haben wir euch hier und hier, sowie im Text verlinkt.
Bildquelle: National Cancer Institute, Unsplash