Infektiologen werden täglich überschüttet mit neuen „bahnbrechenden“ Studien und Meta-Analysen. Wir waren für euch beim Infektio-Update und haben die Spreu vom Weizen getrennt.
Während des diesjährigen Infektio-Updates in Berlin haben führende Experten die Fortschritte des letzten Jahres auf ihrem Gebiet der Infektiologie diskutiert. Wir stellen euch die wichtigsten Erkenntnisse in der Pneumologie, bei gastrointestinalen Infektionen und bei der Therapie multiresistenter Erreger vor.
Alle paar Jahre häufen sich Mykoplasmenfälle, um danach wieder von der Bildfläche zu verschwinden – und dieses Jahr ist es mal wieder so weit. Betroffen sind vor allem junge Patienten mit wenigen Komorbiditäten, bei denen die erste Therapie mit Amoxicillin nicht anschlägt. Trotzdem bleibt Amoxicillin das Mittel der Wahl, betont Rednerin Dr. Jessica Rademacher. Ärzte sollten dieses Jahr die Mykoplasmen aber auf dem Schirm haben und schnell reagieren, wenn die erste Behandlung keine Wirkung zeigt.
Bei leichterer Community Acquired Pneumonia (CAP) ist Penicillin und bei Komorbidität die Kombination mit Beta-Laktamase-Inhibitoren weiterhin Mittel der Wahl, bei mittelschwerer bis schwerer CAP können laut neusten Erkenntnissen aber auch Makrolide dazugegeben werden. Anaerobier-wirksame Therapien hingegen seien nicht zu empfehlen, da sie in einer Studie zu keinem Unterschied beim Überleben, aber zu einem erhöhten Risiko für eine Clostridium difficile-Kolitis geführt haben.
Für die Behandlung einer nosokomial erworbenen Pneumonie (Hospital Acquired Pneumonia, HAP) gibt es seit März 2024 eine neue S3-Leitlinie, an der Rademacher federführend beteiligt war. Die Leitlinie beinhaltet einen Algorithmus zur passenden Behandlung, der sich am Schweregrad der HAP und am MRE-Risiko orientiert. Zudem wird darauf hingewiesen, dass eine Therapiedauer von 7–8 Tagen meist ausreichend und daher empfehlenswert ist, da eine kürzere Therapie auch ein geringeres Risiko für eine Resistenzentwicklung darstellt. Schließlich sollte vor allem bei Risikopatienten (z. B. mit Immunsuppression, COPD, Leberzirrhose oder Steroidtherapie) auch an eine Aspergillus-Infektion gedacht und bei Verdacht auf eine solche Infektion schnell mittels Antigentest auf Galaktomannan getestet werden.
Schließlich spricht Rademacher über sinnvolle Präventionsmaßnahmen der beatmungsassoziierten Pneumonie (VAP). Eine neue Studie hat gezeigt, wie effektiv Zähneputzen ist, weshalb diese einfache Maßnahme bei allen beatmungspflichtigen Patienten angewandt werden sollte. Inhalatives Amikacin hat hingegen nur mäßigen Nutzen in einer bisherigen Studie gezeigt und für den Aufwand und die Kosten sei der Effekt nicht überzeugend, so Rademacher.
Prof. Mathias Pletz beginnt seinen Vortrag mit den Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) und stellt direkt klar: „MRSA ist eigentlich keine echte Herausforderung mehr. Zum einen haben wir genügend Therapien, zum andern gehen die Zahlen auch zurück.“ Nun kommt eine weitere Therapie-Option hinzu: Daptomycin. Zwei Meta-Analysen aus dem letzten Jahr haben gezeigt, dass es dem etablierten Vancomycin überlegen ist, wenn man innerhalb der ersten 3–5 Tage auf Daptomycin umstellt. Das Resistenzprofil ist generell auch gut, allerdings kann es gerade auf Intensivstationen zu einer Cave Daptomycin-Resistenz nach Exposition von Polyhexanid zur Wundreinigung kommen.
Auch bei Vancomycin-resistenten Enterokokken (VRE) könnte Daptomycin Anwendung finden: Obwohl es nach EUCAST aktuell nicht empfohlen wird, zeigte eine neue Studie, dass es bei einer höheren Dosis gleichwertig mit dem etablierten Linezolid ist. Und solche Alternativen werden dringend benötigt, denn Linezolid-Resistenzen breiten sich rapide aus. Das Resistenz-Gen sitzt nämlich auf einem mobilen genetischen Element und ist dadurch besonders gut zwischen den Bakterien übertragbar.
Ähnlich sieht es auch bei den Carbapenem-resistenten Gramnegativen (CR-GN) aus: Durch Carbapenemasen vermittelte Resistenzen nehmen schnell zu und werden vermutlich ebenfalls über mobile genetische Elemente vermittelt. Hoffnung bieten neue Beta-Laktame, die in zwei Studien eine gute Wirksamkeit und geringere Nephro-Toxizität als Colistin-basierte Kombinationstherapien gezeigt haben.
Pletz stellt auch neue Antibiotika vor, die in Studien eine gute Wirksamkeit gezeigt haben. Zur Behandlung von CAP und intraabdominelle Infektionen (IAI) treten Omadacyclin und Eravacyclin auf den Plan. Beide haben eine ähnliche Wirkung wie Carbapeneme. Eravacyclin soll dieses Jahr auch in Deutschland eingeführt werden. Die Kombination Aztreonam/Avibactam ist gegen bestimmte CR-GN wirksam und wird laut Pletz bereits erfolgreich „selbstgemischt klinisch angewandt, jetzt kommt aber hoffentlich bald das Original.“ Gegen komplizierte Harnwegsinfektionen (Complicated Urinary Tract Infections, cUTI) wurde dieses Jahr Cefepim/Emnetazobactam von der EMA zugelassen. Pletz bemängelt allerdings eine dünne Datenlage und hohe Kosten des Medikaments und spricht sich für weitere klinische Studien aus. Dafür blickt er optimistisch auf die Kombination Cefepim/Taniborbactam, ebenfalls gegen cUTI, die in einer klinischen Studie sogar gegenüber Carbapenemen überlegen war. Zuletzt stellt er noch Sulbactam/Durlobactam gegen CR-A. baumanii vor, welches seiner Einschätzung nach Colistin in dieser Indikation bald ablösen wird. Gegen andere CR-GN-Spezies ist es allerdings wirkungslos.
Für Gastrointestinale Infektionen (GI) gibt es seit letztem Jahr eine neue S2k-Leitlinie, an der auch Redner Prof. Thomas Weinke mitgearbeitet hat. In seinem Vortrag geht er vor allem auf Clostridium-difficile-Infektionen (CDI) ein und sagt: „Ganz klare Aussage: Bitte vergessen Sie das Metronidazol als Primärtherapie!“ Stattdessen sollte für jeden Patienten individuell geschaut werden, ob auf eine spezifische Antibiotika-Therapie verzichtet werden kann. Falls nicht und bei moderatem bis schwerem Verlauf, sollten Fidaxomicin oder Vancomycin gegeben werden, wobei Fidaxomicin eine geringere Rückfallrate hat. Bei rezidivierenden CDI kann ein fäkaler Mikrobiom-Transfer an bestimmten Studienzentren erwogen werden. Weinke hält dies grundsätzlich für einen sinnvollen Ansatz, um das Mikrobiom wieder aufzubauen und den Teufelskreis aus Antibiose und Infektion zu durchbrechen. Er sieht die Transplantation von Stuhl allerdings eher als Brückentherapie und sieht perspektivisch gezielte Mikrobiom-Medikamente als Mittel der Wahl. Solche werden in klinischen Studien auch bereits erprobt.
Auch für die Therapie einer Helicobacter-Infektion gibt es eine neue S2k-Leitlinie. Weinke betont, dass ein Helicobacter-Nachweis immer eine klare Therapie-Indikation ist und dass die Erstlinien-Behandlung eine Quadrupel-Therapie ist. Damit wird die Tripel-Therapie, die in Frankreich oder Italien angewandt wird, abgelöst. Weinke betont aber auch, dass weitere, flächendeckende Daten zur Resistenzlage von Helicobacter in Deutschland dringend nötig sind, um mit der Behandlung auf dem neusten Stand zu bleiben. Zudem ist es wichtig, nach mindestens vier Wochen eine Therapiekontrolle zu machen, um rechtzeitig reagieren zu können, falls die erste Therapie nicht angeschlagen hat.
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