Ich wurde mal gefragt: „Schämst du dich als Rindertierärztin gar nicht, Teil der Massentierhaltung zu sein?“ Heute weiß ich: Nein, ganz und gar nicht. Warum ich meinen Job liebe, lest ihr hier.
Die Frage ist schon ein paar Jahre her, aber vergessen habe ich sie nicht. Es gibt so Situationen, da fallen einem erst später die richtigen Antworten ein. Ich liebe meinen Beruf und ich liebe Kühe und war in dem Moment ziemlich perplex. Warum sollte ich mich für meinen Job und damit auch einen Großteil meines täglichen Lebens schämen? Und was wäre die Alternative?
Gesagt habe ich es ja schon, ich bin saugerne Rindertierärztin – und zwar ausschließlich Rinder (nicht „nur“ Rinder, sondern „ausschließlich“ Rinder!). Rinder sind einfach toll! Sie haben einen unfassbar coolen Charakter, sind (meist) freundlich und neugierig und ihre Physiologie ist sehr faszinierend.
Das Wiederkauen macht es durch das Outsourcing der Verdauung von Unverdaulichem an Mikroben möglich, aus den unfreundlichsten Futterbestandteilen noch Verwertbares rauszuziehen und in die Körpermasse eines großen Säugetiers umzuwandeln. Das ist doch klasse! Wiederkäuer haben sich weltweit durchgesetzt, entwicklungsgeschichtlich sind auch andere Arten wie Kameliden auf ähnliche Ideen gekommen. Sogar beim Nasenaffen wird diskutiert, ob seine Verdauung nicht auch der der Wiederkäuer ähnelt.
Die grundsätzliche Methode funktioniert fast überall: ob in den Anden (Lama), im Himalaya (Yak), in der Sahara (Ziege), Asien (Wasserbüffel) oder eben in unseren Breiten mit dem Auerochsen und seinen Nachkommen. Es wird gefressen und umgesetzt, was wir nicht umsetzen können. Praktisch für uns Menschen: Es kommt ein sofort konsumierbares, gut verdauliches Lebensmittel wie Milch dabei heraus. Konserviert als Käse ist sie lange haltbar. Den Rest des Tieres kann man außerdem auch mit wenig Aufwand in ein leicht umsetzbares Lebensmittel verwandeln, nämlich Fleisch – das kann man notfalls sogar ungegart essen (z. B. Tartar). Es bleiben dann noch Produkte wie Leder, Kleister und Seife, um nur die wichtigsten zu nennen. Wer es jetzt noch nicht kapiert hat, für den hier jetzt noch mal ganz deutlich: Ich halte Rinder für sehr wichtig für uns Menschen! Und ich bin stolz, Teil des Systems zu sein, in dem wir diese großartigen Tiere halten.
Als spezialisierte Rinderärztin für Herdengesundheit bin ich nämlich vorne mit dabei und in viele der betrieblichen Abläufe mit eingebunden. Allgemein wandelt sich das Berufsfeld stetig in Richtung Prophylaxe und damit sind wir bei Haltung, Management und Fütterung.
Der Begriff Massentierhaltung ist ein nicht definiertes Wort. Oft ist es so, dass gerade die Betriebe, die viele Kühe haben, diese sehr gut organisiert halten und sehr strukturiert arbeiten. Denn effizient ist ein Tier, dem es gut geht. Also die schiere Anzahl macht für mich nicht eine schlechtere Haltung aus. Eher würde ich da beispielhaft das Platzangebot pro Kuh nehmen. Wie gesagt: Leistung ist ein Produkt von Gesundheit und Wohlbefinden. Das ist also auch im Interesse des Tierhalters, denn er hält ja, im Gegensatz zu Liebhabertieren, seine Tiere als Lebensgrundlage.
Ich finde es klasse, das alles mitgestalten zu können! Ich werde oft nach Rat gefragt und ich diskutiere mit meinen Betrieben über alles, von der betriebswirtschaftlichen Seite bis zum Tierwohl (und die hängen sehr dicht zusammen! Denn mit Prügel lässt sich die Leistung halt nicht steigern).
Da kommen wir auch gleich zu einem nächsten Punkt: Je effizienter eine Kuh, desto besser ihr CO2-Fußabdruck. Wir können hier mit unseren klimatischen Gegebenheiten und dem vorhandenen Boden, auf dem oft genug nichts menschlich Essbares wächst (für Kartoffeln und Getreide zu nass, für Gras und Mais aber perfekt), hervorragend Milch und Fleisch produzieren. Und Wasser ist normalerweise genug da. Denn klar, Milchproduktion braucht Wasser. Vor allem aber natürlich vorhandenes (Oberflächen-) Wasser. Es ist also wirklich nicht blöd, hier Rinder zu halten. Ganz im Gegenteil – es wäre blöd, das nicht so gut wie möglich zu machen.
Klar, die Entwicklung geht weiter und es lässt sich sicher noch Methan sparen (was hauptsächlich anderen Branchen zugutekommt, die wenig Einsparmöglichkeiten haben). Es bringt auch hier einen Heidenspaß, mich ständig fortzubilden um mit meiner oft akademischen Kundschaft (gerade Landwirte sind heute oft hochstudiert) noch auf Augenhöhe mitdiskutieren zu können und mich genauso weiterzuentwickeln, wie die Landwirtschaft es tut. Ich jedenfalls schäme mich überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil: Ich bin stolz, ganz vorne dabei zu sein und mitzugestalten!
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