Ein Universal-Impfstoff gegen alle RNA-Viren – das klingt zu schön, um wahr zu sein. US-Forscher sind so einer Impfung jetzt aber einen Schritt nähergekommen. Wie sie funktioniert, lest ihr hier.
Jedes Jahr stecken Wissenschaftler ihre Köpfe zusammen, um zu prognostizieren, welche Influenzaviren in der kommenden Grippesaison am häufigsten auftreten werden. Mit einer brandneuen Impfstrategie, die Forscher jetzt in Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht haben, könnte das bald ein Ende haben. Das Besondere: Ihre Strategie könnte den Bedarf an verschiedenen Impfstoffen überflüssig machen, da sie einen Teil des viralen Genoms ins Visier nimmt, der allen Virenstämmen gemein ist.
Traditionell beruhen Impfstoffe entweder auf einer abgetöteten oder modifizierten, lebenden Version eines Virus. Das Immunsystem eines infizierten Körpers erkennt ein Protein im Virus und mobilisiert daraufhin die Immunantwort. Diese Reaktion erzeugt T-Zellen, die das Virus angreifen und seine Ausbreitung stoppen. Es produziert auch B-Gedächtniszellen, die das Immunsystem darauf trainieren, vor zukünftigen Angriffen zu schützen.
Da Lebendimpfstoffe das abgeschwächte, aber vermehrungsfähige Virus in den Körper einschleusen, haben Menschen mit einem unterentwickelten Immunsystem, wie Säuglinge, oder immunsupprimierte Menschen, oft starke Nebenwirkungen. Der neue Impfstoff-Kandidat hingegen verlässt sich nicht darauf, dass der geimpfte Körper diese traditionelle Immunantwort aufweist. Stattdessen beruht die Impfung auf winzigen RNA-Molekülen, die der Körper auf natürliche Weise durch einen Prozess erzeugt, der als RNA-Interferenz (RNAi) bekannt ist. Normalerweise blockieren Viren diesen RNAi-Prozess. Doch ein Ausschalten dieses viralen Tricks könnte dazu führen, dass der infizierte Körper die Produktion der auf das Virus gerichteten kleinen interferierenden RNAs drastisch erhöht. Und hier setzt die Idee der Forscher an.
„Wenn wir ein mutiertes Virus herstellen, das das Protein zur Unterdrückung unserer RNAi nicht produzieren kann, können wir das Virus schwächen. Es kann sich bis zu einem gewissen Grad replizieren, verliert dann aber den Kampf gegen die RNAi-Antwort des Wirts“, erklärt Shouwei Ding, Mikrobiologie-Professor an der University of California Riverside. „Ein auf diese Weise geschwächtes Virus kann als Impfstoff verwendet werden, um unser RNAi-Immunsystem zu stärken.“ Das Team untersuchte die Wirkung ihres Impfstoffs an Mäusen, denen sowohl B- als auch T-Zellen fehlten, und verabreichte ihnen eine Dosis des RNAi-Impfstoffs und eine tödliche Dosis von Nodamura, einem durch Mücken übertragenen Mausvirus. Nach nur einer Impfung waren die Mäuse ab Tag 2 für 90 Tage vor dem Nodamura-Virus geschützt.
Doch was ist mit dem offensichtlichen Problem, dass Viren sich ständig neu anpassen und mutieren? Die Forscher glauben nicht, dass die Viren im Stande sind, diese neue Impfstategie zu umgehen. Virologe Rong Hai sagt: „Viren können in Regionen mutieren, auf die herkömmliche Impfstoffe nicht abzielen. Wir zielen jedoch mit Tausenden von kleinen RNAs auf ihr gesamtes Genom ab. Dem können sie nicht entkommen.“
Das Team geht davon aus, dass sie ihre Strategie für alle möglichen RNA-Viren, einschließlich Influenza, SARS-CoV-2 bis hin zu Dengue einsetzen könnten. Allerdings haben sie ihren Impfstoff bislang erst an Mäusen getestet – und der Weg von der Maus zum Menschen ist bekanntlich weit. Spannend ist die neue Strategie aber allemal.
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