Eine Patientin erkrankt zweimal an einem gynäkologischen Malignom. Weil ein Tumormarker leicht erhöht bleibt, führt die Spur zu einer ganz anderen Organmanifestation – und einem tragischen Ausgang.
Spätestens, wenn man mit einem komplexen onkologischen Fall konfrontiert wird, weiß man, warum das Medizinstudium eigentlich so lang ist, wie es nun mal ist. Dann bewährt sich ein breiteres medizinisches Grundverständnis und erleichtert die interdisziplinäre Zusammenarbeit, wie im folgenden Fall.
Eine 56-jährige postmenopausale Patientin (III. Gravida/III. Para) nahm regelmäßig an der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchung teil. Sie war bisher gesund, es lagen kein Nikotin- oder Alkoholabusus vor. Bei der Verabschiedung berichtete sie noch, dass sie demnächst einen Termin zum Mammographie-Screening habe. Die beiden Voruntersuchungen, die im zweijährigen Abstand stattfanden, waren jeweils unauffällig.
Drei Wochen später wurde ein Tumor in der linken Mamma radiologisch diagnostiziert. Es erfolgte die histologische Verifizierung eines Mammakarzinoms links, das brusterhaltend operiert wurde. Die postoperative Histologie ergab ein 6 mm messendes, hochdifferenziertes, duktal invasives Mammakarzinom mit intra- und peritumorösen Anteilen eines duktalen Carcinoma in situ (DCIS High-Grade plus verkalkter Nekrosen) und einzelnen kanzerisierten Drüsenläppchen. Die Lymphabflusswege waren tumorfrei. Der Rezeptorstatus ergab Östrogen 100 %, Progesteron 0 % und HER2neu negativ. KI-67 lag bei 20 %. Die Tumormarker CEA und CA 15-3 befanden sich im Normbereich.
Es wurde die perkutane Strahlentherapie der linken Mamma mit 54 Gy. durchgeführt. Anschließend erfolgte die antihormonelle Therapie mit einem Aromatasehemmer. Die regelmäßigen Nachsorgeuntersuchungen, einschließlich regelmäßiger apparativer Diagnostik, waren allesamt unauffällig.
Sieben Jahre später wurde wegen progredienten Mikrokalkes, der radiologisch in der rechten Brust diagnostiziert wurde, eine Abklärung empfohlen. Die Histologie ergab folgendes Ergebnis: geringgradig differenziertes, 25 mm messendes, duktales Carcinoma in situ mit fokalen, kleinherdigen Nekrosen. Der Rezeptorstatus wurde mit Östrogen 90 %, Progesteron 80 % und HER2neu 2-fach positiv angegeben. KI-67 lag bei 50 %. Der Tumormarker CEA war mit 6,10 ng/ml (Norm < 3 ng/ml) leicht erhöht, CA 15-3 mit 9,60 U/ml im Normbereich.
Es erfolgte die brusterhaltende Operation und perkutane Strahlentherapie mit 54 Gy. Die Tumorkonferenz empfahl eine endokrine Rezidivprophylaxe mit Tamoxifen.
Während der Tumornachsorge blieb die leichte CEA-Erhöhung (Werte im Bereich 6,10 bis 6,40 ng/ml) konstant. Daraufhin wurde zunächst eine Gastro- und Koloskopie veranlasst, die unauffällig waren.
Anschließend klagte die Patientin über einen neuaufgetretenen Reizhusten. Eine bildgebende Diagnostik durch ein CT-Thorax-Abdomen erbrachte einen erneuten malignen Befund.
Es wurde eine suspekte Raumforderung von etwa 30 mm im posterioren Oberlappen links festgestellt. Weder pathologisch vergrößerte Lymphknoten noch andere Organmanifestationen waren darstellbar.
In der Thoraxchirurgie ergab die Oberlappenresektion der linken Lunge folgende Histologie: Oberlappenresektat links mit einem 33 mm messenden, überwiegend azinären, teils solide wachsenden, mäßig differenzierten Adenokarzinom der Lunge. Keine Pleurapenetration. Tumorabsiedlungen in zwei Lymphknoten (2/16). Tumorfreier Bronchusrand.
In der interdisziplinären Tumorkonferenz wurde die Empfehlung zu einer adjuvanten Therapie mit 4 Zyklen Cisplatin/Vinorelbin und anschließender Mediastinal-Bestrahlung gegeben. Im weiteren Verlauf erhielt die Patientin einen EGFR-Inhibitor (Osimertinib).
Drei Jahre später klagte die Patientin über neu aufgetretene Kopfschmerzen, Schwindel und Wortfindungsstörungen. Im MRT wurden rechts postzentral, links-frontal und rechts occipital drei Hirnmetastasen diagnostiziert. Durch Resektion der postzentral größten Metastase konnte in der Neurochirurgie die histologische Verifizierung erfolgen. Es handelte sich eine Metastasierung des Adenokarzinoms der Lunge. Die Patientin wurde durch mehrere strahlentherapeutischen und neurochirurgischen Interventionen sowie mit Dexamethason therapiert. Über ihren Hausarzt erhielt sie eine psychoonkologische Begleitung. Im Verlauf traten immer wieder neue Hirnmetastasen auf. Die Patientin erlag schließlich ihrer Erkrankung auf einer Palliativstation.Credit: DocCheck, erstellt mit Biorender.com
Komplexe medizinische Krankheitsverläufe erfordern eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Besonders bei onkologischen Erkrankungen sind alle beteiligten Fachgruppen – hier Experten aus der Onkologie, Gynäkologie, Strahlentherapie, Radiologie, Thorax- und Neurochirurgie, Allgemein- und Palliativmedizin, Psychoonkologie und Sozialarbeit – unverzichtbar. Nur so können wir unsere schwerkranken Patienten bestmöglich begleiten.
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