Von Arztbriefen über Wirkstoffdesigns bis zu Assistenzsystemen im OP: KI macht auch vor der Onkologie nicht Halt. Zahlreiche Projekte sind auf dem Sprung von der Forschung in die Anwendung. Welche davon sind sinnvoll?
Das Spektrum KI-basierter Anwendungen wächst stetig – auch in der Onkologie. Für nahezu alle Bereiche gibt es mindestens Pilotprojekte und -studien. Ein Überblick.
AlphaFold heißt eine der großen KI-Anwendungen, mit der es besser denn je möglich ist, die Faltung von Proteinen vorherzusagen – und auch gänzlich neue Moleküle am Computer zu entwerfen, die spezifisch an Rezeptoren passen. Dort zeigen sie als Inhibitoren oder Aktivatoren Effekte im Sinne einer spezifischen Krebstherapie. Angesichts solcher Vorteile haben Experten jetzt die Post-AlphaFold-Ära ausgerufen.
Auch rein datengetriebene Projekte kommen besser denn je voran. KI-basierte Anwendungen screenen große Mengen an Gesundheitsdaten („Big Data“), um Auffälligkeiten zu erkennen, etwa Muster, die weit vor einer Diagnose auf maligne Erkrankungen hindeuten. Daten können aus der Routineversorgung kommen, etwa anonymisiert aus elektronischen Patientenakten. Zum Training solcher Algorithmen eignen sich Daten aus Krebsregistern.
Besonders weit sind KI-Technologien im Bereich der Diagnostik fortgeschritten. Ihre Stärke ist, Muster in Daten zu erkennen – vom klassischen Foto bis zum CT- oder MRT-Datensatz. So gibt es Anwendungen, die über eine Smartphone-App Ärzten helfen, Melanome von harmlosen Nävi zu unterscheiden. Das funktioniert auch etwa bei der Bewertung von dermatoskopischen Aufnahmen. Sie erreichen – bislang in Pilotstudien – eine hohe Sensitivität und Spezifität.
Diagnostik-Unterstützung bieten KI-Tools in vielen Teilbereichen, vor allem, wenn Daten der bildgebenden Diagnostik auszuwerten sind. Dazu zählen Analysen von Röntgen-Aufnahmen des Thorax zur Lungenkrebs-Diagnose, von PETs, um Lymphome zu erkennen oder von Endoskopie-Aufnahmen, um Darmpolypen aufzuspüren.
Generell hat KI das Potenzial, die bildgebende Diagnostik zu verbessern, wie eine Studie der Unis Heidelberg, Bonn und Genf belegt. Mit deutlich weniger Rohdaten – heißt deutlich schneller – gelingt es, hochwertige MRT-Aufnahmen zu erstellen, falls KI-Tools zum Einsatz kommen. In einem anderen Ansatz spüren auf Deep Learning basierende Anwendungen Unterschiede zwischen chronischen Entzündungen und Krebs der Bauchspeicheldrüse auf; Grundlage sind Sequenzdaten aus Gewebe-Biopsien.
Ein weiteres Feld, bei dem KI Onkologen unterstützen kann, ist die Prognose von Krankheitsverläufen und das Ansprechen auf Therapien anhand von Gesundheitsdaten. Auch hier geht es um das Erkennen von Mustern in Big Data. KI-Anwendungen können Therapieoptionen vorschlagen; das letzte Wort haben aber Ärzte. Gerade in der Immunonkologie gewinnen KI-getriebene personalisierte Therapien an Bedeutung.
Die besondere Fähigkeit KI-gestützter Anwendungen, in Bildern Muster zu finden, lässt sich für assistierte Eingriffe nutzen. In Zukunft erhält der Operateur Hinweise von der KI, welche Bereiche eines Gewebes entfernt werden sollten. Und in der Radioonkologie hilft KI Ärzten bereits, um Strahlendosen zu minimieren und die zu bestrahlenden Bereiche spezifisch einzugrenzen.
Nicht zuletzt sind es Routineaufgaben, bei denen KI-basierte Anwendungen ihre Stärken ausspielen. Suchmaschinen und Large Language Models (Text-KI-Anwendungen, die auf Basis eines antrainierten Sprachschatzes arbeiten) können Daten für Ärzte bereitstellen, sortieren und auswerten. Und eine Pilotstudie zeigt das Potenzial solcher Algorithmen selbst beim Schreiben von Arztbriefen. Mit der zunehmenden Digitalisierung erschließen sich weitere mögliche Anwendungen für KI-Modelle, etwa durch Schnittstellen zur elektronischen Patientenakte.
Bleibt als Fazit: Künstliche Intelligenz wird die Onkologie revolutionieren und Ärzte entlasten, aber nicht ersetzen. Viele Anwendungen befinden sich auf dem Sprung in die Anwendung. Damit sie brauchbare Ergebnisse liefern, sind einige Rahmenbedingungen wichtig:
Beachten Entwickler, aber auch Zulassungsbehörden, diese Aspekte, wird dem Siegeszug von KI-Anwendungen in der Onkologie nichts im Wege stehen.
Bildquelle: Rad Pozniakov, Unsplash