Sport schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen – so weit, so bekannt. Wie aber wirken sich starke körperliche Belastungen, wie bei Radrennen oder Marathon, auf das Herz aus? Dazu gibt’s jetzt neues Studienfutter.
Obwohl regelmäßige körperliche Aktivität mit einem geringeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist, erhöht sich das Risiko für plötzlichen Herztod (SCD) und plötzlichen Herzstillstand (SCA) während und kurz nach einer starken körperlichen Anstrengung. Auch bei Massenveranstaltungen wie Radrennen oder Marathon wird immer wieder von SCD oder SCA berichtet. Die jährliche Inzidenz des belastungsbedingten plötzlichen Herzstillstands in der europäischen Bevölkerung wird auf 0,19 pro Million bei Frauen und 2,63 pro Million bei Männern geschätzt, mit einer Überlebensrate von 59 %. Diese Inzidenz basiert auf den Aufzeichnungen von Krankenhäusern und Rettungsdiensten oder Medienberichten und schließt Fälle ein, die während oder innerhalb einer Stunde nach der Anstrengung starben.
Doch dieser Ansatz unterschätzt möglicherweise die Häufigkeit der Todesfälle, da Teilnehmer von Massensportveranstaltungen zwar ins Krankenhaus eingeliefert werden, aber dann einige Tage später verstorben sein könnten.
Forscher um Bakker et al. untersuchten in ihrer aktuellen Studie, wie gefährlich die Teilnahme an Massenevents tatsächlich ist. Im Zuge ihrer Kohortenstudie untersuchten sie die Daten von 546.876 Teilnehmern und 211.592 Nichtteilnehmern niederländischer Lauf-, Fahrrad- und Walking-Events zwischen 1995 und 2017. Der Überlebensstatus wurde aus dem niederländischen Bevölkerungsregister ermittelt. Ein zeitstratifiziertes Fall-Crossover-Design untersuchte, ob verstorbene Teilnehmer 0–7 Tage vor ihrem Tod häufiger an Massensportveranstaltungen teilnahmen als im Referenzzeitraum (14–21 Tage vor dem Tod). Die Mortalitätsrisiken während der Nachbeobachtung wurden zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung verglichen.
Die Stärken der Studie liegen in der großen Stichprobengröße, den detaillierten Informationen zu den Massensportveranstaltungen und der Bewertung sowohl akuter als auch mittelfristiger Auswirkungen. Als Limitation der Studie ist das Fehlen von Informationen über den Gesundheitszustand, das atherosklerotische Risikoprofil, die gewohnheitsmäßige Aktivität und den Lebensstil der Teilnehmer zu nennen.
Es wurden 546.876 Teilnehmer (medianes Alter 41 Jahre, 56 % Männer, 72 % Läufer) und 211.592 Nichtteilnehmer (medianes Alter 41 Jahre, 67 % Männer) eingeschlossen. Insgesamt verstarben 4.625 Teilnehmer, wobei im Vergleich zum Referenzzeitraum (n = 12) mehr Teilnehmer 0–7 Tage vor ihrem Tod an einer Sportveranstaltung teilgenommen hatten (n = 23), und das mit akuter körperlicher Betätigung verbundene Sterblichkeitsrisiko war höher. Dies erreichte allerdings keine statistische Signifikanz. Während der Nachbeobachtungszeit von 3,3 Jahren hatten die Teilnehmer nach Anpassung an Alter und Geschlecht ein um 30 % geringeres Sterberisiko (HR 0,70; 95 %-KI 0,67–0,74) im Vergleich zu Nichtteilnehmern. Läufer (HR 0,65; 95 %-KI 0,62–0,69) und Radfahrer (HR 0,70; 95 %-KI 0,64–0,77) hatten die beste Überlebensrate während der Nachbeobachtung, gefolgt von den Wanderern (HR 0,88; 95 %-KI 0,80–0,94).
Die langfristigen Gesundheitsvorteile, die eine Teilnahme an Sportveranstaltungen und regelmäßige Bewegung mit sich bringen, scheinen also die Risiken für plötzlichen Tod zu überwiegen. Die Teilnahme an Massensportveranstaltungen war in der Untersuchung von Bakker et al. mit einem nicht signifikant erhöhten Sterberisiko verbunden (OR 1,92). Allerdings beobachteten sie während der Nachbeobachtungszeit von 3,3 Jahren ein um 30 % geringeres Risiko für einen Gesamttod im Vergleich zu Nichtteilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung. Diese Risikoreduzierung war bei verschiedenen Sportarten vorhanden und abhängig von der Sportintensität, da Läufer und Radfahrer eine größere Risikoreduzierung aufwiesen als Wanderer.
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Bildquelle: Florian Schmetz, unsplash