Forscher haben eine Genvariante entdeckt, die die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, um bis zu 70 Prozent verringert. Was bedeutet das für die Therapie?
Neurowissenschaftler der Columbia University haben eine Genvariante entdeckt, die Risikopatienten vor Alzheimer schützen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, sank damit um bis zu 70 Prozent. Entdeckt wurde eine schützende Variante, die toxische Formen des Amyloids aus dem Gehirn heraus und durch die Blut-Hirn-Schranke hindurchzulassen scheint. Das unterstützt die Annahme, dass die Blutgefäße des Gehirns eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Krankheit spielen und könnte eine neue Richtung für Therapien eröffnen.
„Obwohl die Alzheimer-Krankheit mit Amyloid-Ablagerungen im Gehirn beginnt, sind die Manifestationen der Krankheit das Ergebnis von Veränderungen, die nach der Entstehung der Ablagerungen auftreten“, sagt Dr. Caghan Kizil, Co-Leiter der Studie vom Vagelos College of Physicians and Surgeons der Columbia University.
Die in der Studie identifizierte Variante kommt in einem Gen vor, das Fibronektin produziert. Fibronektin kommt normalerweise in sehr geringen Mengen in der Blut-Hirn-Schranke vor, ist aber bei Alzheimer-Patienten stark erhöht. Die im Fibronektin-Gen identifizierte Variante scheint vor der Alzheimer-Krankheit zu schützen, indem sie die Ansammlung von überschüssigem Fibronektin an der Blut-Hirn-Schranke verhindert.
Die Forscher bestätigten diese Hypothese in einem Zebrafisch-Modell und führen derzeit weitere Studien an Mäusen durch. Sie fanden auch heraus, dass die Verringerung von Fibronektin bei den Tieren die Amyloid-Clearance erhöhte und andere durch die Alzheimer-Krankheit verursachte Schäden verbesserte. „Diese Ergebnisse brachten uns auf die Idee, dass eine Therapie, die auf Fibronektin abzielt und die schützende Variante imitiert, auch beim Menschen einen starken Schutz vor der Krankheit bieten könnte“, sagt Dr. Richard Mayeux, ebenfalls Co-Leiter der Studie, vom Lehrstuhl für Neurologie.
Die neuesten Behandlungsmethoden für die Alzheimer-Krankheit zielen direkt auf die Amyloid-Ablagerungen ab und sind sehr wirksam, wenn es darum geht, die Ablagerungen durch das Immunsystem zu beseitigen. Die Beseitigung der Ablagerungen auf diese Weise führt jedoch nicht zu einer Verbesserung der Symptome oder zu einer Behebung anderer Schäden. „Wir müssen möglicherweise viel früher damit beginnen, das Amyloid zu beseitigen und wir glauben, dass dies über den Blutkreislauf geschehen kann“, fügt Mayeux hinzu.
Die Forscher entdeckten die schützende Variante bei Menschen, die nie Symptome entwickelten, aber die e4-Form des APOE-Gens geerbt hatten, die das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, deutlich erhöht. Um die schützenden Mutationen zu finden, sequenzierten die Columbia-Forscher die Genome von mehreren Hundert APOEe4-Trägern im Alter von über 70 Jahren unterschiedlicher ethnischer Herkunft, darunter auch solche mit und ohne Alzheimer-Krankheit.
Auf der Grundlage der Beobachtungen des Columbia-Teams wiederholte eine andere Gruppe der Universitäten Stanford und Washington die Studie an einer unabhängigen Kohorte von APOEe4-Trägern, die überwiegend europäischer Herkunft waren. „Sie fanden die gleiche Fibronektin-Variante, was unseren Befund bestätigte und uns noch mehr Vertrauen in unser Ergebnis gab“, sagt Vardarajan.
Die beiden Gruppen kombinierten die Daten ihrer 11.000 Teilnehmer und errechneten, dass die Mutation die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken, bei APOE4-Trägern um 71 Prozent senkt und den Ausbruch der Krankheit bei Erkrankten um etwa vier Jahre verzögert. Die Forscher schätzen, dass 1 bis 3 % der APOEe4-Träger in den USA – etwa 200.000 bis 620.000 Menschen – auch die schützende Fibronektin-Mutation tragen könnten.
Obwohl die Fibronektin-Variante bei APOEe4-Trägern entdeckt wurde, könnte sie auch Menschen mit anderen APOE-Formen vor der Alzheimer-Krankheit schützen. „Es gibt einen signifikanten Unterschied in den Fibronektin-Werten in der Blut-Hirn-Schranke zwischen kognitiv gesunden Menschen und Menschen mit Alzheimer, unabhängig von ihrem APOEe4-Status“, sagt Kizil. „Alles, was überschüssiges Fibronektin reduziert, sollte einen gewissen Schutz bieten, und ein Medikament, das dies tut, könnte ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit sein.“
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Columbia University Irving Medical Center. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Patrick Robert Doyle, Unsplash