Das Darmmikrobiom ist in aller Munde – auch beim Thema Parkinson. Erstmals konnten motorische Symptome durch eine Stuhltransplantation verbessert werden. Besonders überraschend: Es musste nicht mal fremder Stuhl sein.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine Zusammenfassung.
Eine Ursache für die weltweit steigende Häufigkeit der Parkinson-Erkrankung ist neben dem demographischen Wandel auch die Exposition gegenüber Umweltgiften. Neben den bekannten motorischen Symptomen treten bei der Parkinson-Krankheit auch belastende nicht-motorische Symptome wie orthostatische Hypotonie oder Störungen des REM-Schlafs auf. Ein sehr häufiges Symptom, das zudem meist schon in der Prodromalphase der Erkrankung auftritt, ist die Obstipation. Etwa 80 Prozent der Parkinson-Patienten leiden unter diesem Symptom, das sich auch durch eine verlängerte Kolontransitzeit objektivieren lässt.
Der Darm scheint bei der Entstehung der Krankheit eine wichtige Rolle zu spielen. Im Darm von Parkinson-Patienten wurden Anzeichen einer chronischen Entzündung und einer gestörten Durchlässigkeit gefunden. Bei Parkinson kommt es in den betroffenen Nervenzellen zu Ablagerungen von fehlgefalteten Proteinen, dem α-Synuklein. Diese α-Synuklein-Ablagerungen finden sich bei Betroffenen auch im Magen-Darm-Trakt und zwar bereits in der Prodromalphase. Es könnte sein, dass die Erkrankung im Darm beginnt und sich das fehlgefaltete α-Synuklein über den Nervus vagus bis ins Gehirn ausbreitet. Für diese Hypothese spricht die Beobachtung, dass Menschen, die sich wegen eines medikamentös nicht beherrschbaren Magengeschwürs einer Vagotomie unterzogen haben, ein geringeres Parkinson-Risiko aufweisen. Außerdem gibt es Unterschiede in der Darmflora zwischen Parkinson-Kranken und Gesunden.
Wenn also ein gestörtes Darmmikrobiom für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Parkinson-Krankheit mitverantwortlich ist, kann genau dort therapeutisch angesetzt werden. Durch eine Stuhltransplantation, auch fäkaler Mikrobiota-Transfer genannt, kann das Darmmikrobiom nachhaltig beeinflusst werden. Diese Behandlungsmethode ist in der Therapie chronischer Clostridium difficile-Infektionen, wie sie nach Antibiotikatherapien auftreten können, etabliert. In kleineren Fallserien und Pilotstudien wurde die Stuhltransplantation auch bei Parkinson-Patienten getestet. Hier zeigten sich bereits positive Effekte auf die Obstipation. Wissenschaftler der belgischen Universität Gent haben nun erstmals in einer größeren randomisierten und doppelblinden Studie die Auswirkungen des fäkalen Mikrobiota-Transfers auf die motorischen Symptome der Parkinson-Erkrankung untersucht.
46 Patienten im Alter zwischen 50 und 65 Jahren mit Parkinson im Frühstadium wurden in zwei Gruppen randomisiert. In der Therapiegruppe erhielten die Teilnehmer einen fäkalen Mikrobiota-Transfer von gesunden Stuhlspendern mittels nasojejunaler Applikation. In der Placebogruppe erhielten die Teilnehmer ein Präparat aus ihrem eigenen Stuhl. Pro Teilnehmer wurden 50 g Stuhl verwendet, der mit steriler Kochsalzlösung gemischt, homogenisiert und filtriert wurde. Da in der Placebogruppe der eigene Stuhl transplantiert wurde, musste jeder Studienteilnehmer eine Stuhlprobe abgeben. Die Stuhlprobe wurde zu Hause in einem standardisierten Plastikbehälter gesammelt und musste innerhalb von 2 Stunden zur weiteren Verarbeitung ins Labor gebracht werden.
Die Teilnehmer wurden vor Studienbeginn ausführlich mittels verschiedener klinischer und apparativer Tests untersucht. Nachuntersuchungen fanden nach 3, 6 und 12 Monaten statt. Der primäre Endpunkt war die Veränderung des UPDRS Motor Score nach 12 Monaten. Je höher der Score (0–132), desto schwerer sind die motorischen Symptome. Die Therapiegruppe startete mit einem durchschnittlichen Score von 40,3, die Placebogruppe mit 37,1. Nach 12 Monaten verbesserte sich der Score in der Therapiegruppe signifikant um 5,8 Punkte auf 34,6, in der Placebogruppe verbesserte sich der Score ebenfalls, jedoch nur um 2,7 Punkte auf 34,5.
Der Unterschied in der Verbesserung des Score nach 12 Monaten war somit statistisch signifikant. Bei genauerer Betrachtung der Daten bleiben jedoch einige Fragen offen. Zu den beiden anderen Untersuchungszeitpunkten nach 3 und 6 Monaten war die Verbesserung in der Placebogruppe größer als in der Therapiegruppe. Dies kehrte sich erst zum letzten Untersuchungszeitpunkt um. Eine noch längere Nachbeobachtungszeit wäre daher wichtig, um zu sehen, ob es sich um einen plausiblen Verlauf handelt und die motorischen Symptome tatsächlich dauerhaft verbessert werden können. Zudem erscheint es ungewöhnlich, dass es auch in der Placebogruppe zu einer Verbesserung kam.
Die Parkinson-Krankheit verläuft langsam progredient, normalerweise wird in frühen Krankheitsstadien eine Verschlechterung des UPDRS Motor Score um ca. 6 Punkte pro Jahr erwartet. Die auch in der Placebogruppe beobachtete Verbesserung könnte zum einen auf einen ausgeprägten Placeboeffekt zurückzuführen sein. Durch das aufwändige Verfahren können bei den Teilnehmern hohe Erwartungen an die Therapie geweckt werden. Zudem haben andere Studien gezeigt, dass auch ein autologer fäkaler Mikrobiota-Transfer, wie er in der Placebogruppe durchgeführt wurde, das Darmmikrobiom verändern kann.
Um die Wirksamkeit der Stuhltransplantation in der Parkinson-Therapie zweifelsfrei nachzuweisen, müsste eine größere Studie mit deutlich mehr als 46 Teilnehmern durchgeführt werden. Außerdem müsste die Nachbeobachtungszeit länger als ein Jahr sein. Diese Voraussetzungen machen eine solche Studie aufwändig und teuer. Dennoch besteht hier die Chance, einen neuen Therapieansatz zu etablieren, der möglicherweise auch krankheitsmodifizierende Effekte hat. Bisher basiert die Parkinson-Therapie ausschließlich auf der Behandlung der Symptome durch Medikamente, die den Dopaminmangel ausgleichen. Neue Therapieansätze werden daher sehnlichst erwartet.
Die Studie stellt eine mögliche Neuerung in der Parkinson-Therapie vor: Stuhltransplantationen könnten helfen, motorische Symptome zu verbessern. Diese Methode basiert auf der Idee, dass das Darmmikrobiom maßgeblich an der Entwicklung der Krankheit beteiligt ist. In einer Studie zeigten Patienten, die Stuhl von gesunden Spendern erhielten, eine deutliche Besserung im Vergleich zu denen, die ihr eigenes Material zurückbekamen. Trotz vielversprechender Ergebnisse bleiben Fragen offen, besonders da auch die Placebogruppe Verbesserungen zeigte. Dies deutet möglicherweise auf einen starken Placeboeffekt hin und unterstreicht die Notwendigkeit größerer, langfristiger Studien, um die Wirksamkeit und den Einfluss dieser Therapie wirklich zu verstehen.
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