Ob Schockstarre oder Hyperventilation: Unter Stress reagiert der Körper unterschiedlich. Der Kampfkunst Eskrima sei Dank habe ich gelernt, aus den lähmenden Momenten auszubrechen. Was mir der Kampfsport im ärztlichen Alltag außerdem bietet, lest ihr hier.
Bereits während des Medizinstudiums habe ich mit Kampfsport angefangen. Ehrlich gesagt war mein Hintergedanke damals eher pragmatisch: Mir war gesagt worden, dass ich „mein Leben abgeben würde“, wenn der Präp-Kurs kommt. Um dem entgegenzuwirken, wollte ich ein Hobby, das ich regelmäßig durchziehen MUSS. Denn im Gegensatz zu allgemeinen Fitness-Stunden, bei denen es (meist) relativ egal ist, ob man eine Stunde verpasst oder nicht, ist es beim Kampfsport aufgrund der komplexeren Bewegungsabläufe wichtig, dass man kontinuierlich da ist. Das hat mir geholfen, meinen Horizont nicht komplett auf den Beruf zu verengen, was für mich unheimlich wichtig war und ist.
Rückblickend bin ich erstaunt, wie viel ich aus diesem Hobby auch für den medizinischen Bereich mitnehmen konnte. Und mein Eindruck ist, dass das auch viele andere Kollegen so sehen. Denn mir erscheint der Anteil an Ärzten, die ich über die Jahre auf diversen Lehrgängen getroffen habe, deutlich höher als z. B. Einzelhandelskaufleute oder Versicherungsvertreter, die ich bisher fast nie auf der Matte getroffen habe.
Was also ziehe ich aus dem Kampfsport?
Meine erste Stressübung dieser Art werde ich nie vergessen. Eigentlich klang die Aufgabe einigermaßen simpel: Mein Lehrer hatte zwei Stöcke und ich hatte einen und sollte seine Angriffe blocken. Ich hatte auch vorher gesehen, dass er nie durchgezogen hatte, sondern, wenn der Block mal nicht saß, den Stock immer abgebremst hat. Also theoretisch wusste ich, dass mir nichts passieren wird. Das war aber völlig egal. Ich hab hyperventiliert und hatte das Gefühl, mich wie in Honig zu bewegen. Mein Lehrer sagte mir immer wieder, ich solle mal brüllen (um die Atmung zu normalisieren). Aber erst, als er mich kurz angebrüllt hat, konnte ich diesem Kommando (was ich durchaus gehört hatte, aber schlichtweg nicht umsetzen konnte), endlich Folge leisten. Mit Überwindung der Hyperventilation hörte auch das Honig-Gefühl auf und ich hab zumindest das umsetzen können, was ich eigentlich konnte.
Das Gefühl danach war überwältigend. Ich hatte vorher immer dazu tendiert, in Stress-Situationen einzufrieren. Und das war das erste Mal, wo ich dieses Einfrieren hatte durchbrechen können. Und ja, danach wusste ich auch deutlich besser, wie man mit Adrenalin umgeht.
Ich war zu diesem Zeitpunkt noch im Studium gewesen. Als ich ein paar Jahre (und so einige Stressübungen) später in den ersten Diensten auch das Adrenalin bemerkte, wusste ich schon, wie man damit umgeht. Denn diese emotionale Seite wird im Studium vielleicht mal theoretisch erwähnt, aber ich habe selten einen Arzt wirklich den Umgang damit lehren hören. Wenn man viel Glück hat, nimmt einen ein Alt-Assistent beiseite und sagt sowas wie „das kommt mit der Zeit“, „wird schon besser“ oder ähnliches, aber strukturiertes Lernen zum Umgang mit stressigen Situationen hab ich im Studium extrem selten gesehen. Genau genommen nur ein einziges Mal in einer OP-Simulation bei Anästhesisten. Deswegen würde ich sagen, dass ich eine Menge meiner Resilienz in Stress-Situationen (die ja in der Medizin nicht selten sind) nicht aus dem Studium genommen habe, sondern eben aus meinem Hobby.
Heißt das, dass jetzt alle angehenden Ärzte Kampfkunst lernen müssen? Oder dass Ärzte dank Kampfkunst ihre teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen aushalten könnten und sollen? Nein, das will ich damit nicht sagen. Aber ja, ich glaube schon, dass bei den ganzen viel diskutierten (Fach-)Kompetenzen, die wir im Studium lernen sollen, auch der Umgang mit Stress absolut sinnvoll wäre. Und ein Hobby eine Ressource ist, die im späteren Berufsalltag schützt.
Deswegen auch ein schönes Kampfkunst-Zitat zum Abschluss:
Dan Inosanto
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