Bei oralen Darreichungsformen sind anwenderfreundliche Präparate, die mehrere Wirkstoffe enthalten, beliebt bei Patienen. Dies begünstigt die Adhärenz. Bei der Verabreichung von parenteralen Zubereitungen ist ein Mischen jedoch nicht selten problematisch.
Der häufigste Fehler in einem deutschen Krankenhaus war in einer Studie von Taxis die gleichzeitige Verabreichung inkompatibler Arzneimittel in Kurzinfusionen. Diese Inkompatibilitäten umfassten 3/4 der potenziell schweren und 28/39 der potenziell bedeutsamen Fehler. In der Intensivmedizin machen klinische Inkompatibilitäten 25 Prozent der Medikationsfehler aus.
Im Gegensatz zu Arzneimittelinteraktionen, die im Körper ablaufen, treten Inkompatibilitäten bereits in vitro, also im Infusionsbehälter auf. Der Charakter einer Inkompatibilität ist ausschließlich negativ zu bewerten. Die pharmakologische Wirkung des Arzneistoffes wird herabgesetzt, aufgehoben oder das Reaktionsprodukt hat toxische Eigenschaften. Zu diesem Mechanismus kann es bei der Zubereitung, Herstellung oder Lagerung kommen. Folgende Reaktionen sind dabei möglich: 1. Der Arzneistoff reagiert mit:
2. Das Lösungsmittel reagiert mit:
3. Verschiedene Trägerlösungen reagieren untereinander.
Es ist unerheblich, ob die Produkte in einem Infusionsbehältnis, einem Dreiwegehahn oder in einer Hahnbank aufeinandertreffen. Viele Inkompatibilitäten lassen sich nicht vorhersehen, da neben dem eigentlichen Arzneistoff auch Hilfsstoffe für eine Unverträglichkeit verantwortlich sein können. Diese Problematik stellt sich in besonderem Maße bei Generika. Man sollte deshalb nur dann eine Mischung anfertigen, wenn man sicher ist, dass die entsprechenden Pharmaka miteinander kompatibel sind. Es reicht nicht, sich auf sein Auge zu verlassen, denn neben sichtbaren Inkompatibilitäten, etwa durch Ausfällung oder Farbveränderung, gibt es larvierte Unverträglichkeiten. Hierbei laufen physikalisch-chemische Reaktionen wie Zersetzung, Adsorption, Komplex- und Salzbildung ab. Neben einer Wirkungsverminderung sind Nebenwirkungen bis hin zur Intoxikation möglich.
Zur sichtbaren Ausfällung von Arzneistoffen kommt es meistens durch eine herabgesetzte Löslichkeit, beispielsweise infolge einer Verschiebung des pH-Wertes. Ein Beispiel hierfür ist die Unverträglichkeit von Adrenalin mit Natriumbicarbonat. Zu einem Aussalzeffekt kommt es, wenn ein Arzneistoff in Form eines Salzes in einer zu hohen Konzentration in ein Medium gelangt. Wird hierbei das Löslichkeitsprodukt überschritten, kommt es zur Ausfällung, beispielsweise bei Furosemid, wenn die zugesetzte Menge zu hoch ist. Inkompatibilitäten können durch verschiedene Umstände forciert werden. So ist die Gefahr beim Zumischen eines Arzneistoffes zu einer Infusionslösung größer als beim Zuspritzen zu einer laufenden Infusion. Grund hierfür ist die längere Kontaktzeit und die ungenügende Verteilung beim Zumischen.
Folgende Datenbanken sind bei der Identifikation von Inkompatibilitäten hilfreich:
Die meisten Datenbanken bieten leider keine Lösung an, wie man die Unverträglichkeit vermeiden kann. Dies tut u.a. das kostenpflichitge Programm KiK (Kompatibilität im Katheter). In der Vollversion können Informationen zu über 1.200 Medikamenten abgerufen werden. Die Software differenziert zwischen den möglichen Reaktionsorten Beutel bzw. Flasche und Überleitung. Es gibt nach Schweregrad gestaffelte Kommentare und eine Zuordnung der Infusionsfilter über ein Schaubild. Basierend auf einer Datenbank mit mehr als 100.000 Einträgen werden mit Hilfe speziell entwickelter Algorithmen alle theoretisch möglichen Produktkombinationen hinsichtlich bekannter Inkompatibilitätsreaktionen geprüft. Zudem werden potenzielle Kompatibilitätsprobleme ermittelt und dem Anwender angezeigt. Der „Vater“ der Software ist der Apotheker Frank Schröder.
In einer prospektiven randomisierten Studie von Jack et al. erhielten 806 pädiatrischen Intensivpatienten je zur Hälfte gefilterte oder ungefilterte Lösungen. Bei den Patienten der Filtergruppe war die Gesamtkomplikationsrate deutlich reduziert, vor allem SIRS war hochsignifikant vermindert, respiratorische, renale und hämatologische Organdysfunktionen waren deutlich seltener. Die Liegedauer verkürzte sich um 23 Prozent, von 4 auf knapp 3 Tage, die Beatmungsdauer um 3 Stunden. Pro Jahr muss eine Station für Filtersets 50.000 Euro investieren. Durch die verkürzte Liegedauer wird der Jahreserlös jedoch um 1,5 Mio. Euro gesteigert. Einige Arzneistoffe neigen extrem zu Inkompatibilitäten, entweder weil sie stark sauer, stark basisch oder extrem lipohil sind. Dazu gehören u.a. Heparin, Dobutamin, Furosemid, Theophyllin, Thiopental, Digitalis, Phenytoin, Amiodaron, Midazolam und Diazepam in öliger Lösung. Grundsätzlich sollen saure und alkalische Injektionen nicht gemischt werden:
Es ist sinnvoll, auch bewährte Mischungen auf Verträglichkeit zu prüfen. Dass man keine „Flocken“ sieht, ist kein Garant dafür, dass die Substanzen sich wirklich vertragen. Eine Studie von Rémi und Bausewein untersuchte u.a. die gängige Mischung von Morphin und Metamizol. Die Betrachtung des Morphin-Abbaus unter kinetischen Aspekten zeigte, dass die Abbaugeschwindigkeit von Morphin in wässrigen Mischungen mit Metamizol und/oder erhöhter Temperatur dosisabhängig zunimmt. Dies gilt auch für Hydromorphon und Oxycodon, sogar noch in stärkerem Umfang.