Forscher trugen nun zum besseren Verständnis der Entstehung von Autoimmunkrankheiten bei. Sie konnten die räumliche Struktur des Roquin-Proteins beim Andocken an mRNA lösen und erkannten, dass das Spektrum funktionell wichtiger Roquin-Bindungspartner größer ist als gedacht.
Das im Jahr 2005 entdeckte Protein Roquin kontrolliert die Aktivierung und Differenzierung von T-Zellen, indem es die Expression bestimmter mRNAs reguliert. Das Roquin-Protein hilft dabei, die immunologische Toleranz des Körpers zu gewährleisten und eine fehlgeleitete Immunreaktion – wie sie beispielsweise bei Autoimmunerkrankungen ursächlich ist – zu verhindern. Roquin ist damit ein Immunregulator. Autoimmunerkrankungen betreffen fünf bis zehn Prozent der Menschen in unserer Gesellschaft. Sie entstehen zumeist unter komplexen Umwelteinflüssen, wenn eine genetische Veranlagung vorhanden ist. Die Krankheitsentstehung ist jedoch nur äußerst selten durch die Veränderung eines einzelnen Gens bedingt. Ein solcher Fall wurde jedoch in einem Mausmodell gezeigt, in dem eine einzige Mutation im Roquin-Gen die Entstehung der Autoimmunerkrankung des Systemischen Lupus Erythematodes verursacht. Diese Mutation von Roquin verursachte außerdem eine starke Prädisposition für Typ-1-Diabetes und Rheumatoide Arthritis und führte zur Entstehung von angioimmunoblastischen T-Zell-Lymphomen.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam um die Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Michael Sattler, PD Dr. Dierk Niessing und Prof. Dr. Vigo Heissmeyer am Helmholtz Zentrum München, der Ludwig-Maximilians-Universität und der Technischen Universität München konnte nun im Detail zeigen, wie Roquin seine RNA-Bindungspartner erkennt und dadurch T-Zell-Funktionen steuert. Dafür bestimmten die Erstautoren der Studie Dr. Andreas Schlundt, Gitta Heinz und Dr. Robert Janowski die Raumstruktur der RNA-Bindungsdomäne des Roquin-Proteins nach dem Andocken an die RNA. Die Wechselwirkung des Proteins in Lösung mit weiteren RNA-Bindungspartnern wurde mittels Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie untersucht. Die Relevanz der so gefundenen Interaktionen zwischen RNA und Protein konnte dann durch Roquin-abhängige Genregulation in Zellsystemen validiert werden. Die gewonnenen Ergebnisse bilden erstmals die molekularen Wechselwirkungen ab, mit denen ein Bindemotiv in der mRNA eines Gens durch Roquin erkannt wird. „Überraschenderweise zeigte sich, dass ein viel größeres Spektrum an Bindemöglichkeiten eine wichtige funktionelle Rolle für die Genregulation in T-Zellen spielt“, betont Sattler. „Unsere Ergebnisse deuten daraufhin, dass Roquin eine größere Zahl von Genen reguliert als bisher angenommen“, ergänzt Niessing. Denn neben den mRNAs mit perfekten Erkennungsmotiven, die von Roquin mit hoher Affinität gebunden und vorrangig reguliert werden, existiert auch eine potentiell weit größere Anzahl von mRNAs mit etwas schwächerer Bindung, welche jedoch auch durch Roquin reguliert werden. „Aufgrund dieser Befunde werden wir uns jetzt intensiv mit der Regulation der zellulären Mengen von Roquin auseinandersetzen, da bei wechselnder Verfügbarkeit des Proteins vorrangig und schwach gebundene Ziel-mRNAs eine grundsätzlich andere Regulation erfahren“, erklärt Heissmeyer.
Die Definition des molekularen Zusammenspiels zwischen Roquin und der RNA ist die Voraussetzung dafür, die Funktion des Roquin-Proteins zu steuern und seine Rolle für therapeutische Strategien zu Behandlung von Autoimmunerkrankungen zu nutzen. Zu diesem Zweck planen die Forscher nun Folgestudien, in denen sie herausfinden wollen, wie die Funktion von Roquin manipuliert werden kann. Originalpublikation: Structural basis for RNA recognition in roquin-mediated post-transcriptional gene regulation Andreas Schlundt et al.; Nat Struct Mol Biol, doi:10.1038/nsmb.2855; 2014