Das Leitlinien-Update zur nosokomialen Pneumonie kommt mit einigen neuen Therapieempfehlungen daher. Wir haben für euch reingeblättert.
Für Eilige gibt’s eine kurze Zusammenfassung am Ende des Artikels.
In Deutschland ist die Pneumonie die häufigste nosokomiale Infektion in Krankenhäusern und hat daher einen hohen Stellenwert in der stationären Patientenversorgung. Während des 64. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie wurde das neue Update der S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik und Therapie erwachsener Patienten mit nosokomialer Pneumonie“ vorgestellt. Es handelt sich um das erste Update der Leitlinie seit 2017.
Nach Festlegung von 11 Schlüsselfragen für die Literaturrecherche wurden 13 evidenzbasierte Empfehlungen und 13 Empfehlungen, die auf Expertenkonsens basieren, erarbeitet. Zudem wurden zwei Best Practice Statements formuliert.
Die Definition einer nosokomialen Pneumonie umfasst eine Lungenentzündung, die mehr als 48 Stunden nach der Aufnahme in ein Krankenhaus auftritt. Im letzten Update von 2017 wurden auch Pneumonien als nosokomial eingestuft, bei denen Patienten innerhalb der letzten drei Monate aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Diese Klassifizierung wird in der aktuellen Version nicht mehr als nosokomial betrachtet.
Für die kalkulierte Therapie von nosokomialen Pneumonien ist die Risikobewertung für multiresistente Erreger (MRE) von entscheidender Bedeutung. Auch hier gibt es eine Neuerung: Früher wurde bei allen Patienten, die innerhalb der letzten 90 Tage eine antimikrobielle Therapie erhalten hatten, ein erhöhtes Risiko für multiresistente Erreger als verursachend für die Pneumonie angenommen. Nach umfassender Literaturrecherche hat die Leitliniengruppe nun einen Zeitraum von 30 Tagen vor dem Auftreten der nosokomialen Pneumonie festgelegt. Als zusätzliche Risikofaktoren für eine nosokomiale Pneumonie wurden das Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) und Hämodialyse in die Definition mit aufgenommen.
Die Empfehlungen zur Diagnostik bei nosokomialer Pneumonie wurden ebenfalls aktualisiert. Die Leitliniengruppe bezieht Stellung zur Multiplex-PCR für respiratorische Erreger: „Ein routinemäßiger Einsatz von bakteriellen Multiplex-PCR-Systemen bei Patienten mit Verdacht auf nosokomiale Pneumonie kann nicht empfohlen werden.“ Aktuell gibt es keine ausreichenden Beweise dafür, dass der Einsatz der Multiplex-PCR zu einer Verringerung der Letalität führt. Die Autoren empfehlen die virologische molekularbiologische Untersuchung auf SARS-CoV-2 und Influenzaviren, je nach epidemiologischer Situation.
Im neuen Update der Therapieempfehlungen gibt es einige Änderungen. Die Leitliniengruppe teilt die Initiierung der kalkulierten antiinfektiven Therapie zunächst in zwei Patientengruppen ein: Patienten MIT septischem Schock und Patienten OHNE septischen Schock. Anschließend wird differenziert, ob ein Risiko für MRE besteht.
Für Patienten ohne septischen Schock und ohne Risiko für MRE empfiehlt die Leitlinie Aminopenicillin mit Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine der Gruppe 3a oder Fluorchinolone. Liegt ein Risiko für MRE in dieser Patientengruppe vor, wird stattdessen ein Betalaktam-Antibiotikum mit Pseudomonas-Wirkung (z. B. Piperacillin/Tazobactam), Cefepim oder Meropenem empfohlen, wobei für Ceftazidim keine Empfehlung mehr vorliegt.
Für Patienten mit septischem Schock und ohne Risiko für MRE wird eine Therapie mit Meropenem empfohlen. Die einzige Indikation für eine Kombinationstherapie ist ein septischer Schock in Kombination mit einem Risiko für MRE. In diesen Fällen empfehlen die Kollegen ein Betalaktam mit Pseudomonas-Wirkung zusammen mit einem Pseudomonas-wirksamen Fluorchinolon oder Tobramycin oder Fosfomycin. Die Therapiedauer der nosokomialen Pneumonie sollte bei guten Ansprechen 7 bis 8 Tage dauern.
Die Autoren der Leitlinien erweitern ihre Empfehlungen um verschiedene Bereiche wie Diagnostik, Therapie und das Vorgehen bei Therapieversagen. Hierzu zählen unter anderem die prolongierte Infusion von Betalaktam-Antibiotika bei kritisch kranken Patienten, Antibiotic Stewardship sowie die zusätzliche inhalative Antibiotikatherapie bei Vorliegen multiresistenter gramnegativer Erreger. Zur Unterstützung der Umsetzung im stationären Umfeld wurde sogar eine Anleitung zur Durchführung der Inhalation von Antibiotika veröffentlicht.
Behandelt ihr nosokomiale Pneumonien? Dann lohnt sich definitiv ein Blick in diese ausführliche, schön aufgebaute Leitlinie.
Das neue Update der S3-Leitlinie „Nosokomiale Pneumonie“ stellt eine wesentliche Neuerung der Risikobewertung für multiresistente Erreger (MRE) dar. Sie berücksichtigt eine antimikrobielle Therapie innerhalb der letzten 30 Tage vor Pneumoniebeginn, ergänzt durch Risikofaktoren wie ARDS und Hämodialyse. Der routinemäßige Einsatz von Multiplex-PCR wird nicht empfohlen; stattdessen sollen gezielte virologische Tests auf SARS-CoV-2 und Influenza erfolgen. Die Therapie richtet sich nach dem Vorhandensein von septischem Schock und MRE-Risiko. Empfohlen werden Aminopenicilline, Cephalosporine oder Fluorchinolone für nicht-septische Patienten ohne MRE-Risiko und Betalaktame mit Pseudomonas-Wirkung für Risikopatienten. Bei septischem Schock und MRE-Risiko wird eine Kombinationstherapie angeraten. Die Therapiedauer sollte 7 bis 8 Tage betragen, ergänzt um Empfehlungen zur prolongierten Infusion von Betalaktam-Antibiotika und inhalativer Antibiotikatherapie bei multiresistenten gramnegativen Erregern.
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