Lassen sich Tumoren mit Antihistaminika bekämpfen? Eine aktuelle Studie liefert Hinweise, dass dieser Ansatz durchaus wirksam sein könnte. Denn Antihistaminika bremsen jene Zellen aus, die den Tumorzellen helfen, sich vor dem Immunsystem zu verstecken.
Krebszellen können höchst erfinderisch sein, wenn es darum geht, das Immunsystem des Körpers auszutricksen, um nicht erkannt zu werden. Eine Möglichkeit besteht darin, dem Abwehrsystem vorzutäuschen, gesunde, körpereigene Zellen zu sein. Dazu schütten die Tumorzellen Botenstoffe aus, die die sogannten myeloiden Suppressorzellen anlocken. Diese sorgen dafür, dass eine T-Zell-vermittelte Immunantwort gegen die entarteten Zellen blockiert wird. Bei einer Krebserkrankung steigt die Anzahl der myeloiden Suppressorzellen rasch an. Damit diese Zellen aktiviert werden und sich vermehren können, benötigen sie den körpereigenen Stoff Histamin, wie Wissenschaftler in einer aktuellen Studie zeigen konnten.
Beim Stichwort Histamin denken Sie zuerst an Allergien? Völlig richtig. Das Gewebshormon spielt auch eine zentrale Rolle bei allergischen Reaktionen und ist als Botenstoff bei Entzündungsreaktionen daran beteiligt, das Gewebe anschwellen zu lassen. Histamin wird in den Mastzellen produziert, die besonders zahlreich in Nase, Mund und Blutgefäßen vorkommen. Dort sind sie an der Abwehr von Pathogenen und der Wundheilung beteiligt.
Wissenschaftler fanden nun Hinweise darauf, dass Histamin auch als Komplize von Tumorzellen agiert, die sich vor dem Immunsystem verstecken. Als die Forscher die Histaminproduktion in Versuchstieren blockierten, konnten sie dadurch das Wachstum von Melanomen stoppen. Dazu arbeiteten die Wissenschaftler mit zwei Gruppen von Mäusen. Die erste Gruppe infizierten sie mit einem Nager-Darmwurm, um eine starke allergische Reaktion zu simulieren. Dann injizierten sie den Mäusen myeloide Suppressorzellen und behandelten sie mit den Antihistaminika Ceterizin und Cimetidin. Damit konnten sie die Wirkung der myeloiden Suppressorzellen unterbinden. Anthistaminika scheinen also grundsätzlich wirksam gegen myeloide Suppressorzellen zu sein, aber lässt sich dadurch auch das Wachstum von Tumoren stoppen? Die zweite Gruppe von Mäusen litt unter Melanomen. Auch diese Tiere erhielten myeloide Suppressorzellen und wurden mit dem Antihistaminikum Cimetidin behandelt. Normalerweise würde die Injektion von myeloiden Suppressorzellen das Tumorwachstum anheizen. Unter der Behandlung mit dem Antihistaminikum war das allerdings nicht der Fall – für die Forscher ein untrüglicher Hinweis, dass die antiallergischen Medikamente auch gegen Krebs wirksam sein könnten.
Ihre Studie zeigte außerdem, dass myeloide Suppressorzellen quasi von Mastzellen angelockt werden. Dieser Prozess sorgt dafür, dass die myeloiden Suppressorzellen zu Entzündungsherden wie beispielsweise Tumoren rekrutiert werden. Histamin, das von den Mastzellen freigesetzt wird, sorgt wiederum dafür, dass die myeloiden Suppressorzellen überleben und sich weiter vermehren. Das geschieht in zwei Subgruppen der myeloiden Suppressorzellen, hauptsächlich aber bei den monocytischen myeloiden Suppressorzellen. Und genau diese Zellgruppe konnten die Wissenschaftler bei Mäusen mit freiverkäuflichen Antihistamin-Präparaten wie Ceterizin und Cimetidin reduzieren.
Die Versuchsergebnisse lassen die Hoffnung aufkeimen, Tumorzellen mit gut erprobten antiallergischen Wirkstoffen bekämpfen zu können. „Mit unserer Arbeit haben wir zwei bisher strikt voneinander getrennte Krankheitsbilder miteinander verbunden: Allergie und Krebs“, so Studienleiter Daniel Conrad von der Virginia Commonwealth University in Richmond, USA, und weiter: „Diese Verbindung ist jedoch neuartig und es steht uns noch viel Arbeit bevor, um herauszufinden, ob sich Antihistaminika tatsächlich zur Krebsbekämpfung eignen.“ Als nächstes wollen die Forscher genau untersuchen, wie Mastzellen mit den myeloiden Suppressorzellen interagieren und ob möglicherweise auch andere Mastzell-Mediatoren auf die myeloiden Suppressorzellen wirken.