Die Apotheken stecken in einer tiefen Krise – und wenn wir nicht wollen, dass Drogeriemärkte uns bald den Rang ablaufen, muss sich was ändern. Kann das mit Präventionsarbeit und Bluttests klappen?
In den letzten Jahren ist die Diskussion über die Rolle von Apotheken in der Gesundheitsvorsorge deutlich intensiviert worden. Während die Politik vermehrt darauf drängt, Apotheken stärker in präventive Maßnahmen einzubeziehen, stoßen solche Vorhaben nicht bei allen Beteiligten auf ungeteilte Zustimmung. Die Sorge vor einem möglichen Autoritätsverlust und finanziellen Einbußen der Ärzteschaft sind nur einige der Bedenken, die in diesem Zusammenhang geäußert werden. Insbesondere das Thema Bluttests in Apotheken bleibt umstritten. Dennoch wagt der Berliner Apotheker Verein (BAV) gemeinsam mit der Firma Probatix einen ersten Schritt mit einem Pilotversuch.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach drängt darauf, dass Apotheken eine aktivere Rolle in der Prävention übernehmen und sieht darin eine Möglichkeit, die Hemmschwelle innerhalb der Bevölkerung für Vorsorgeuntersuchungen zu senken. Apotheken sind immerhin ein vergleichsweise niedrigschwelliger Zugangspunkt – nicht nur für Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Selbst, wenn sie auch meiner Ansicht nach nicht ganz so niedrigschwellig ist, dass man niemals Termine vereinbaren muss, wie Lauterbach meint (DocCheck berichtete). Man darf zudem nicht außer Acht lassen, dass es künftig nicht nur die etablierten Parteien – also Arztpraxen und Apotheken – bleiben werden, die versuchen, den Vorsorgemarkt zu besetzen, sondern dass neue Player im Begriff sind, diese Bühne zu betreten. So plant beispielsweise der Drogerieriese dm nicht nur den Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten, sondern auch von Gesundheitsprodukten und Diagnosediensten.
In einem kürzlich geführten Interview sprach Christoph Werner, der Leiter der dm-Drogeriekette, über seine Visionen, die Apotheken durch Dienstleistungen in seinen Märkten überflüssig zu machen. Werners Phantastereien basieren auf der wahrgenommenen Unrentabilität und dem zunehmenden Verschwinden von Apotheken, was er als Zeichen dafür deutet, dass sich die ganze Branche in einer Krise befindet, aus der sie nicht mehr herausfindet. Er argumentiert dafür, dass Drogeriemärkte durch Automatisierung und Erweiterung ihres Serviceangebots eine Alternative zu Apotheken darstellen könnten.
Entgegen Werners optimistischer Sichtweise auf die Rolle von Drogeriemärkten in der Gesundheitsversorgung sehe ich die Lage naturgemäß völlig anders. Die Unrentabilität von Apotheken und ihr Mangel an Nachfolgern sind zweifellos Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen und die wir gerade versuchen zu bekämpfen. Dennoch halte ich es für unverantwortlich, ja beinahe größenwahnsinnig, die Existenz und den Wert von Apotheken in Frage zu stellen.
Die Vorstellung, dass automatisierte Prozesse die Rolle von Apothekern ersetzen könnten, vernachlässigt die Bedeutung einer individuellen Beratung und Betreuung durch Fachkräfte – insbesondere in Bezug auf komplexe medizinische Fragen und die richtige Anwendung von Arzneimitteln. Zudem ist die Vorstellung, dass Drogeriemärkte Apotheken ersetzen könnten, hochproblematisch, da Drogeriemärkte und deren Angestellte nicht einmal annähernd über die gleiche fachliche Expertise und Erfahrung im Gesundheitswesen verfügen wie Apotheken.
Und das schreibe ich im vollen Bewusstsein dessen, dass ich vielleicht ähnlich klinge, wie noch vor wenigen Monaten die KV Hessen, wenn man sie auf die pharmazeutischen Dienstleistungen angesprochen hat. Oder viele Ärzte, wenn es um das Thema Impfen in der Apotheke geht (DocCheck berichtete). Die Möglichkeit, Impfungen in Apotheken durchzuführen, markierte jedoch einen wichtigen Schritt im Bereich der Prävention von Infektionskrankheiten. Obwohl die Einführung dieses Konzepts vielerorts zunächst auf Widerstand gestoßen ist, hat sich gezeigt, dass Apotheker, die impfen, eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Grippe und anderen Krankheiten spielen können.
Internationale Erfahrungen und Daten aus Modellprojekten zur Grippeschutzimpfung belegen die hohe Akzeptanz von Apothekenimpfungen in der Bevölkerung. Erste Evaluierungen der vergangenen Impfsaison zeigen deutlich, dass für viele Menschen die Impfung in der Apotheke die erste Grippeimpfung überhaupt war. Viele Personen, die sich sonst nicht impfen gelassen hätten, haben von diesem Angebot in der Apotheke profitiert. Durch die Möglichkeit der Impfung in Apotheken wird auch das Bewusstsein für die Bedeutung von Prävention gestärkt. Apotheker stehen dabei als vertrauenswürdige und kompetente Ansprechpartner zur Verfügung, um Patienten über die Vorteile von Impfungen aufzuklären und sie bei der Entscheidung zur Impfung zu unterstützen.
Was das Thema Prävention betrifft, ist die Initiative der ABDA mit TV-Spots zu pharmazeutischen Dienstleistungen ein weiterer Schritt in Richtung einer stärkeren Einbindung von Apotheken in die Gesundheitsvorsorge. Die Patienten sollen über die Bedeutung dieser Dienstleistungen informiert und ermutigt werden, diese in Anspruch zu nehmen.
Der Berliner Apotheker-Verein (BAV) hat nun eine neue Kooperation mit dem Start-up Probatix angekündigt. Das Ziel ist es, den Bürgern den Zugang zu einem breiten Spektrum an Bluttests in lokalen Apotheken zu ermöglichen. Diese Tests reichen von einfachen Vitaminchecks bis hin zu umfassenden Gesundheitsanalysen. Die Proben werden entweder im Labor oder direkt vor Ort ausgewertet und die Ergebnisse werden anschließend digital und verständlich aufbereitet. Aktuell ist Probatix in etwa 30 Apotheken in Berlin verfügbar, mit dem Ziel, dieses Angebot weiter auszubauen. Auch bundesweit sollen weitere Apotheken in das Projekt einbezogen werden. Aufgrund der noch ausstehenden Kostenübernahme durch die Krankenkassen arbeitet Probatix daran, die Preise für die Tests auch für Selbstzahler noch erschwinglich zu gestalten.
Trotz aller Diskussionen und Bedenken sollten Ärzte und Apotheker gemeinsam zum Wohle ihrer Patienten arbeiten, nicht gegeneinander. Die Kombination aus medizinischer Expertise und pharmazeutischem Know-how kann dazu beitragen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern und die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, diese Potenziale gemeinsam zu nutzen und eine enge Zusammenarbeit zu fördern. Besser ist es sicherlich, den Präventionsbereich gemeinsam kompetent abzudecken – bevor es ein anderer tut, der eher den Profit im Hinterkopf hat, als die Gesundheit der Patienten.
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