Die Regelungen um Abtreibung, Leihmutterschaft und Eizellspende werden aktuell heiß diskutiert. „Ich wüsste nicht, was durch eine Neuregelung besser werden sollte“, sagen Kritiker. Was spricht für eine Änderung?
Im Koalitionsvertrag der Ampel wurde festgelegt, dass eine Kommission unter anderem Antworten auf folgende Fragen finden soll:
Die Kommission bestand aus 18 Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Medizin, Ethik, Recht, Psychologie, Gesundheitswissenschaften und Soziologie. Ausschließlich Frauen beschäftigten sich mit dem Thema Abtreibung.
Die politische Diskussion um den § 218 begann vor fast 50 Jahren. Zweimal nahm sich das Bundesverfassungsgericht der Thematik an und entschied 1975 und 1993, dass der Schutz des ungeborenen Lebens im Grundgesetz verankert und schützenswert ist. Bereits damals wollte die Politik frühe Abtreibungen legalisieren. Die Regelung, dass eine Abtreibung unter bestimmten Voraussetzungen zwar straffrei, aber rechtswidrig ist, war demnach ein Kompromiss aus den kontroversen Perspektiven. Der Bundestag ersann diese besondere Regelung, die eine Balance zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des ungeborenen Kindes darstellt.
Nach dem Deutschen Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1990 sind Eizellspende und Leihmutterschaft verboten.
Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Schwangerschaftsabbruch sind in § 218 ff Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Ein Abbruch ist nach der Beratungsregel zwar rechtswidrig, bleibt aber unter bestimmten Voraussetzungen straflos. Hierfür darf das Schwangerschaftsalter nicht älter als 12 Wochen nach der Konzeption (p. c.) bzw. 14 Wochen nach der letzten Menstruation (p. m.) sein. Zudem ist eine Beratung in einer anerkannten Einrichtung mindestens drei Tage vor dem geplanten Eingriff nötig.
Im Falle einer medizinischen Indikation, das heißt, wenn die körperliche oder mentale Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist und dies nicht auf eine andere zumutbare Art abgewendet werden kann, besteht weder Rechtswidrigkeit noch Fristenvorgabe. Ebenfalls nicht rechtswidrig ist ein Abbruch nach kriminologischer Indikation, wobei hierbei die Frist für das Schwangerschaftsalter wie bei der Beratungsregel vorgegeben ist.
Die mit Abstand größte Anzahl aller gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche erfolgt mit 96 % nach der Beratungsregel. Die übrigen 4 % der Fälle werden aus medizinischer oder kriminologischer Indikation durchgeführt, wobei letztere deutlich unter 1 % liegt. Im Jahr 2022 ist die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche mit rund 104.000 gemeldeten Fällen um 9,9 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, nachdem im Jahr 2021 mit 94.600 Fällen der niedrigste Stand seit Beginn der Statistik gemeldet wurde.
Im 3. Quartal 2023 wurden in Deutschland rund 26.600 Schwangerschaftsabbrüche erfasst. Dies waren 0,7 % mehr als im 3. Quartal des Vorjahres.
Am 19. Juli 2022 trat die Streichung von Paragraf 219a StGB in Kraft. Darin wurde ein Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche geregelt.
Aktuell berät der Bundestag über die sogenannte Gehsteigbelästigung von Abtreibungsgegnern. Verstöße könnten künftig eine Ordnungswidrigkeit darstellen und mit einem Bußgeld von bis zu 5.000 Euro geahndet werden.
Das ESchG untersagt die Eizellspende in Deutschland bei Strafandrohung für den Arzt, nicht aber für eine Frau, die eine gespendete Eizelle, beispielsweise im benachbarten Ausland, erhält. Eine Samenspende hingegen ist zulässig. Ebenfalls verbietet das ESchG alle Formen der Leihmutterschaft. Außerhalb Deutschlands ist die Situation eine andere. Die Bundesrepublik Deutschland ist mittlerweile gemeinsam mit Luxemburg das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die Eizellspende nicht erlaubt ist. In der Mehrzahl handelt es sich um anonyme Eizellspenden, wobei das Kind im Nachhinein keine Möglichkeit hat, seine genetische Abstammung zu eruieren. In Länder wie Belgien, Niederlande, Schweden, Kanada, Australien und Neuseeland ist eine altruistische Leihmutterschaft gestattet. In wenigen Ländern sind kommerzielle Varianten erlaubt, wie in einigen US-Staaten, Indien und der Ukraine.
§ 218: Schwangerschaftsabbrüche sollten nach Meinung der Kommission in der Frühschwangerschaft, bevorzugt in den ersten zwölf Wochen, straffrei und rechtmäßig erlaubt sein. Die konkrete zeitliche Begrenzung sei der Politik überlassen. In einer mittleren Phase der Schwangerschaft stellt das Gremium dem Gesetzgeber frei, ob und wie lange ein Abbruch erlaubt ist. Grundsätzlich kritisch zu betrachten sind Abbrüche ab Lebensfähigkeit des Kindes, was medizinisch ab etwa SSW 22+0 gegeben ist. Weiterhin gilt die medizinische Indikation, d. h. wenn eine Fortsetzung der Schwangerschaft die physische oder mentale Gesundheit der Frau unzumutbar beeinträchtigt oder gefährdet.
Eizellspende: Die Kommission hält Begründungen, wie eine gespaltene Mutterschaft, für nicht mehr tragfähig. Das Kindeswohl sei nicht gefährdet und ein Verbot der Eizellspende heute nicht mehr gerechtfertigt. Eizellspenden könnten bei schonenden Entnahmetechniken zugelassen werden. Die Spenderinnen sollten Zugang zu unabhängigen Informationen haben.
Leihmutterschaft: Hier ist die Kommission zurückhaltender. Unter engen Voraussetzungen wäre eine Legalisierung begründbar, etwa wenn Leihmutter und Wunscheltern miteinander bekannt oder verwandt sind. Ansonsten läge es im Ermessen des Gesetzgebers, das Verbot weiterhin aufrecht zu erhalten.
Die zuständigen Bundesminister aus den Bereichen Gesundheit, Familie und Justizministerium betonten, die Debatte dürfe nicht zu einer Spaltung der Gesellschaft führen. Man werde sich um eine Prüfung des über 600 Seiten umfassenden Berichts bemühen. Es gehe ihnen um einen geordneten Prozess und eine sachliche Debatte. Es wird offengelassen, ob es vor der nächsten Bundestagswahl noch zu einer Reform kommen wird. Am schwierigsten erscheint die Diskussion um den § 218, für den es keine einheitliche Meinung in der Koalition gibt und der am stärksten von einer Gewissensentscheidung betroffen ist. Am wahrscheinlichsten ist zunächst eine offene Debatte im Bundestag, um ein Meinungsbild zu gewinnen.
„Wir haben ein seit den Neunzigerjahren eingeübtes Vorgehen, ich wüsste nicht, was durch eine Neuregelung besser werden sollte“, meint Prof. Matthias David, geschäftsführender Oberarzt an der Charité und Mitautor der ersten Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch in der Zeit. Frauen könnten unter Einhaltung der Vorgaben eine Schwangerschaft abbrechen, ohne eine Bestrafung zu fürchten.
Kritiker sehen im § 218 eine Stigmatisierung und ein entwürdigendes Vorgehen, das nicht zu einer aufgeklärten Gesellschaft passe. Es wäre endlich an der Zeit, dass Frauen in diesem Bereich ein Recht auf Selbstbestimmung bekommen. Das Gesetz kriminalisiere den Schwangerschaftsabbruch und führe dazu, dass es immer weniger Ärzte gäbe, die Abbrüche durchführen würden.
Um die Thematik wissenschaftlich aufzuarbeiten, hat die Bundesregierung vor drei Jahren die Elsa-Studie („Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung“) in Auftrag gegeben. Unter der Leitung der Hochschule Fulda sollen möglichst viele Facetten des Schwangerschaftsabbruches analysiert werden. So sind nicht nur die Angaben der betroffenen Frauen, sondern auch die Perspektiven von Ärzten und Beratungsstellen wichtig. Im Herbst soll der Gesamtbericht mit abschließenden Ergebnissen und Handlungsempfehlungen vorliegen. Dies könnte die gesellschaftliche und politische Debatte mitbestimmen.
Der grundsätzlich ethische Konflikt des Schwangerschaftsabbruches wird trotz Expertenkommission und Studie bleiben. Das liegt zum einen an der unterschiedlichen Perspektive, wann Leben beginnt und ab wann es schützenswert ist. Zum anderen an der Gegenüberstellung zweier Rechtsansprüche, dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und dem Lebensschutz des Kindes, welches das Bundesverfassungsgericht bisher hervorgehoben hat.
Die Medizinethikerin und Kommissionmitglied, Prof. Christiane Woopen, meint: „Es geht hier um grundlegende Fragen von Frauenrechten und Schutzpflichten für den Embryo und Fötus. Ein Blick in die USA zeigt, wie wichtig es ist, diese Diskussion mit sachbezogenen Argumenten zu führen. Ich wünsche mir, dass die Debatte von gegenseitigem Respekt geprägt ist.“
Dem kann man sich nur anschließen.
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